Castrop-Rauxel. Der Tag beginnt mit Grau, mit Nieselregen und Müdigkeit. Was wir gegen die sogenannte „November-Depression” tun können? Redakteurin Susanne Schild fragte Professor Ludwig Teusch, Chef-Psychologe am Evangelischen Krankenhaus in Castrop-Rauxel.

Schlägt Ihnen das Wetter aufs Gemüt?

Teusch: Ich finde es natürlich auch ermüdend, morgens mit dem Auto im Nieselregen durch das halbe Ruhrgebiet zu fahren. Da würde ich manchmal lieber im Bett liegen bleiben.

Ist das die berühmte November-Depression?

Medizinisch ist der Begriff falsch, aber man sagt das umgangssprachlich so. Viele Menschen neigen in der dunklen Jahreszeit zu einem saisonalen Stimmungstief. Schauen Sie sich doch den massiven Alkoholmissbrauch in den nordischen Ländern an, dort, wo es kaum Tageslicht gibt.

Was hilft?

Machen Sie sich auf die Suche nach Dingen, die wohltuend sind. Genießen Sie die stillen, ruhigen Momente, akzeptieren Sie, das es jetzt ruhiger zugeht. Es kann doch auch schön sein, wenn es draußen regnet, drinnen eine Kerze anzuzünden und ein Buch zu lesen. Ansonsten gilt: Treiben Sie Sport, gehen Sie tanzen, vor allem: Gehen Sie raus! Es kommen schließlich auch wundervolle sonnige Wintertage.

Weil das Tageslicht hilft?

Früher stand in unserer Klinik täglich ein Waldspaziergang auf dem Programm. Seit zehn Jahren ist eine Lichtwand Bestandteil unsere Therapie. Wer 20 Minuten vor diesem hellen Kunstlichtfenster sitzt, verspürt einen psychisch leicht aufhellenden Effekt.

Wann beginnt denn eine „echte Depression”. Anders gefragt: Wann ist der Zeitpunkt, wenn ich ärztliche Hilfe bräuchte?

Wenn die alltäglichen Dinge nicht mehr geleistet werden können. Also wenn man nicht mehr aufsteht, sein Bett macht, frühstückt, keinen Appetit mehr hat. Wenn man das Leben nicht mehr als lebenswert empfindet. Viele leiden auch unter Schlafstörungen: sie können schlecht einschlafen, haben einen „zerhackten Schlaf”, weil sie oft aufwachen. Morgens haben sie dann das Gefühl, sie hätten gar nicht geschlafen. Das hat eine ganz andere Dimension als unser Winter-Stimmungstief.

Aber es gibt fließende Übergänge: Manche Menschen sind so nachhaltig bedrückt, dass das den Wert einer Krankheit erreicht. Das Wetter ist da nur ein Aspekt, die jeweiligen Lebensumstände oder Beziehungskrisen spielen eine weit größere Rolle.

Und wann endet dann genau die so genannte Winterdepression?

Sie zieht sich meistens bis Ende Februar. Für empfindsame Menschen kann diese Zeit, gerade in den letzten Wochen, wirklich äußerst quälend lang werden.