Bottrop. Muss ein Bottroper Gebühren zahlen, wenn die Stadt seine Privatstraße nicht fegt? Nicht immer. In diesem Fall aber sagt die Best: Ja, er muss.

Rolf Große-Beck fühlt sich von der Stadt ungerecht behandelt. Die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best) verlangt von ihm jedes Jahr Straßenreinigungsgebühren, dabei reinigen deren Leute die kleine Straße vor dem Haus des Bottropers überhaupt nicht. Rolf Große-Beck wohnt mit Ehefrau Christa an der Lortzingstraße 17b in Bottrop. Sein Grundstück liegt an einer privaten Stichstraße und grenzt auch sonst mit keiner Seite an eine Straße der Stadt. Christa und Rolf Große-Becks Widerspruch gegen den Bescheid über die fälligen Straßenreinigungsgebühren wies die Best zurück.

Rolf Große-Becks Unverständnis ist ein Beispiel mehr für den seit Jahrzehnten immer wieder neu aufkommenden Streit um Gebührengelder zwischen Anwohnern und ihren Städten. „Wir haben die Straße vor unserem Haus selbst bezahlt. Reparaturen übernimmt die Stadt nicht, und wir müssen sie auch selbst reinigen oder das auf eigene Kosten machen lassen. Das bleibt alles uns überlassen“, sagt der Bottroper. Es ist jetzt fast 40 Jahre her, dass sich Rolf Große-Beck das erste Mal mit einem Widerspruch vergeblich dagegen wehrte, dass seine Familie trotzdem Straßenreinigungsgebühren bezahlen muss.

Zu einer Klage gegen die Stadt entschloss sich das Paar nicht

Zu einer Klage gegen die Stadt entschloss sich das Bottroper Paar aus beruflichen und privaten Gründen nicht. Es fehlte die Zeit, lässt Rolf Große-Beck durchblicken. Schicksalsschläge in der Familie kamen hinzu. Da gab es lange Wichtigeres. Die Unzufriedenheit über das Vorgehen der Stadt aber blieb. Die Stadt verlangt die Gebühren ja nicht nur, obwohl die private Stichstraße von ihren Leuten gar nicht gereinigt wird, sondern auch noch für das Fegen eines Straßenzuges gleichen Namens, an dem Große-Becks Haus nicht einmal wirklich liegt.

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Auf den ersten Blick geht es in dem Zwist um inzwischen nicht ganz 110 Euro im Jahr, doch für Rolf Große-Beck geht es um mehr. Er sieht sein Gerechtigkeitsgefühl verletzt und fragt sich, warum in anderen Städten möglich sein soll, was in Bottrop angeblich nicht sein kann oder darf. Im Essener Stadtteil Steele etwa hat die Nachbarstadt mehr als 20 Familien die Straßenreinigungsgebühren erstattet. Auch ihnen hatte die dortige Verwaltung Gebühren abverlangt, obwohl sie an einer Privatstraße wohnen. „Das ist aber doch die gleiche Lage und Situation wie bei uns“, meint der Bottroper; zumindest ist sie so ähnlich.

Die Nachbarstadt Essen musste Gebühren zurückzahlen

Die Essener hatten sich vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen durchgesetzt. Die Verwaltung der Nachbarstadt hatte verneint, dass deren private Ernst-Barlach-Straße eine sogenannte Erschließungsstraße sei, und zunächst Gebühren für den Hellweg verlangt, in den die private Straße mündet. Das sahen die Verwaltungsrichter anders. Die Nachbarstadt musste die Gebühren zurückzahlen. Ein WAZ-Bericht über den Rechtsstreit war für Rolf Große-Beck der Impuls, einen neuen Versuch zu unternehmen, wenigstens zukünftig keine weiteren Straßenreinigungsgebühren zahlen zu müssen.

Den Hauptstrang der Lortzingstraße in Bottrop (am rechten Bildrand) fegt die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best), die kleine Stichstraße nicht. Anwohner Rolf Große-Beck beklagt sich, dass er dennoch Straßenreinigungsgebühren zahlen muss.
Den Hauptstrang der Lortzingstraße in Bottrop (am rechten Bildrand) fegt die Bottroper Entsorgung und Stadtreinigung (Best), die kleine Stichstraße nicht. Anwohner Rolf Große-Beck beklagt sich, dass er dennoch Straßenreinigungsgebühren zahlen muss. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Hinzu kam, dass ihm sein Enkel neben dem Gelsenkirchener Urteil noch ein weiteres aus Berlin besorgte. „Mein Enkel studiert Jura und hat mir da geholfen“, erzählt der Großvater. Denn das Kammergericht in Berlin hat schon vor 15 Jahren die zunächst lange bejahte Gebührenpflicht von Privatstraßenanliegern dann doch verneint. Die Richter hielten es in dem Berliner Musterprozess für unzulässig, den Anliegern an den Privatstraßen eigene Reinigungspflichten aufzuerlegen und zusätzlich von ihnen auch noch Straßenreinigungsgebühren zu verlangen. „Das ist ja auch eine Doppelbelastung“, betont Rolf Große-Beck.

Wie eine Grundstückseinfahrt und nicht wie eine normale Straße

„Es ist unerheblich, dass die Anlieger für die Reinigung der Privatstraße selbst aufzukommen haben“, heißt es dagegen in dem Schreiben, mit dem die Best den Widerspruch gegen ihren Gebührenbescheid abwies. Die Privatstraße zu Große-Becks Grundstück wirke eher wie eine Grundstückszufahrt und nicht wie eine übliche Straße, argumentieren Best-Vorstandschef Uwe Wolters und der bei der Best für Recht und Organisation zuständige Jannik Hohmann und zeigen damit, ohne es in ihrem Schreiben dem Anwohner konkreter zu erläutern, Unterschiede zu den Streitfällen in Berlin auf.

„Es ist selbstverständlich, dass auch die im Widerspruch zitierten Urteile im Rahmen einer umfassenden Prüfung mit in die rechtliche Bewertung eingeflossen sind“, versichert Best-Sprecher Hohmann der WAZ. Klar machen er und der Best-Vorstandschef dem Anwohner aber nicht, warum der ausgestandene Berliner Streit nicht auf dessen Lage anzuwenden ist. Denn die Berliner Anlieger bekamen schon vor Jahren ihre Gebühren zurück, weil ihre Grundstücke an Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs liegen. Wer aber an Privatstraßen ein sogenanntes Hinterlieger-Grundstück einer normalen Straße besitze, sei durchaus zur Zahlung von Gebühren für die Straßenreinigung verpflichtet, berichtete damals die Berliner Morgenpost.

Bottroper hat Vorteile vom Straßenfegen - sagt die Best

Das aber ist bei Große-Becks Haus offensichtlich der Fall. „Bei dem Grundstück handelt es sich um ein Hinterleger-Grundstück, dessen Front nur mittelbar den zu reinigenden Hauptzug der Lortzingstraße zugewandt ist“, schrieben Wolters und Hohmann dem Bottroper. Zwischen dem Hauptzug der Straße und seinem Haus liegen zwei weitere Grundstücke, nur eines davon direkt an dem Straßenzug, den die Best-Leute auch tatsächlich fegen. Maßstab für die Gebühr sei dann die Länge der Grundstücksseite, die dem Hauptzug der Lortzingstraße zugeneigt sei, heißt es in dem Best-Bescheid.

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An der Privatstraße liegen etwa zehn Grundstücke. Diese kurze, keine 60 Meter lange, gerade Stichstraße gehe ohne weitere Verzweigungen direkt von der Lortzingstraße ab. Der Bottroper habe demnach einen Vorteil von der Säuberung des Hauptzuges der Straße, weil die Privatstraße diesem klar untergeordnet sei und das Haus ja auch in der Nähe des Straßenstranges liege, den die Best regelmäßig reinige. Die Best erläutert zwar auch dies nicht explizit, doch darin liegt offenbar der wesentliche Unterschied zu dem Erfolg der Anwohner in Essen-Steele, die ihre Gebühren zurück bekamen.

Die Zahl ähnlicher Bottroper Wohngegenden nennt die Best nicht

In der Nachbarstadt ist die private Ernst-Barlach-Straße nicht nur verzweigt, sondern auch deutlich länger als die privaten Teile der Lortzingstraße in Bottrop. Einige der Häuser, die an der Privatstraße liegen, sind anders als an der Bottroper Stichstraße weit ab von der nächsten öffentlichen Straße. Ob das Urteil des Verwaltungsgerichtes dennoch auch auf die Privatstraße vor seiner Haustür übertragbar wäre, kann Rolf Große-Beck wohl nur durch eine eigene Klage herausfinden. Bisher hat er dies nicht versucht. Für die Best handelt es sich bei dem Streit daher „um ein abgeschlossenes Verfahren“.

Allerdings kommt der nächste Gebührenbescheid ja bestimmt. Die Frage der WAZ nach der Zahl der mit der Lortzingstraße vergleichbaren Wohngebiete in Bottrop beantwortet die Stadttochter nicht und verweist auf die ohnehin bei Widerspruchsverfahren gesetzlich erforderliche Einzelfallprüfung. Ob all der Streit zwischen Bürgern und Städten um Gebühren überhaupt sein müsste, dazu gibt die Best übrigens einen interessanten Hinweis, in dem sie aus dem Straßenreinigungsgesetz zitiert: Danach können die Gemeinden von den Eigentümern der durch eine Straße erschlossenen Grundstücke als Gegenleistung für die Kosten der Straßenreinigung eine Benutzungsgebühr erheben - Sie können.