Bottrop-Kirchhellen. Zum zweiten Mal seit 2008 findet der Saisonstart auf dem Kirchhellener Hof statt. Bauern am Scheideweg: Appell an Einzelhandel und Verbraucher.
Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen hat auf dem Schmücker Hof in Overhagen die NRW-Erdbeersaison eröffnet. Nach Umsatzrückgängen bei den NRW-Erdbeerbauern ist der Landesverbandschef Obstbau optimistisch für 2023: „Das wird eine gute und lange Saison“, sagt Stefan Kraege. Ebenso wie die Ministerin appellierte er an die Verbraucher wie an den Lebensmitteleinzelhandel: Setzt auf regionale Produkte.
2022 war ein schlechtes Jahr für Deutschlands Erdbeerbauern, nicht nur für Eberhard Schmücker und seinen Nachbarn Jörg Umberg. Die Erdbeerernte in Deutschland war die kleinste seit Jahren. Viele Faktoren kamen zusammen: Preisschock nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs, explodierende Energiekosten, Mindestlohn auf der Kostenseite, Preisdruck durch Importe aus dem Ausland sowie Kaufzurückhaltung der Kunden auf der Ertragsseite.
„Die Anbauflächen sind in den vergangenen Jahren um Einiges zurückgegangen“, sagt die Ministerin. Auch in Kirchhellen: Jörg Umberg hat Spargel- und Erdbeeranbauflächen reduziert. „2022 war ein sehr, sehr schwieriges Jahr“, sagt Stefan Kraege, Chef des Landesverbandes Obstbau Westfalen-Lippe.
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Aber: NRW liegt auch mit nur noch 2320 Hektar hinter Niedersachsen und vor Baden-Württemberg auf Platz zwei der deutschen Anbauflächen. Und die Ernte ist zwar traditionell später als in Kirchhellen, aber vielversprechend angelaufen. Deshalb geht die Ministerin optimistisch in die Saison: „Wir hoffen auf eine gute Nachfrage nach regional angebautem Obst und blicken mit Zuversicht auf die Erdbeersaison 2023.“
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Dazu muss aber auch der Lebensmitteleinzelhandel seinen Beitrag leisten, fordert Obstbauer Kraege: „Regionaler Einkauf ist nachhaltig und gut fürs Klima. Auch der Handel muss das erkennen und sollte auf heimische Produkte setzen. Der Verbraucher will heimische Produkte und der Lebensmitteleinzelhandel muss das anbieten.“ Und er geht noch einen Schritt weiter: „Jetzt, wo in der Region die Erdbeeren reif sind, muss der Lebensmitteleinzelhandel umsteigen. Ab nächste Woche hat keine Importware mehr in den Läden etwas zu suchen.“
Kirchhellener Erdbeerbauer: „Es würde uns helfen, wenn der Handel umschwenken würde“
Gastgeber Eberhard Schmücker formuliert nicht ganz so hart, obwohl auch die Kirchhellener Erdbeerbauern manche Geschichten über den Vermarktungsweg Supermarkt erzählen könnten. Die Erdbeerernte nennt er „den Lohn harter Arbeit über ein ganzes Jahr“.
Neben dem immer beliebter werdenden Selbstpflücken direkt vom Feld, der Direktvermarktung im Hofladen und im den mobilen Verkaufsständen wie an der Hauptstraße in Kirchhellen oder an der Martinskirche in der Bottroper Innenstadt „müssen wir den Verbraucher auch über den Lebensmitteleinzelhandel finden. Noch stehen wir im Wettbewerb mit Importware. Es würde uns sehr helfen, wenn der Lebensmitteleinzelhandel umschwenken würde auf regionale Produkte.“
Erdbeeren und Spargel aus Kirchhellen haben festen Platz in den Supermärkten
Immerhin: Erdbeeren und Spargel aus Kirchhellen haben ihren festen Platz in vielen Supermärkten in den Nachbarstädten. Das wird deutlich, als Eberhard Schmücker an den mit hohen Aufbauten geschützten Feldern an den Schulstraße in Höhe des Olympiahofes den Ablauf der Vermarktung erklärt.
Bis zu 170 Saisonmitarbeiter helfen beim Pflücken und lassen dabei immer ein Stück Stiel an der Beere, um sie nicht zu zerdrücken oder zu quetschen. Gleich nach dem, Pflücken werden die Beeren gewogen, auf Schalen verschiedener Größe verteilt und auf Stiegen, eine Art Palette, auf die Transportfahrzeuge verladen.
„Was wir hier heute pflücken“, sagt Schmücker und zupft einen Strohhalm aus einer Ein-Kilo-Schale, „liegt morgen bei 103 Märkten von Edeka, Kaufpark und Rewe in den Auslagen.“ Tendenz in den nächsten Tagen deutlich steigend: Zu Muttertag kommen Erdbeeren immer gut.