Johanna Brey ist überglücklich. Die 67-jährige Frau aus Rees am Niederrhein hat vor wenigen Tagen eine gesunde Spender-Niere erhalten. Die alte Dame strahlt und sagt mit großer innerer Zufriedenheit: „Ich bin froh und ich bin sehr dankbar.“ Sie sitzt im Warteraum der Klinik für Nephrologie (Nierenerkrankungen) des Universitätsklinikums Essen, wartet auf ihren Mann und bedankt sich bei Professor Andreas Kribben. Er ist Direktor der Klinik. Und er ist mit seinem Team so etwas wie ein Wegbegleiter, auch für zahlreiche nierenkranke Patienten aus Bottrop. Zur Transplantation kommen viele von ihnen nach Essen. „Wir arbeiten intensiv zusammen“, erklärt Professor Markus Hollenbeck, Chefarzt für Nephrologie am Knappschaftskrankenhaus Bottrop. Er organisiert die Aktionswoche zur Organspende hier.
Kriterien der Bundesärztekammer
Die Bottroper Kranken kommen mit all ihren Hoffnungen und sie kommen mit sehr viel Vertrauen. Vertrauen darauf, dass sie nicht benachteiligt werden bei der Verteilung der Spender-Organe, dass alles gerecht zugeht. Professor Andreas Kribben, der Klinikchef, bürgt dafür. „Hier gibt es keine Geheimnisse“, erklärt er in ruhigem Ton, „der Weg eines Organs vom Spender bis zum Empfänger ist jederzeit einsehbar, es läuft alles transparent, nachprüfbar ab.“
Das beginnt schon mit dem ersten Gespräch des Bottroper Patienten lange vor der Transplantation. Er wird dabei von Markus Hollenbeck oder einem Arzt aus seinem Team nach Essen begleitet. „Jeder Patient wird hier individuell über die Transplantation beraten“, sagt der Essener Klinikchef. Haben die beteiligten Ärzte alle medizinischen Fragen geklärt, wird die Übertragung vorbereitet. „Wir melden den Patienten dann bei Eurotransplant an.“
Das ist die Vermittlungsstelle für Spender-Organe in Deutschland, den Benelux-Ländern, Österreich, Slowenien, und Kroatien. Sie stellt die Listen der Kranken zusammen, die auf eine Niere warten, zurzeit sind es in Deutschland 8000 Personen. Eurotransplant legt auch die Reihenfolge auf der Liste fest, „nach strengen Kriterien, die die Bundesärztekammer festgelegt hat“, erklärt Hollenbeck. Die Wartezeit oder auch spezifische medizinische Merkmale spielten dabei eine Rolle. „Derjenige, der eine Niere am dringendsten braucht, steht auf Platz eins“, fasst Hollenbeck zusammen.
Auf dieser Liste stehen keine Namen, sondern anonymisierte Ziffern. Sie vermerke auch nicht, wer Privat- und wer Kassenpatient ist, erläutert Andreas Kribben. Schiebereien wie etwa bei dem Skandal mit Spender-Organen in Regensburg und Göttingen seien bei der Listen-Erfassung für Nierenkranke so gut wie ausgeschlossen.
Der rettende Anruf
Soweit die Vorbereitungen für eine Organ-Übertragung. Richtig aufregend jedoch wird es erst dann, wenn Eurotransplant der Essener Klinik meldet: Eine Niere für den Patienten auf Platz eins steht zur Verfügung. Und Nummer eins kommt in diesem Fall aus Bottrop. „Wir sind immer erreichbar“, so Professor Kribben, am Tag und auch nachts. Er verständigt umgehend Professor Hollenbeck oder einen seiner Kollegen am Bottroper Knappschaftskrankenhaus.
Sie klären dann, ob der Patient operationsfähig ist, ob er eine Infektion hat oder vielleicht Fieber. Spreche aus medizinischer Sicht ein gravierender Grund gegen die OP, gehe die Niere an Nummer zwei auf der Liste.
Passt aber alles, ruft Hollenbeck sofort seinen Bottroper Patienten an, sagt ihm, sich ruhig, aber zügig, auf den Weg nach Essen zu begeben. „Für den Patienten ist dieser Anruf oft der Weltuntergang“, weiß der erfahrene Arzt. Jahrelang warten sie, aber dann plötzlich soll es von einer Stunde auf die andere losgehen. Ein Schock. Hollenbeck hilft, ihn zu überwinden.
Doch dann, nach all der Zeit des Wartens, des Leidens, des bangen Hoffens: Dann endlich steht der Patient vor dem weit geöffneten Tor in ein ganz anderes, in ein neues Leben.
Und dann empfindet er wahrscheinlich wie Johanna Brey aus Rees. Mit vor Freude glänzenden Augen meint die 67-Jährige: „Ich hab’ meinem Mann gesagt: Erzähl allen, dass ich jetzt mit einer gespendeten Niere lebe. Alle sollen das wissen – damit sie nachdenken und auch einen Spenderausweis tragen.“