Bottrop. Die Totems von Agustín Ibarrola auf der Halde Haniel waren 2002 das erste Kunstwerk der Ruhrtriennale. Jetzt ist der Künstler verstorben.

Einer der ersten Fixpunkte der damals frisch ins Leben gerufenen Ruhrtriennale war Bottrop mit seiner Halde Haniel. Wie ein erstes großes Ausrufezeichen der seit damals vielbeschworenen Verbindung von Kunst, Industriekultur, Natur aber auch politischer Aussage ragen seit 2002 die Totems von Agustín Ibarrola im Halbrund über der Bergarena in den Himmel. Das wohl bekannteste Festival der Region macht seit längerem einen Bogen um Bottrop – geblieben sind bis heute Ibarrolas bunte, hölzerne Stelen, die die Landmarke selbst erst zum Kunstwerk erheben. Am Abend des 17. November ist der international bekannte baskische Künstler überraschend in seinem Haus in Galdakao an der Biskaya gestorben. Er wurde 93 Jahre alt.

Einem Belgier und einem Basken verdankt Bottrop eines seiner prominentesten Kunstwerke. Denn soviel ist sicher: Ohne den umtriebigen Theaterintendanten und Festivalleiter Gerard Mortier (gest. 2014) wäre Agustìn Ibarrola wohl nie nach Bottrop gekommen. Mortier sah im Bahnhof von Madrid große Installationen von Ibarrola und fragte: Was ist das? Wer ist das? Den würde ich gerne kennenlernen. Kurz darauf fuhr Mortier zu dem Künstler ins Baskenland – und sah dort eine Sammlung dessen Totems, bemalte, alte hölzerne Bahnschwellen. „Ich weiß genau, wo die hingehören, nach Bottrop auf diese Halde“, so der designierte Gründungsintendant der Ruhrtriennale.

Bottroper Künstler kümmert sich von Anfang an um den Erhalt von Ibarrolas Skulpturen

Soweit die Erzählung, die Guido Hofmann aus erster Hand erfuhr, nämlich von beiden Akteuren selbst. Denn der Bottroper Bildhauer ist seit der Errichtung der Totems 2002 nicht nur das, was man den Bottroper Sachwalter Ibarrolas nennen könnte, sondern auch der, der sich um Erhalt und Instandsetzung der Arbeiten im Auftrag des Regionalverbands Ruhr (RVR) als Eigentümer kümmert. In über 20 Jahren – denn die Arbeit an den Stelen begann lange vor deren Errichtung auf der Halde – ist aus dem anfänglichen Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Ibarrola und Hofmann längst eine Freundschaft mit engem Kontakt zur Familie geworden.

„Ich habe zwei Tage vor Agustíns Tod mit einem der Söhne telefoniert, denn es sollte noch eine Ausstellung mit aktuellen Papierarbeiten geben“, erzählt Hofmann. Dann, am 17. November, sei es Ibarrola plötzlich schlechter gegangen, er sei noch einmal in die Halle gegenüber seines Hauses gegangen. Dort steht eine Anzahl dieser Totems, die nicht nach Bottrop gekommen sind. Und kurz darauf, so dessen Sohn, sei Agustín Ibarola plötzlich an Herzversagen gestorben, weiß Guido Hofmann.

Guido Hofmann (r.) und Agustín Ibarrola vor wenigen Jahren bei Arbeiten an den Großskulpturen „Würfel der Erinnerung“ im Hafen der nordspanischen Stadt Llanes.
Guido Hofmann (r.) und Agustín Ibarrola vor wenigen Jahren bei Arbeiten an den Großskulpturen „Würfel der Erinnerung“ im Hafen der nordspanischen Stadt Llanes. © Hofmann

Ibarrola begann im Teenager-Alter als Autodidakt, studierte dann bei Daniel Vasquez Dias in Madrid, später in Paris. Zurück in Francos Spanien engagierte er sich in der Kommunistischen Partei, wurde mehrfach inhaftiert. Ausstellungen in London machten seine Werke überregional bekannt. Später setzte er sich gegen die terroristischen Aktionen der baskischen Unabhängigkeitsbewegung ETA ein.

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Die beschädigte daraufhin auch seinen „Bemalten Wald“, ein Großkunstwerk in der Nähe der Stadt Guernica – bekannt durch die Gräuel im spanischen Bürgerkrieg und durch Picassos gleichnamiges Kunstwerk. Seit den 80er Jahren lebte er auf einem Hof in dieser baskischen Region, konzentrierte sich auf seine Skulpturen, darunter viele Großskulpturen wie die steinernen „Würfel der Erinnerung“ im Hafen von Llanes oder eben die Bottroper Totems.

Totems von Agustín Ibarrola im Winter auf der Halde Haniel. Der Bottroper Fotografin Angelika Schilling ist es gelungen, die magischen Momente von Industriekultur, Kunst und Natur festzuhalten.
Totems von Agustín Ibarrola im Winter auf der Halde Haniel. Der Bottroper Fotografin Angelika Schilling ist es gelungen, die magischen Momente von Industriekultur, Kunst und Natur festzuhalten. © Angelika Schilling

Neben einer politischen Dimension haben vor allem die späteren Werke wie die Totems immer auch einen archaischen, vielleicht sogar spirituellen, Charakter. So haben die Bottroper Arbeiten nicht nur für Guido Hofmann etwas von beseelter Natur, sind eine Art Bindeglied zwischen den industriellen Resten einer Abraumhalde, dem natürlichen Material Holz, das sich immer wieder verändert und dem weiten Himmel über der Halde.

„Ich habe mit den Totems einen Teil meiner Seele in Bottrop hinterlassen“

In vielen Ansichten wirken die Totems geradezu mystisch. Guido Hofmann zitiert gerne einen Satz, den Agustín Ibarrola 2002 nach der Errichtung der Totems sagte: „Ich habe einen Teil meiner Seele mit den Totems in Bottrop hinterlassen.“ Sie werden die Erinnerung an den Künstler lebendig halten. Und vielleicht kehrt eines Tages auch die Ruhrtriennale zu einem ihrer Ausgangspunkte zurück, nach Bottrop.