Bottrop. Was erwartet mich als Laie bei meinem ersten Boxtraining? In einem Bottroper Fitnessstudio habe ich es getestet. Und es lief anders als erwartet.

Der Ruf des Boxsports ist in der Gesellschaft nach wie vor nicht der beste. Ist es nur stumpfes Zuschlagen oder gehört doch deutlich mehr dazu? Auch ich, 24 Jahre alt, durchschnittlicher Sportler, begeisterter Fußballer, aber noch nie etwas mit Boxen zu tun gehabt, konnte diese Frage nie so recht beantworten. Also bin ich ins Fitnessstudio Fitnessboxx Black Label by Marco Friese in die Boy gefahren. Inhaber Marco Friese hat dort einen Boxring, es gibt regelmäßige Kurse. „Ab dem 1. Mai werden wir mit einem professionellen Trainer auch Kickboxen anbieten“, kündigt er an. Kunden können die Kurse dazubuchen. Wie viel die kosten werden, kann Friese aber noch nicht sagen.

An diesem Tag kümmert sich Diplom-Fitnesstrainer Helmut Seidel um mich. Der 58-Jährige ist seit fast 40 Jahren Bodybuilder, wurde 2009 Vize-Mister-Universe in seiner Klasse und hat auch 2023 kein Gramm Fett am Körper, das dort nicht hinsoll. „Ich habe mal zu einem Boxer gesagt: ,Ich habe vom Boxen keine Ahnung, aber du musst mich in den Beinen schlagen.’ Auf professionellem Niveau entscheidet nicht mehr die Faust, sondern die Kondition. Wenn der Gegner müde ist, dann kriegst du ihn.“ Da ahne ich so langsam, was auf mich zukommt und dass ich den Boxring an diesem Tag wohl nicht von innen sehen werde.

Marco Friese, Betreiber der FitnessBoxx Blacklabel by Marco Friese, gibt eine Führung durch sein Fitnessstudio in Bottrop-Boy.
Marco Friese, Betreiber der FitnessBoxx Blacklabel by Marco Friese, gibt eine Führung durch sein Fitnessstudio in Bottrop-Boy. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Durch das Studio, das in olivgrün-schwarz bewusst „oldschool“ gehalten ist, hindurch gehen wir in einen kleinen Flur. Vorbei an oberkörperfrei posierenden Bodybuildern, die von Bildern an den Wänden strahlen und zeigen, wo man eines Tages mal landen kann. Für uns geht es bei schummrigem Licht zunächst aber mal nur die Treppe hoch. Im Obergeschoss befindet sich der Boxring. Fast schon unscheinbar hängen dahinter zwei Boxsäcke vor einer großen Spiegelwand. Auch ein schwarzer Punchingball baumelt auf Kopfhöhe und wartet darauf, bearbeitet zu werden.

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Zu den am Rand des Boxrings bereitliegenden Boxhandschuhen greift Seidel aber nicht. „Wir wärmen uns erst einmal auf“, sagt er. Die Beine leicht versetzt, Arme auf Schulterhöhe seitlich durchstrecken und die Hände dann mit den Daumen nach hinten drehen. Sieht einfach aus, zieht jedoch vom Daumen bis durch die Schultern. „Du musst die Arme ganz durchstrecken! Weiter, weiter“, ruft Seidel, und kommt dann zu einem Ergebnis, das ich schon erwartet hatte. „Deine Bänder sind sehr kurz und können dementsprechend auch schnell reißen. Wir wärmen uns intensiv auf, um genau das zu verhindern.“ Dabei gibt Seidel aber eine deutlich bessere Figur ab als ich.

Das Aufwärmen ist ein wesentlicher Bestandteil des Boxtrainings. So einfach, wie es bei Trainer Helmut Seidel (rechts) aussieht, ist es aber bei Weitem nicht.
Das Aufwärmen ist ein wesentlicher Bestandteil des Boxtrainings. So einfach, wie es bei Trainer Helmut Seidel (rechts) aussieht, ist es aber bei Weitem nicht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Generell sei die Verletzungsgefahr beim Boxen hoch. Damit meint Seidel nicht nur krachende Kopftreffer, sondern eben den Schulter-, Rücken-, und Beinbereich. Wenn eine Trainingseinheit eine Stunde dauert, plant er mindestens 20 Minuten für das Aufwärmen ein. Danach geht es für mich erst einmal vor den Spiegel – nun endlich in Boxhandschuhen. Seidel zeigt mir Grundtechniken des Boxens. „Am wichtigsten ist, dass du immer die Deckung oben hältst.“ Also die Handschuhe leicht seitlich vor den Kopf, sodass einen der Gegner kaum im Gesicht treffen kann. „Den rechten Fuß etwas nach hinten, und dann schlägst mal links-rechts, links-rechts.“

Boxen als Anfänger: Beim Schlagen die Deckung nicht vergessen

So weit, so verständlich, auch wenn mir die Koordination zunächst schwerfällt. Seidel steht neben mir, beobachtet meine ersten Boxversuche sehr genau. Die Schlagkraft soll vor allem aus dem Rücken statt aus dem Schultern kommen. Gar nicht so einfach. Als ich gerade denke, dass ich den Bewegungsablauf verinnerlicht habe, gibt es von der Seite plötzlich einen Klaps ins Gesicht. „Wo ist deine Deckung“, fragt Seidel schmunzelnd. Ich halte inne. Die Fäuste sind mittlerweile auf Kinnhöhe abgerutscht. Eine Einladung für jeden Gegner, mir einen kräftigen Schlag zu verpassen. So einfach ist es also doch nicht.

Wir tauschen Boxhandschuhe gegen Hanteln. Ein Kilogramm, an sich nicht schwer. Nun schlage ich die gleichen Kombinationen mit den Gewichten. Die Schultern schmerzen schnell, doch Seidel lacht nur. „Das machen Boxer zum Aufwärmen. Wenn sie die Gewichte dann aus der Hand legen, schlagen sie im Kampf deutlich schneller.“ Während mir ein Kilo pro Seite reicht, verwenden Fortgeschrittene mehr Gewicht, erklärt Seidel. Mehr als meine 15, 20 Wiederholungen schaffen sie in der Regel auch.

“Wo ist deine Deckung?“ Helmut Seidel, Diplom-Fitnesstrainer im Bottroper Studio Fitnessboxx Black Label, beobachtet die ersten Boxeinheiten von WAZ-Volontär Tizian Canizales sehr genau. Hier hätte die rechte Hand als Deckung auf Kopfhöhe sein müssen, lässt jedoch Raum für gegnerische Treffer. Ein klassischer Fehler.
“Wo ist deine Deckung?“ Helmut Seidel, Diplom-Fitnesstrainer im Bottroper Studio Fitnessboxx Black Label, beobachtet die ersten Boxeinheiten von WAZ-Volontär Tizian Canizales sehr genau. Hier hätte die rechte Hand als Deckung auf Kopfhöhe sein müssen, lässt jedoch Raum für gegnerische Treffer. Ein klassischer Fehler. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Zum Abschluss zitiert mich der Diplom-Fitnesstrainer noch an den Boxsack. Handschuhe wieder an und noch einmal gegen den fiktiven Gegner antreten. In leicht gebeugter Haltung tänzele ich um den Boxsack, schlage immer wieder die von Seidel diktierten Kombinationen. „Nicht auf den Boden schauen! Das ist dein Gegner. Den willst du im Gesicht treffen, also schau da auch hin“, ruft er. Mit jedem Schlag schmerzt die Schulter mehr. Das Training ist anstrengend. „Am Anfang trainiert man zweimal pro Woche für rund eine Stunde. Boxen kann an sich jeder. Das lernst du in 15 Minuten, wie du siehst. Wichtig sind Kondition und Beweglichkeit. Boxen wird am Ende in den Beinen entschieden.“

Fazit: Boxen ist viel mehr als kräftiges Zuschlagen

Womit auch die Einstiegsfrage geklärt wäre. „Wer mit Boxen anfängt, muss erstmal ein paar Monate Ausdauer, Koordination und verschiedene Schlagtechniken trainieren. Wirklich in den Ring geht es bei uns erst nach ungefähr einem Jahr“, sagt Seidel. Er unterscheidet zwischen Sportlern, die wirklich am Boxen interessiert sind, und denen, die sich nur einen Vorteil für Schlägereien verschaffen wollen. „Einem Profiboxer, der für den Sport lebt, merkst du im Alltag nichts an. Wenn du den anrempelst, wird der nicht aggressiv, sondern sagt ,Entschuldigung’. Dann solltest du aber auch clever sein und die Schnauze halten.“

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Mit diesem Ratschlag entlässt mich Seidel wieder aus dem Studio. Und wie habe ich mich geschlagen? „Wirklich gut! Auf einer Skala von eins bis zehn war es keine zwei“, sagt er schmunzelnd. Preisboxer werde ich wohl aber trotzdem nicht mehr. Aber ich habe etwas gelernt: Boxen ist nicht nur Schlagen, sondern weitaus mehr. Und vor allem verdammt anstrengend.