Bottrop. Drei Monate nach der Einführung zieht die Geschäftsführerin des Jobcenters eine erste Bilanz. So viele Bottroper erhalten das Bürgergeld.
Am 1. Januar ist das neue Bürgergeld eingeführt worden. Auch im Bottroper Jobcenter. Nach fast drei Monaten hat die Geschäftsführerin, Tanja Jesenek-Förster, festgestellt: „Wir haben keine gestiegenen Zahlen.“ Auch sie wirkt davon ein wenig überrascht. „Wir hatten zumindest mit einem kleinen Ansturm gerechnet.“
Gründe könnte es genug geben: Zuwanderung von Flüchtlingen, hohe Inflation und hohe Energiepreise. „Wenn man die Anträge aus den Vorjahren vergleicht, sind die Zahlen relativ stabil“, sagt Jesenek-Förster. 11.037 Menschen beziehen Bürgergeld in Bottrop. Die genannte Zahl kann sich laut Geschäftsführerin täglich nach oben oder nach unten leicht verändern. Erwerbsfähig davon sind zurzeit 7419 Menschen. Unter den verbliebenden 3618 befinden sich zum Beispiel hilfsbedürftige Jugendliche und Senioren oder Personen, die chronisch erkrankt sind. Das Bürgergeld ist für Menschen gedacht, die ihren Lebensunterhalt nicht alleine decken können. Somit variiert die Höhe der ausgezahlten Summe.
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Für die Bestandskunden des Jobcenters, die schon vorher den Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatten, hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Außer, dass sich die Regelsätze erhöht haben. Alleinstehende erhalten nun 502 Euro, also 53 Euro mehr. Oder verheiratete und unverheiratete Paare pro Person: 451 Euro, ein Plus von 47 Euro.
Ukraine-Flüchtlinge: Dolmetscherin in Bottrop hilft bei Sprachproblemen
Auch Flüchtlinge wie aus der Ukraine haben einen Anspruch auf Bürgergeld, wenn sie, so Jesenek-Förster, „die Voraussetzungen erfüllen“. Für diejenigen, die schon vor dem 1. Januar im Kundenbestand waren, gibt es keine Veränderungen. Anders ist die Lage bei Flüchtlingen, die seit dem 1. Januar einen neuen Anspruch haben. „Dann muss ein Erstantrag gestellt werden“, so die Jobcenter-Geschäftsführerin. Man arbeite eng mit dem Sozialamt zusammen. Sprach- oder Übersetzungsprobleme beim Antrag werden gelöst. „Wir haben eine Dolmetscherin, die uns unterstützt und mithilft.“
Generell scheiden sich am Bürgergeld die Geister. Es gibt Befürworter und Kritiker. Die Geschäftsführerin des Bottropers Jobcenters sieht Vorteile mit der Einführung. „Der Vermittlungsvorrang ist abgeschafft worden“, sagt sie. Wie der Name schon vermuten lässt, sollten Geringqualifizierte ohne Arbeit schnellstmöglich, zur Not auch mit Aushilfsjobs, in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das soll sich nun mit der Abschaffung ändern. „Kurzfristige Beschäftigungen sollen verhindert werden“, sagt Jesenek-Förster.
Anstatt Schnelligkeit stehen fortan nachhaltige Integration und Weiterbildung im Fokus. „Das Ziel ist es, die Kundinnen und Kunden langfristig in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bekommen.“ Und weiter: „Es lohnt sich immer, sozialversicherungspflichtig erwerbstätig zu sein, da nur dadurch Rentenversicherungsansprüche erwirtschaftet werden. Bürgergeldempfänger zahlen nicht in die Rentenkasse ein und mindern so ihre Rentenansprüche.“
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Mit der Einführung heißen Sanktionen nun Leistungsminderungen. Wer Meldungen versäumt oder Pflichten verletzt, dem kann die finanzielle Unterstützung gemindert werden. Beim ersten Verstoß wird der Regelsatz um zehn Prozent für einen Monat gemindert, beim zweiten Verstoß um 20 Prozent für zwei Monate und beim dritten Verstoß um 30 Prozent für drei Monate. Dieses Instrument wird im Bottroper Jobcenter nur sehr selten eingesetzt. „Sanktionen waren bei uns noch nie ein Mittel.“
Ab 1. Juli: Leistungsberechtigte haben Anspruch auf Coaching
Mit Einführung des Bürgergeldes besteht ab 1. Juli zusätzlich die Möglichkeit, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Der Gesetzgeber spricht von einer umfassenden Betreuung. Die Zielgruppe sind Leistungsberechtigte, die besondere Schwierigkeiten wie etwa Erkrankungen haben, eine Arbeit aufzunehmen. Auch jungen Menschen, die eine Lehre beginnen, sollen dieses Angebot nutzen können.
Möglicherweise dürfte es mit diesem Coaching noch individueller und persönlicher als ohnehin schon zugehen – zum Beispiel durch einen Besuch beim Jobsuchenden zuhause. Noch ist laut Jesenek-Förster nicht geklärt, ob diese Coaching-Aufgabe die Angestellten des Jobcenters übernehmen oder ob dafür externe Dienstleister hinzugezogen werden. Hierfür müsste man den Stellenplan für 2024 neu berechnen und zusätzliches Personal für das Coaching einstellen.