Bottrop. Das Sondersachgebiet des Bottroper Jobcenters hilft seit 2017 Alleinerziehenden. „Schnelle Erfolge sind mit unserem Klientel nicht zu machen.“
Alleinerziehende Frauen und Männer scheinen beim Jobcenter Bottrop in guten Händen zu sein. Das Jobcenter belegt in der Emscher-Lippe-Region im Vergleich mit Städten wie Oberhausen, Herne oder Gelsenkirchen seit Jahren den Spitzenplatz, wenn es um die Integrationsquote in den Arbeitsmarkt geht.
„Unsere Strategie der Spezialisierung hat sich gelohnt“, meint Sabine Conradt, Teamleiterin des „Sondersachgebiet Alleinerziehende“. 2017 hat sich jenes Team mit ihr an der Spitze gegründet. „Wir haben mit kleinen Schritt angefangen“, sagt sie. „Wir haben uns zunächst auf Alleinerziehende mit Kindern, die älter als zehn Jahren sind, konzentriert.“
Das Modell der kleinen Schritte macht sich bezahlt. Sukzessiv wird das Angebot intensiviert und ausgebaut bis hin zur Kinderbetreuung sowie Fort- bzw. Weiterbildung. Auch Netzwerkarbeit wie mit externen Bildungsträgern spielt eine entscheidende Rolle. Es beginnt jedoch ganz niederschwellig mit Beratungsgesprächen entweder persönlich oder telefonisch. Das Erfolgsrezept? Sabine Conradt: „Man braucht Geduld. Schnelle Erfolge sind mit unserem Klientel nicht zu machen.“
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Wenn sie von Alleinerziehenden in Bottrop spricht, sind vor allem Frauen gemeint. Sie beziffert die Zahl der weiblichen Kunden auf „95 Prozent“. Die Gründe, warum es schwierig ist, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sind vielfältig. Zu nennen wären Sprachbarrieren oder plötzliche Schicksalsschläge. Frauen mit Kind(ern) unter 25 Jahren würden argumentieren, dass sie keine Ausbildung vorweisen können. Über 25-Jährige zitiert Conradt: „Welcher Arbeitgeber will mich denn noch haben?“
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Mitunter kann es auch sein, dass zwei Welten aufeinander prallen – zum Beispiel bei Menschen mit muslimischem Hintergrund. Da kann es vorkommen, dass weniger die Frau als vielmehr die Familie davon überzeugt werden muss, dass eine Frau einen Beruf nachgehen möchte. Nicht anders sieht die Situation bei deutschen Familien aus.
Alleinerziehende: Jobcenter Bottrop setzt auf „Fördern und fordern“
Manchmal wird noch immer das klassische Rollenverständnis vorgelebt, dass die Frau zuhause am Herd bleibt und sich um das Kind kümmern muss beziehungsweise sogar freiwillig will. Wenn es um die Kinderbetreuung und um den Platz in einer Kita geht, können von Müttern schon mal Sätze fallen wie „Ich habe doch kein Kind in die Welt gesetzt, um es in fremde Hände zu geben“.
„Es kommt vor, dass erst der Kontakt mit dem Jobcenter dazu führt, dass Alleinerziehende sich um einen Kindergartenplatz bemühen.“ Conradt weiter: „Es gibt einen Teil von alleinerziehenden Müttern, die sehen die Erziehung und den Haushalt als oberste Priorität. Erwerbstätigkeit ist sekundär.“
Die Aufgabe des „Sondersachgebiet Alleinerziehende“ ist dagegen klar: „Wir wollen Alleinerziehende in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen“, sagt Conradt. Nach intensiven Beratungsgesprächen folgt im besten Fall der Einstieg in Teilzeit. „Jede sozialversicherungspflichtige Beschäftigung leistet einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhaltes.“ Stück für Stück soll die Stundenzahl erhöht werden. Das entspricht laut Conradt oft auch dem Wunsch vieler Arbeitgeber.
Sollte die Frau keinen Führerschein besitzen, kann das Sondersachgebiets Alleinerziehende helfen. Hier gilt nicht das Gießkannenprinzip, sondern das Prinzip „fördern und fordern“.
„Wir unterstützen bei der Erlangung der Fahrerlaubnis mit einer anteiligen Kostenübernahme“, sagt Sabine Conradt. Dasselbe gilt auch bei der Anschaffung eines Autos. Dies sei aber keine Regelförderung, wie die Teamleiterin betont. „Wir fördern diejenigen, bei denen wir merken, dass sie ihre Lebenssituation aktiv verändern möchten.“ Wichtige Grundvoraussetzungen sind Engagement, Durchhaltevermögen und Zuverlässigkeit.
Jobcenter Bottrop hilft finanziell bei Führerschein und Autokauf
Ist der Führerschein geschafft, bieten sich neue berufliche Perspektiven. Zum Beispiel bei ambulanten Diensten in der Pflegebranche. Sabine Conradt: „Dieser Arbeitsmarkt hat sich in den letzten fünf Jahren sehr gut entwickelt für Alleinerziehende.“
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Als hilfreich zur Integration in den Arbeitsmarkt hat sich für Alleinerziehende auch das Einstiegsgeld erwiesen, das vom Bottroper Jobcenter individuell eingesetzt werden kann. Es ist sozusagen ein „Extrageld“. Hierbei muss die Arbeitszeit pro Woche mindestens 15 Stunden betragen. Das Einstiegsgeld ist in Bottrop für zwölf Monate vorgesehen und gestaffelt. 75 Prozent der Regelleistung erhalten die Alleinerziehenden zusätzlich zum Gehalt über einen Zeitraum von sechs Monaten, dann drei Monate 50 Prozent und zuletzt drei Monate 25 Prozent.
Oft erleben Sabine Conradt und ihr Team, dass viele nicht wissen, welche Förderungen möglich sind. Angesprochen sind Alleinerziehende, die seit Kurzem keine Leistungen des Jobcenters mehr erhalten. Sie sollten die Voraussetzungen prüfen, ob sie nicht dennoch weitere Leistungen beziehen können für das Bildung- und Teilhabepaket, Wohngeld und Kinderzuschlag.