Bottrop. Vonovia-Mieter aus Bottrop-Welheim müssen vierstellige Summen Heizkosten nachzahlen. Jetzt gehen sie auf die Barrikaden und wehren sich.

„Mein Vermieter – Mein Henker“ stand auf einem T-Shirt bei der SPD-Bürgerversammlung am Mittwochabend in der Aula Welheim. Gemeint war die Wohnungsgesellschaft Vonovia, die vielen ihrer Welheimer Mieter Heizkostenabrechnungen für Fernwärme mit Nachforderungen und neuen Abschlagzahlungen in schockierender Höhe geschickt hatte (die WAZ berichtete darüber).

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2300 Euro soll Niyazi Ibis von der Flöttestraße nachzahlen. Seine Frau habe beim Vermieter angerufen und die „hilfreiche“ Auskunft erhalten: „Wenn sie nicht bezahlen können, müssen sie umziehen.“ Gegenüber der WAZ-Redaktion hatte Vonovia-Sprecherin Bettina Benner allerdings schon in der vergangenen Woche betont: „Wir versichern unseren Kundinnen und Kunden, dass wir Lösungen finden werden. Niemand muss aufgrund hoher Nachzahlungen Angst haben, seine Wohnung zu verlieren.“

Nachbar Özcan Basören habe Vonovia angeschrieben und bislang keine Antwort erhalten. „Die Forderung ist ein Hammer“, sagen Birgit und Markus Matthes, bei denen die Nebenkosten inzwischen fast den Mietpreis erreichen. Kein Wunder, dass die Aula Welheim bei der Bürgerversammlung gefüllt warRuu

Welheimer Mieter wollen sich gemeinsam wehren

„Gefühlt ist ganz Welheim hier“, sagte Ratsherr Christian Gronau, der selbst betroffen ist und mit 6000 Euro Gesamtkosten für die Heizperiode konfrontiert wurde: „Das stinkt mir gewaltig, wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir weitermachen.“ Zur Bürgerversammlung eingeladen hatte der SPD-Ortsverein Boy-Welheim. Man könne bei dieser Versammlung zwar nichts an den Abrechnung ändern, aber wolle Raum für Vernetzung schaffen, über die Rechte der Mieter aufklären und gemeinsam beraten, wie man sich wehren könne, sagte Ratsherr Matthias Buschfeld als Moderator.

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Um Sachkunde in die Runde zu bringen, hatte man sich mit Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert, Sozialamtsleiter Sascha Borowiak und Jobcenter-Geschäftsführerin Tanja Jesenek-Förster verstärkt. Die Mitteilung, dass Vonovia die Teilnahme an der Versammlung abgesagt habe, wurde mit hämischem Gelächter und Zurufen der mehr als 300 Anwesenden quittiert.

Gaben fachlichen Input (v. li): Rechtsanwalt Stefan Salecker, Sozialamtsleiter Sascha Borowiak, Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert, Jobcenter-Geschäftsführerin Tanja Jesenek-Förster.
Gaben fachlichen Input (v. li): Rechtsanwalt Stefan Salecker, Sozialamtsleiter Sascha Borowiak, Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert, Jobcenter-Geschäftsführerin Tanja Jesenek-Förster. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Stefan Salecker, Fachanwalt für Mietrecht, klärte allgemein über die rechtlichen Grundlagen von Heizkostenabrechnungen auf: „Wenn Sie mit der Abrechnung nicht einverstanden sind, müssen sie selbst etwas tun“, forderte er auf. Aber Einwendungen müssten konkrete Argumente enthalten, die Mieter haben das Recht, alle Belege einzusehen und zu prüfen, ansonsten entfalle die Zahlungspflicht. Man müsse zwar jeden Einzelfall prüfen, aber nach seiner Einschätzung gebe es durchaus juristische Ansatzpunkte für Korrekturen. Konkret nannte Salecker die fehlerhafte Abrechnung beim Warmwasserverbrauch einiger Wohnungen, die zur Kürzung berechtigen könne.

Durch die Deckelung der Energiepreise könnten auch die Vorauszahlungen, die sich teilweise vervierfacht haben, nicht in diesen Höhen bestehen bleiben. Eine Zahlung würde nicht zum Rechtsverlust führen, aber der Fachmann riet dazu, nicht klaglos zu zahlen und Abbuchungsermächtigungen zu stoppen. Wegen der Komplexität der juristischen Ausführungen wird der Anwalt eine Zusammenfassung erstellen, die den Mietern zur Verfügung stehen soll.

Hohe Heizkosten: Mieter können Anspruch auf Transferleistungen haben

Besonders für den Monat der Nachforderungen könnten Mieter Anspruch auf Transferleistungen haben. „Sozialleistungen stehen allen zu, scheuen Sie sich nicht, das Sozialamt oder das Jobcenter zu kontaktieren“, riet Karen Alexius-Eifert. Rentner müssen sich ans Sozialamt wenden, haben dafür rechtlich aber nur bis Ende März Zeit, und „das wird knapp“. Sozialamtsleiter Sascha Borowiak hatte sich schon vorbereitend mit Anträgen ausgerüstet. Alle anderen Bürger haben über das Jobcenter drei Monate Zeit. Die Beratung sei kostenlos, und man würde auch bei den Ämtern den zukünftigen Anspruch auf Wohngeld prüfen, versicherten die Experten.

Inzwischen haben Frank Pfeiffenberger, Marina Scharnowski und Christian Gronau die Initiative „Mietergemeinschaft Gartenstadt Welheim“ gegründet, Kontakt zu einem Mieterschutz aufgenommen und planen eine Sammelklage und gemeinsamen Widerspruch, zu dem sich am Mittwoch bereits zahlreiche Welheimer in Listen eintrugen. Die Gruppe kümmert sich auch um Mieter, die sich allein nicht helfen können: „Zusammen sind wir stärker.“

Die Initiative plant in Kürze eine Demo, bei der noch mehr individuell gestaltete T-Shirts zu sehen sein werden wie das von Alexandra Herzog: „Welheim. Die Heizkosten sind hier die Hölle.“ Die Initiative ist unter 0171 1475724 zu erreichen (Frank Pfeiffenberger).