Bottrop. Organspende - noch immer eine Tabu- und Angstthema. Eine Woche lang haben sich die Bottroper darauf eingelassen, über die Frage nachzudenken: Möchte ich, dass ein kranker Mensch nach meinem Tod mit meinen Organen weiterleben kann?

Bottrop ist in der vergangenen Woche noch ein Stück menschlicher geworden, hat eine noch wärmere Stadt-Atmosphäre bekommen. Eine Woche lang haben sich die Bürger unvoreingenommen und bereitwillig darauf eingelassen, über ein Tabu-Thema nachzudenken; über die Frage: Möchte ich, dass ein kranker Mensch nach meinem Tod mit meinen Organen weiterleben kann?

In der Apotheke, auf dem Wochenmarkt, im Rathaus, auf Veranstaltungen wurden sie auf diese existenzielle Frage hingewiesen. Die WAZ hat dabei gern mitgemacht, hat versucht aufzuklären, Ängste zu nehmen, zu beschreiben, wie das überhaupt funktioniert: Organspende.

Denn das ist noch immer ein Tabu-Thema. Weil es eine Grenze überschreitet. Wer über eine Organspende nachdenkt, muss auch über seinen Tod nachdenken. Den aber haben wir aus unserem Bewusstsein weitgehend verdrängt. Der Tod kommt in unserer schönen Hochglanzseiten-Welt nicht vor. Da zählt nur der Gesunde, der immer Leistungsfähige.

Debatte über Organspenden

Wer einen Personal- oder Führerschein beantragt, soll im Regelfall gefragt werden, ob er als Organspender bereitsteht. Das hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder angeregt. Mit der Regelanfrage und der Dokumentation im Ausweis will er erreichen, ...
Wer einen Personal- oder Führerschein beantragt, soll im Regelfall gefragt werden, ob er als Organspender bereitsteht. Das hat Unions-Fraktionschef Volker Kauder angeregt. Mit der Regelanfrage und der Dokumentation im Ausweis will er erreichen, ... © AP
... dass sich
... dass sich "die Menschen Gedanken über das Thema machen müssen", sagte Kauder der WAZ-Mediengruppe. Schließlich gebe es viele Menschen, ... © WAZ
... die dringend auf eine Spende angewiesen sind und auf Hilfe warten. Dennoch bekommt Kauder aus der eigenen Partei Gegenwind. Etwa von...
... die dringend auf eine Spende angewiesen sind und auf Hilfe warten. Dennoch bekommt Kauder aus der eigenen Partei Gegenwind. Etwa von... © Techniker Krankenkasse
... Dr. Günter Krings, der als CDU-Fraktionsvize mit rechtspolitischen Fragen betraut ist. Er sagt: „Es kann nicht sein, dass jeder grundsätzlich erstmal ein Ersatzteillager ist.“
... Dr. Günter Krings, der als CDU-Fraktionsvize mit rechtspolitischen Fragen betraut ist. Er sagt: „Es kann nicht sein, dass jeder grundsätzlich erstmal ein Ersatzteillager ist.“ © Fremdbild
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jens Spahn (CDU), hingegen begrüßt den Vorschlag von Volker Kauder. „Wir versuchen, möglichst praktische Ansätze zu finden, um die Zahl der potenziellen Organspender zu erhöhen
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Jens Spahn (CDU), hingegen begrüßt den Vorschlag von Volker Kauder. „Wir versuchen, möglichst praktische Ansätze zu finden, um die Zahl der potenziellen Organspender zu erhöhen" erklärt Spahn. Er selbst... © ddp
... besitze zwar einen Ausweis, habe ihn aber noch nicht ausgefüllt. „Die Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit“, so Spahn. Allerdings habe ihn erst sein politisches Engagement im Gesundheitsbereich auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam gemacht.
... besitze zwar einen Ausweis, habe ihn aber noch nicht ausgefüllt. „Die Frage beschäftigt mich schon seit einiger Zeit“, so Spahn. Allerdings habe ihn erst sein politisches Engagement im Gesundheitsbereich auf die Wichtigkeit des Themas aufmerksam gemacht. © ddp
„Ich bin gegen eine Widerspruchslösung. Denn sie würde bedeuten, dass Menschen ungefragt zu Organspendern würden
„Ich bin gegen eine Widerspruchslösung. Denn sie würde bedeuten, dass Menschen ungefragt zu Organspendern würden", sagt NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). "Das darf nicht passieren, es muss das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen bleiben." Das sieht auch... © WAZ FotoPool
... Steffens Vorgänger, der ehemalige Arbeits- und Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU, r.), so. „Grundsätzlich gilt: Jeder hat das Recht, über seinen Körper selbst zu bestimmen
... Steffens Vorgänger, der ehemalige Arbeits- und Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU, r.), so. „Grundsätzlich gilt: Jeder hat das Recht, über seinen Körper selbst zu bestimmen", sagt er. Er sieht dieses Recht aber nicht eingeschränkt. Denn: ... © ddp
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... "Dieses Recht würde auch durch eine Widerspruchsregelung, wie es sie in Österreich gibt, nicht in Frage gestellt. Es wäre sogar sinnvoll, Organspenden zuzulassen, wenn der Spender dem nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat", sagt Laumann. Auf ein anderes Problem... © sergej lepke
... weist der NRW-Landesvors. des Marburger Bundes, Rudolf Henke, hin.
... weist der NRW-Landesvors. des Marburger Bundes, Rudolf Henke, hin. "Wir können davon ausgehen, dass nur 40 Prozent aller Patienten mit Hirntod als mögliche Spender gemeldet werden. Was nützt ein Organspende-Ausweis, wenn der Patient gar nicht als Spender wahrgenommen wird?" © Rudolf Henke
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Romberg, sagt: „Wir müssen die Menschen besser über das Thema aufklären. Diese Aufklärung könnte schon in der Schule beginnen. Eine Widerspruchslösung wäre am einfachsten.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Romberg, sagt: „Wir müssen die Menschen besser über das Thema aufklären. Diese Aufklärung könnte schon in der Schule beginnen. Eine Widerspruchslösung wäre am einfachsten." Eine gemeinsame Initiative, ... © WR
... unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit, wünscht sich Carola Reimann (SPD). Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses will ebenso erreichen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen. „Jeder sollte gefragt werden, muss aber auch Nein sagen können.“ Allerdings halte sie es für keine gute Idee, ...
... unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit, wünscht sich Carola Reimann (SPD). Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses will ebenso erreichen, dass sich mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen. „Jeder sollte gefragt werden, muss aber auch Nein sagen können.“ Allerdings halte sie es für keine gute Idee, ...
... solch eine sensible medizinische Information in einen Führerschein zu drucken. Reimann drängt auf eine zügige Lösung: „Bisher ist es so, dass meist die Angehörigen am Krankenbett über eine Organentnahme entscheiden müssen. Damit sind viele überfordert.“
... solch eine sensible medizinische Information in einen Führerschein zu drucken. Reimann drängt auf eine zügige Lösung: „Bisher ist es so, dass meist die Angehörigen am Krankenbett über eine Organentnahme entscheiden müssen. Damit sind viele überfordert.“ © ddp
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Deshalb war es mehr als nur mutig, dass Professor Markus Hollenbeck, der Chefarzt der Klinik für Nephrologie im Knappschaftskrankenhaus, das Wagnis einging, diese Aktionswoche überhaupt zu starten. Und jetzt, nach einer Woche, zeigt sich, dass es ein Vorstoß war, der aller Mühen wert war: 1000 Bottroperinnen und Bottroper haben sich nicht nur mit Thema beschäftigt, sie haben sich auch entschieden; sie haben einen Organspende-Ausweis abgeholt.

Ob alle in dem Ausweis erklären, ihre Organe zu spenden, oder ob sie darin ein „Nein“ ankreuzen, bleibt offen. Was aber zählt ist: Sie haben sich damit beschäftigt.

Und exakt darauf kam es Hollenbeck, der auch Ärztlicher Direktor des Knappschaftskrankenhauses ist, an. Sicherlich: Über jeden Organ-Spender wird der Arzt glücklich sein. Es bedeutet, dass mindestens ein Kranker mehr ein Leben führen kann ohne Beeinträchtigung, ohne Schmerzen, ohne Leid. Doch damit eine Entscheidung erst möglich wird, braucht es Information und Aufklärung. Und die hat Hollenbeck in dieser Woche reichlich gegeben. Auch deshalb war das eine äußerst erfolgreiche Aktion. Und es war eine, die ganz sicher weiter wirken wird.