Bottrop. Der Brustkrebs hat das Leben dieser Frauen von jetzt auf gleich erschüttert. Sie haben ihren Weg gefunden. Jetzt teilen sie ihre Erfahrungen.
Brustkrebs. Eine Diagnose, die nicht nur den Körper trifft, sondern das ganze Sein erschüttert. Die Angst, die Hoffnung, die hilflose Wut, die tiefe Erschöpfung, die innere Einsamkeit. „Du bist nicht mehr der Mensch, der du vorher warst“, sagt Andrea Lorenz. „Ich bin sensibler geworden, aber auch stark.“
Von dieser Stärke gibt sie jetzt anderen Frauen ab. Zusammen mit Leiterin Susanne Müller engagiert sich Andrea Lorenz im fünfköpfigen Team der ehrenamtlichen Patientinneninitiative „Impuls“. Zwei Frauen, die sehr unterschiedlich mit ihrer Brustkrebserkrankung umgehen.
Brustkrebs-Patientin: „Während der Erkrankung war die Angst meine zentrale Emotion“
Andrea Lorenz berichtet: „Zu Beginn und besonders während der Erkrankung war die Angst meine zentrale Emotion. Immer wieder der Gedanke, ob das nun mein Leben war und ob der Krebs mein Leben jetzt beendet. Ich fühlte mich wie in einer Bubble, 1000 Dinge gingen mir durch den Kopf.“ Und immer wieder dies: Das kann doch gar nicht sein.
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Konnte es aber. 52 Jahre alt war Andrea Lorenz bei der Diagnose, die sie Ende 2020 erhielt: zwei Tumore in der rechten Brust. Schon im Spätsommer hatte sie das Gefühl nicht losgelassen, dass etwas mit ihrem Körper nicht stimmte. Sie hatte einen Krebsvorsorgetermin absagen müssen, und beim nächsten entdeckte ihr Gynäkologe etwas Auffälliges.
Mammographie, Tastdiagnose, Stanzbiopsie; dann die Untersuchungen, um zu klären, ob der Krebs schon gestreut hat. Leber, Lunge und Knochen sucht er sich dazu vorzugsweise aus. „Nach der Knochenszintigrafie übermannte mich die Panik. Das Warten auf die Befunde und diese Ungewissheit, dass die Ärzte noch etwas Weiteres gefunden haben könnten, haben mich intuitiv dazu bewegt, das Wartezimmer zu verlassen.“ Damals war die Corona-Pandemie in ihrer Hochphase und die Bottroperin konnte keine Begleitung zu ihren Untersuchungen mitnehmen. „Draußen hat mein Mann mich dazu gebracht, wieder hineinzugehen.“
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Im Januar 2021 war die OP angesetzt; immer noch durfte kein Besuch auf die Station. „Ich weiß noch genau, wie ich im Krankenhaus mit dem Telefon am Fenster gestanden habe. Meine Tochter, damals 21 Jahre alt, stand ebenfalls mit Telefon bei strömendem Regen im Hinterhof des Krankenhauses.“ Das war der einzige persönliche Kontakt mit der Familie. „Das Alleinsein mit mir selbst und meinen Gedanken war schwer.“ Sehr gutgetan habe ihr im Krankenhaus der Beistand einer Psychologin.
Menschlich machen die Patientinnen sehr unterschiedliche Erfahrungen
Bei der OP wurden die beiden Tumore und acht Lymphen entfernt, „drei waren befallen“. Dann die Bestrahlung. „Mein erster Gedanke war: zum Glück keine Chemo. Eigentlich hatte ich nicht so viel Angst vor einer Bestrahlung.“ Doch das sei nur Unwissenheit gewesen, weiß Andrea Lorenz heute. „Müdigkeit, Übelkeit und Energielosigkeit waren meine täglichen Begleiter.“ Tatsächlich wurden die sechs Wochen zur extremen Belastung, zumal noch Herausforderungen im privaten Umfeld dazu kamen.
Menschlich hat Andrea Lorenz sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Da war „die wunderbare Ärztin, die meine Angst sehr ernst genommen hat“ ebenso wie der „Radiologe, dem jede Empathie fehlte“. Belastend empfand sie auch viele Reaktionen aus ihrem Umfeld; im Bekanntenkreis fehlt bis heute das Verständnis für ihre Situation. Oft hörte sie, sie habe ja „nur eine Bestrahlung“ bekommen, keine Chemotherapie.
Was körperlich bleibt – die Prognose ist insgesamt positiv – sind die Nebenwirkungen der Hormontherapie plus der Knochen stärkenden Bisphosphonattherapie. Weil ein sogenannter hormonrezeptor-positiver Brustkrebs diagnostiziert wurde – die Krebszellen ernähren sich dabei von Sexualhormonen – , startete Andrea Lorenz mit einer Antihormontherapie, die noch andauert. Die Nebenwirkungen, die sie beschreibt, sind sprunghaft und teilweise chronisch: von Gelenkschmerzen über Arthrose bis hin zum Fatigue-Syndrom.
Mit 44 Jahren an Brustkrebs erkrankt: „Es ist nichts mehr wie vorher“
„Es ist nichts mehr wie vorher“, sagt auch Susanne Müller, die mit 44 Jahren an Brustkrebs erkrankte. Jetzt, vier Jahre später, wird ihr weiterhin alle vier Wochen ein Antihormon gespritzt. Sie kennt es auch: die Steifheit, die sie aber mit Sport gut in den Griff bekommt, die Knochenschmerzen, auch Schlaflosigkeit.
Insgesamt stellt Susanne Müller fest: „Ich bin nicht mehr so belastbar wie früher. Ich war immer ein sehr sportlicher Mensch. Doch an meine früheren Leistungen komme ich nicht mehr heran.“
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Auf der anderen Seite habe die Erfahrung der Krebserkrankung, die sie gut überstanden hat, sie persönlich verändert. Anders als die stark von Ängsten geplagte Andrea Lorenz habe sie anfangs eine Grundwut in sich gehabt, die Diagnose Brustkrebs quasi als Frechheit empfunden. Von anderen Patientinnen grenzte sie sich innerlich ab. Doch im Laufe der Therapie sei sie weicher geworden, empathischer, sensibler, toleranter. „Wir sitzen alle in einem Boot. Wir wollen alle nur leben.“
Susanne Müller ist OP-Schwester und als solche beruflich erfahren mit Brustkrebspatientinnen. „Ich glaubte zu wissen, was die Diagnose bedeutet.“ Im Bereitschaftsdienst auf der Arbeit hatte sie 2019 einen Knoten in der Brust selbst ertastet, ging aber erst drei Wochen später damit zum Arzt. „Ich war sicher, das ist nur eine hormonelle Sache, wollte erstmal meinen Zyklus abwarten“, erzählt Susanne Müller.
Der Gynäkologe beruhigte sie auch zunächst, im Ultraschall sehe der Knoten nicht schlimm aus. Und doch ergaben die weiteren Untersuchungen ein Mammakarzinom. Immer noch konnte, wollte sie es nicht glauben. „Ich hatte das Gefühl, die sprechen gar nicht über mich. Ich war sofort im Modus Wut, ging in den Angriff über.“ Der Arzt tauge nicht, die Proben wurden doch bestimmt vertauscht. Wurden sie nicht.
„Ich brauchte eine Chemotherapie“, berichtet Susanne Müller. Sie wusste, dass die schlimm wird. „Aber ich dachte: Ich bin sportlich, ich ernähre mich gut, ich bin nicht wehleidig – ich schaffe das.“ Doch das Gift wütete in ihrem Körper. Susanne Müller spricht von einer unbeschreiblichen Übelkeit, Kopfschmerzen, Geruchsempfindlichkeit, Brainfog. 16 Zyklen Chemotherapie waren es insgesamt. Die ersten vier mit einem Kombiwirkstoff waren die schlimmsten; die zwölf Folgenden vertrug sie viel besser. Wenn es zwischendurch ging, machte sie Sport. „Ich hatte ein großes Ziel: Ich wollte nach der Chemo zum Wanderurlaub nach Tirol. Und vier Tage nach der letzten Chemo war ich in den Bergen.“
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Brusterhaltende OP und Strahlentherapie waren im Vergleich zur Chemo für die heute 49-Jährige gut verkraftbar. „13 Monate war ich krank. Danach habe ich wieder Vollzeit gearbeitet.“ Ganz wichtig für ihre Genesung, betont sie, sei die „liebevolle Unterstützung“ von Familie und Freunden gewesen.
Beide Frauen konnten sich zunächst nicht vorstellen, dass die Patientinneninitiative „Impuls“, angesiedelt im Verwaltungsgebäude am Marienhospital, etwas für sie wäre. Beide fanden über die dort angebotenen Yoga-Kurse Zugang - und engagieren sich heute im Team mit Sandra Molitor, Elke Brockhoff und Marion Weckelmann für andere Frauen. Denn sie wissen nur zu gut: Die Diagnose Brustkrebs erschüttert das ganze Sein. Aber jede Frau findet ihren Weg.