Castrop-Rauxel. . Nach Bekanntwerden der von Neonazis verübten Mordserie: Muslime beobachten die Entwicklung besorgt. In der Nachbarstadt Dortmund wird eine breite Neonazi-Szene vermutet. Auf die Europastadt scheint diese aber noch nicht übergegriffen zu haben.
„Man macht sich schon seine Gedanken“, sagt Kubilay Corbaci, der Vorsitzende des Integrationsrates und fügt mit Blick auf die jetzt bekannt gewordenen Vorgänge des rechtsextremen Terrorismus hinzu: „Dass das in Deutschland möglich ist, hätte wohl keiner gedacht.“ Dabei sehe er Migranten im Ruhrgebiet nicht unmittelbar in Gefahr.
Gleichwohl forderten die muslimischen Gemeinden stets Polizeischutz an, wenn etwa – wie während der Fastenzeit in den Moscheen – größere Menschenansammlungen zusammenkämen. „Das machen wir aber bereits seit den Anschlägen von Mölln“, erklärt Corbaci und ärgert sich vor allem über die Versäumnisse der Politik: „Was wäre das für ein Aufschrei gewesen, wenn der Terror von der anderen, von der islamischen Seite gekommen wäre“, fragt Corbaci und gibt selbst die Antwort: „Dann hätte Innenminister Jäger anders reagiert.“
Ähnlicher Meinung ist auch Hüseyin Kocakaya, der sagt: „Die Polizei hat es verschlafen.“ Der Elektriker, der 1969 als Jugendlicher aus der Türkei nach Deutschland gekommen war, ist ebenfalls Mitglied im Integrationsrat. Tauscht er sich mit seinen Landsleuten aus, kommt er zu dem Schluss: „Wir sind als Migranten beunruhigt – aber nicht allein durch diese Döner-Morde.“
Vielmehr habe die Unsicherheit der Politik Anteil an der Verunsicherung. „Da ist nicht richtig recherchiert worden. Stattdessen hat man versucht, die Morde anderen Organisationen in die Schuhe zu schieben.“ Konkrete Bedrohung kann auch er in der Europastadt nicht ausmachen, wenngleich die ausgeprägte Neonazi-Szene in der Nachbarstadt Dortmund bekannt sei. „Hier ist es ruhig, in Castrop hat die Szene noch nicht Fuß gefasst“, so Kocakaya.
Diese Einschätzung bestätigt die Pressestelle des Polizeipräsidiums Recklinghausen. "In unserem Bereich gibt es keine feste Szene oder Gruppierung", sagt Pressesprecher Michael Franz. Wohl aber verzeichneten die Beamten kreisweit etwa 25 bis 30 Einzelpersonen, die auffällig geworden sind. Dabei handele es sich nicht um Straftaten in Zusammenhang mit Gewalt, sondern um Propagandadelikte, so Polizeisprecher Franz.
Blick nach Dortmund
Angesichts der Mordserie stellt der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus mit Besorgnis fest, dass erneut die Castroper Nachbarstadt in den Fokus neonazistischer Gewalt geraten ist. Zudem gebe es Hinweise auf eine Vernetzung Dortmunder Neonazis im deutschen und europäischen rechtsterroristischen Spektrum.