Bottrop. Die Bottroper AfD fordert eine Pflicht zum Nicht-Gendern, ein Antrag, der schon in anderen Städten gestellt wurde. Andere Parteien sind genervt.
Es sind die Reizthemen, die für Furore sorgen und mit denen oft auch kleine Gruppen viel Lärm um vermeintlich wenig machen. Das ist im Stadtrat nicht anders als in der ganz großen Politik oder auch am familiären Küchentisch. Bottrops Ratsfrauen und Ratsherren werden sich in der letzten Sitzung entnervt zurückgelehnt haben, als die AfD-Fraktion ihren Antrag auf Nichtanwendung der Gendersprache, also der geschlechtergerechten Sprache, im städtischen Sprachgebrauch einbrachte. Denn Minuten zuvor hatte Kämmerer Jochen Brunnhofer erst die erschütternden Präsentation des städtischen Haushaltsplans für 2024 vorgelegt, in dem er ein 60-Millionen-Loch voraussagte.
Und dann gendern im offiziellen Sprachgebrauch? Sowohl in schriftlichen als auch in mündlichen Äußerungen, wie es im letzten Punkt des Antrags ausdrücklich heißt. Natürlich war das ein Sturm im sprichwörtlichen Wasserglas, hatte doch vor gut einem Jahr eine große Mehrheit der Ratsparteien gefordert, die Stadt müsse ihre Hauptsatzung geschlechtergerecht umformulieren.
Bottrops Rats-Dramaturgie zwischen alarmierendem Zahlenwerk und abgesagtem Rathausanbau
Dramaturgisch war der Antrag nicht ungeschickt eingefügt zwischen dem alarmierenden Zahlenwerk und dem nach erfolgreichem Bürgerbegehren ratsmehrheitlich abgeblasenen Rathausanbau, um den die Diskussion nach dem vorhersehbar abgelehnten AfD-Antrag im Rat weiter köchelte.
Und: Natürlich greift die rechte Ratsgruppe mit der Gendersprachregelung ein Thema auf, das zwar seit den 70er Jahren virulent ist, aber gerade in den letzten Jahren – wie so vieles andere – Bevölkerung, Wissenschaft und Politik spaltet. Ein ehrenwerter Anstrich, wenn man sich um Verständlichkeit, Natürlichkeit des Sprachgebrauchs oder am Ende rechtliche Eindeutigkeit von Sprache sorgt? Im Rat giftet es, vor allem bei Grünen und den kleineren Ratsgruppen.
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„Die Welt um uns brennt, auch hier in Bottrop mit Blick auf den Haushalt, und wir müssen uns hier mit der Abneigung der AfD von geschlechtergerechter Sprache beschäftigen, der Antrag ist deplatziert, inhaltlich vollkommen falsch“, so die Grünen-Fraktionsvorsitzende Andrea Swoboda, deren Fraktion sich 2022 als erste für die sprachliche Änderung stark gemacht hat. „Wir lassen uns gerechte Sprache nicht von Nazis verbieten“, so Swoboda.
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Marianne Dominas (ÖDP) bezog sich dagegen eher auf den Verbotscharakter des AfD-Antrags. Natürlich sei gendergerechte Sprache manchmal mutig, auch kantig, nach geltenden Regeln zuweilen sogar falsch, aber: „Wer Worte und Sprache verbietet, verbietet auch Bücher.“ Für die Lehrerin passe das generische Maskulinum nicht mehr ins Heute, sondern stehe für das 19. und frühe 20. Jahrhundert.
DKP-Urgestein Irmgard Bobrzik stand wie so oft für historisch antifaschistisch motivierte Emotionalität: „Man sollte solchen Anträgen ebenso wenig Raum geben wie den Faschisten. Das ist das letzte Mal, dass ich das Wort ,AfD’ in den Mund nehme.“
Süffisanter wurde Linken-Ratsherr Sven Hermens. Er verwies auf einen fast gleichlautenden Antrag der Gelsenkirchener AfD vom letzten September. Dort hatte die Partei im Rat ebenfalls gefordert, die „sogenannte ,Gendersprache’ innerhalb jeglicher Form der verbalen Äußerung, sowohl schriftlich als auch mündlich, nicht zur Anwendung bringen“. Da der Änderungsvorstoß der Bottroper Grünen bereits im Juni 2022 erfolgte, fragte Hermens die AfD-ler: „Warum brauchen sie 15 Monate, um so einen Antrag zu formulieren?“ Und mit Blick auf ein in der AfD verbreitetes „Weiterreichen“ von Anträgen: „Schreiben Sie doch eigene Anträge, am besten sinnvolle, wenn sie das nicht können, lassen Sie es doch.“
Auch große Teile der Bevölkerung lehnen durchgängiges Gendern ab
Immerhin: Die AfD sieht sich in ihrer Ablehnung der Gendersprache auf der Linie der Bevölkerung, die größerenteils gegen das Gendern ist, zumal, wenn es aufgezwungen erscheint. Das legen zumindest zahlreiche unabhängigere Untersuchungen und Umfragen nahe. Andersherum erscheint ein Gebot, nicht zu gendern, ebenso aufgezwungen. Dass die deutsche Sprache über ein grammatisches und ein natürliches Geschlecht verfügt (im Gegensatz zum Englischen), lässt sich nun einmal nicht per Handstreich ändern.
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Das spricht allerdings auch nicht dagegen, die deutsche Behördensprache zu modernisieren. Aber auch dafür gibts es mögliche fachliche Hilfestellung. Die kann vor allem dafür sorgen, dass gegenderte Amtssprache nicht eine andere Art von Unverständlichkeit hervorbringt, wie das berüchtigte Amtsdeutsch, von Juristendeutsch ganz zu schweigen.
Stilsicherheit, Verständlichkeit sollten jedoch immer neben einer Grundverbindlichkeit in Ausdruck und Rechtschreibung eine Grundlage sein für die Wertschätzung anderer – und der deutschen Sprache. Übrigens auch in Ratssitzungen.