Essen. . 17 Jahre ist er alt und hat auf offener Straße in Bottrop zwei Brüder niedergeschossen. Eins seiner Opfer ist durch die Tat erblindet, wird sein Leben lang ein Pflegefall bleiben. Auf zweifachen versuchten Totschlag erkannte die Essener Jugendstrafkammer und verurteilte den Bottroper zu vier Jahren und zehn Monaten Jugendstrafe.
„Die Tat passt nicht zu ihm.“ Darin waren sich eigentlich alle Prozessbeteiligten einig. Aber es änderte nichts daran, dass der gut gekleidete junge Mann am 15. Dezember auf der Glückaufstraße in Bottrop zwei Brüder niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt hatte. Zu vier Jahren und zehn Monaten Jugendstrafe verurteilte den Bottroper deshalb am Donnerstag das Essener Landgericht. Seine Tat wertete die Jugendstrafkammer als zweifachen versuchten Totschlag.
Zwei Prozesstage hatte das Gericht in nichtöffentlicher Sitzung gebraucht und dabei nicht einmal annähernd versucht, den Hintergrund der an Wild-West-Filme erinnernden Schüsse aufzuklären. Was hätte es auch gebracht? Denn das Motiv hatte schon die Polizei vergeblich gesucht. Bei ihren Ermittlungen im türkischstämmigen Milieu Bottrops waren die Beamten auf zahlreiche mögliche Motive gestoßen. Auch Gerüchte bekamen sie reichlich zu hören. Mal ging es um Rache für eine Schlägerei, für Bestrafung wegen sexuellen Missbrauchs, um Streit nach einem Kartenspiel, um Mordaufträge oder um einen eigentlich ganz anderen Schützen.
Schmauchspuren an seiner Hand
Der 17-Jährige hatte sich wenige Stunden nach den Schüssen um 17.40 Uhr auf der Glückaufstraße der Polizei gestellt. Anfangs gab es Zweifel, ob er vielleicht nur wegen des milderen Jugendstrafrechts von der Familie vorgeschoben worden war. Aber Schmauchspuren an seiner Hand legten seine Täterschaft nahe, er wurde angeklagt.
Im Prozess sprach er von Bedrohungen und Erpressungen durch die 24 und 25 Jahre alten Brüder aus seiner Nachbarschaft. Die Version einer konkreten Notwehrsituation, die er anfangs schilderte, nahm er aber zurück. Auch seine Geschichte, er hätte sich am Busbahnhof in Bottrop die scharfe Waffe besorgt und ohne jeden Probeschuss am 15. Dezember erstmals abgefeuert, hielt er später nicht mehr aufrecht. Klarer wurden die Hintergründe dadurch nicht.
Nachdem die Juristen sich am ersten Prozesstag in einem Rechtsgespräch auf einen Strafrahmen von viereinhalb bis sechs Jahren Haft geeinigt hatten, blieb Staatsanwalt Marcus Schütz mit fünfeinhalb Jahren knapp darunter. Verteidiger Hans Reinhard betonte in seinem Plädoyer, dass der in einer Hertener Einrichtung untergebrachte Mandant seit der Tat eine „sehr, sehr positive Entwicklung“ genommen habe. Das Gericht lobte strafmildernd das Geständnis. Richter Busold zum Motiv: „Es ist unbefriedigend. Irgendetwas war im Hintergrund, aber wir wissen es nicht.“