Bottrop. Eine Notärztin war am Wochenende in Bottrop von einer Patientin verletzt worden. Deren Ehemann erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Polizei.

Ja, seine Frau habe ein schweres Alkoholproblem. 3,39 Promille maß der Alkoholwert in ihrem Blut. Sie ist 1,63 Meter groß und wiegt 52 Kilogramm. Und ja, sie habe Heroin genommen. Trotzdem habe sich die Polizei nicht verhältnismäßig benommen, sagt der Ehemann, der nach einem Einsatz der Beamten zusammen mit dem Notdienst der Feuerwehr am vergangenen Wochenende schwere Vorwürfe erhebt.

Die Feuerwehr hatte am Montagnachmittag eine Pressemitteilung mit dem Titel „Notärztin bei Rettungseinsatz verletzt“ verschickt. Unsere Redaktion fragte bei den Pressestellen der Feuerwehr und der Polizei noch einmal nach, was genau passiert war, schließlich ist das keine alltägliche Nachricht.

Notarzteinsatz in Bottrop: Frau war stark alkoholisiert

Die Einsatzkräfte seien von der Familie in die Wohnung auf dem Eigen gerufen worden. Dort vorgefunden hatten sie die stark alkoholisierte und unter Drogen stehende 42-Jährige. Als sie sie durch das Treppenhaus in einem Tragetuch zum Krankenwagen bringen wollte, habe sie um sich geschlagen. Die Notärztin stürzte, fiel die Treppe hinab, brach sich das Handgelenk und prellte sich das Gesicht.

Die Feuerwehr hatte in ihrer Meldung die Straße des Einsatzes veröffentlicht, wir übernahmen diese Informationen. Was wir nicht wussten: Die 42-Jährige ist in ihrem Viertel bekannt, immer wieder gibt es Noteinsätze aufgrund ihrer Alkoholsucht. Als sie wenige Tage später mit ihrem Sohn und ihrem sechs Monate alten Enkel einkaufen geht, wird sie von Nachbarn angespuckt und beschimpft.

Bottroper Patientin: „Alle raus, ihr macht mich bekloppt“

Danach meldet sich ihr Ehemann bei der Redaktion. Aufgebracht, weil die Nachbarn seine Frau angegangen haben. Aber auch, weil sich der Einsatz nach seiner Ansicht anders abgespielt habe. Den Notdienst hatte er gerufen, weil seine Frau volltrunken über die Bettkante gestürzt war und sich verletzt hatte.

Mit sechs Personen seien sie in die Wohnung auf dem Eigen gekommen, das bestätigt auch die Feuerwehr – zwei Polizistinnen und ein Polizist, zwei Einsatzkräfte der Feuerwehr, eine Notärztin. Für seine Frau sei das alles zu viel gewesen, sagt der Ehemann. „Alle raus, ihr macht mich bekloppt“, habe sie gerufen. Dann bekommt sie einen epileptischen Anfall, ihr Kopf schlägt auf den Boden.

Ihr Ehemann will ihr ein Kissen unterschieben, will ihren Sauerstoffwert messen. Er selbst hat COPD und ist dauerhaft an Sauerstoff angebunden. Bei einem ihrer Anfälle habe seine Frau sich schon mal Dreiviertel der Zunge abgebissen, sieben Anfälle in neun Minuten seien das gewesen, ihr Herz stand zeitweise still.

Rippen durch Polizeieinsatz gebrochen?

Die Einsatzkräfte wollen den 59-Jährigen von seiner Frau loseisen. Eine Polizeibeamtin habe ihn an der Schulter gefasst, habe freundlich auf ihn eingeredet, dass er von ihr loslassen solle. Ja, er habe sich dem widersetzt. Aber dann habe ihn der männliche Polizist gepackt, den rechten Arm nach hinten gedreht und gegen die Türrahmen gestoßen. „Da hat es geknackt“, sagt der 59-Jährige.

Später im Krankenhaus wird er untersucht: Eine Rippe ist gebrochen, vier sind geprellt. Der Arztbericht liegt der WAZ vor. Der Bottroper leidet an Osteoporose, seine Knochen sind instabiler als bei gesunden Menschen, vor wenigen Monaten waren schon mal fünf seiner Rippen angeknackst durch das starke Husten bei einer Corona-Erkrankung. Trotzdem: War es nötig, ihn so rabiat festzuhalten? Die Notärztin habe noch gerufen, man solle den Mann loslassen, er habe schließlich COPD.

Dortmunder Polizei ermittelt wegen der Vorwürfe gegen Polizisten

Anzeige hat der 59-Jährige bislang nicht erstattet, wird er aber noch tun. Die zuständige Polizei Recklinghausen hat den Fall der Polizei Dortmund übergeben, sagt Polizeisprecherin Corinna Kutschke. Das ist die zuständigen Behörde, die ermittelt, wenn Vorwürfe gegen eigene Beamte erhoben werden.

Besonders hart getroffen hat die Bottroper Familie, dass sie und noch dazu ihr Enkel im Kinderwagen so angegangen worden sind. Seine Frau sei gegen ihren Willen ins Krankenhaus gebracht worden. Feuerwehrsprecher Michael Duckheim sagt, die Polizeibeamten haben sie fixieren wollen, was die Notärztin aber aus medizinischen Gründen ablehnte. Erst nach dem Treppensturz habe man ihr Handschellen angelegt.

Auch das Handgelenk der 42-Jährigen sei angebrochen, sagt sie, ihre Arme waren voller blauer Flecke, wie Fotos zeigen. Dass die Notärztin gestürzt ist, tut der Bottroperin leid. Sie hat versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen, um sich zu entschuldigen, das bestätigt auch Feuerwehrsprecher Michael Duckheim.

An den Vorfall kann sie selbst sich wegen des Alkohol- und Drogeneinflusses kaum erinnern. Ihr Mann sagt, sie könne „schimpfen und beleidigen wie ein Rohrspatz“ – aber jemandem vorsätzlich wehtun, das mache sie nicht.