Bottrop. 2021 hat Vodafone von der Bottroper Handyboxx eine Unterlassungserklärung verlangt. Konsequenzen hatte das nicht, die Verstöße gingen weiter.
Die 23-jährige Bottroperin ist sauer. Sie sei ja etwas skeptisch gewesen ob des so niedrigen Preises, trotzdem hat sie im Oktober 2022 einen Vertrag bei der Handyboxx abgeschlossen. Zwei Sim-Karten, 40 Gigabyte Datenvolumen, ein iPhone 14 Pro Max – für 64,99 Euro monatlich plus ein Euro für das Gerät. Nun hat die Handyboxx geschlossen, die 23-Jährige kein Handy. Sie ringt mit Vodafone um eine Lösung, während sich rund um den Fall des Bottroper Handyshops, der seine Kunden mit Billig-Angeboten gelockt hat, neue Details ergeben.
Der WAZ liegen Dokumente vor, die zeigen, dass die Handyboxx bereits im Juni 2021 abgemahnt wurde und eine Unterlassungserklärung unterschreiben sollte. Trotzdem ging das Ködern mit unkalkulierbaren Angeboten weiter, unter dem nun mehr als 1500 Kunden leiden.
Handyboxx-Betreiber hat Unterlassungserklärung unterschrieben
Das Schreiben der Vodafone richtet sich an Vivien Kara, der Geschäftsführerin der Handyboxx, die allerdings zu diesem Zeitpunkt schon von ihrem Mann Bünyamin Kara getrennt ist und die als Betreiberin nicht in Erscheinung tritt. Unterschrieben wurde sie von Bünyamin Kara, der WAZ liegt das Dokument mit seiner Unterschrift vor. Vodafone sagt, die Unterlassungserklärung sei „im Namen von Vivien Kara“ unterschrieben worden.
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In der Unterlassungserklärung soll sie sich der Vodafone GmbH gegenüber verpflichten, „bei zukünftigen Vertragsvermittlungen keine Einzahlungen auf Kundenkonten der Vodafone Kunden mehr zu versprechen oder zu tätigen“. Zudem soll sie „gegenüber den Kunden versprochene eigene Gutschriften als solche transparent zu machen und die Gutschriften im versprochenen Umfang den Kunden gewähren“, sie dürfe dabei nicht „den unzutreffenden Eindruck“ erwecken, dass Vodafone Rabatte auf die Tarifpreise gewähren würde.
Handyboxx durfte keine Zahlungen an Vodafone tätigen – tat es aber
Denn Cash-Back, also die Rückzahlung von Geld an die Kunden, ist durchaus üblich und legitim in der Mobilfunk- und auch in anderen Branchen. Der Kunde schließt beispielsweise einen Vertrag für 49,99 Euro monatlich ab, bekommt aber 30 Euro monatlich zurückgezahlt. Wenn die Handyboxx ihren Kunden allerdings solche Cash-Back-Vereinbarungen trifft, muss auch sie es sein, die diese überweist.
Für die Kunden ist es aber attraktiver, wenn die Handyboxx Geld an ihr Kundenkonto überweist, und Vodafone direkt einen niedrigeren Betrag einzieht. So müssen sie nicht in Vorleistung gehen.
Geld an die Kundenkonten bei Vodafone zu senden, verstößt jedoch gegen die Vermarktungsrichtlinien. Bünyamin Kara hat trotzdem weiter Geld an Vodafone überwiesen – auch nach seiner Unterschrift der Unterlassungserklärung. Die Auflistung der Daueraufträge, die monatlich von der Handyboxx getätigt wurden, zeigt, dass nach dem Unterzeichnen der Unterlassungserklärung noch mindestens 170 Daueraufträge an die Vodafone GmbH aktiviert wurden – hunderte waren vorher aktiviert worden und liefen weiter.
Bottroper Handyboxx-Betreiber: „Ich sehe ein, dass ich das nicht machen durfte“
Vodafone-Sprecher Volker Petendorf nennt diese Überweisungen im Gespräch „Einzelfälle“. Schriftlich erklärt er: „Dass sich absprachewidrig noch Einzahlungen auf Vodafone-Kundenkonten befanden, die auf Aktivierungen nach der Unterlassungserklärung zurückzuführen sind, hat sich im Zuge der Recherche ergeben. Vodafone prüft aufgrund des neuerlichen Verstoßes gegen die Vermarktungsrichtlinien aktuell weitere rechtliche Schritte.“
Dass Vodafone schon vorher von den Überweisungen wusste, zeigt eine E-Mail vom 19. Januar dieses Jahres. Auf Anfrage des Vertriebsleiters hat Bünyamin Kara ihm die Excel-Tabelle mit allen Daueraufträgen geschickt.
Warum Bünyamin Kara weiter Geld an Vodafone überwiesen hat? Er sei dazu aufgefordert worden. Ein attraktiveres Angebot sorgte für mehr Kunden und mehr Vertragsabschlüsse. „Ich sehe mittlerweile ein, dass ich das nicht machen durfte, dass ich einen Fehler gemacht habe“, sagt Bünyamin Kara im Gespräch.
Vodafone kennzeichnete Handyboxx als „Vodafone Shop“
Alle Verträge, die Bünyamin Kara abgeschlossen hat, enthalten übrigens die Fußnote „Ihr Vodafone Shop, Vivien Kara, Adolf-Kolping-Straße 4, 46236 Bottrop“. Sie werden von Vodafone ausgestellt. Warum die Handyboxx dort als „Vodafone Shop“ bezeichnet wird, obwohl sie ein freier Händler ist? „Die Ansprache ,Vodafone Shop’ ist systemisch vorgegeben und berücksichtigt die Anforderungen von allen Vodafone-Vertriebskanälen“, erklärt das Unternehmen. Tatsächlich im Besitz des Unternehmens sind nur ein Bruchteil der Shops, ein Großteil wird von Partneragenturen betrieben.
Ein WhatsApp-Chat zwischen Kara und dem für ihn zuständigen Vertriebsleiter sowie dem Vertriebsbeauftragten legt dar, wie Bünyamin Kara von den Vodafone-Mitarbeitern angespornt worden ist. Ende 2022 hat er ein Werbevideo aufgenommen für ein „mega geiles Angebot“, wie er selbst im Video wirbt – ein Vertrag für monatlich 44,99 Euro, inklusive eines 600-Euro-Gutscheins. Eine Stimme aus dem Off sagt: „Dann zahle ich im Endeffekt ja nur 19,99 Euro“ – eine Falschdeklaration, denn wenn der Kunde einen Gutschein bekommt, zahlt er trotzdem 44,99 Euro monatlich.
Der Vodafone-Vertriebsleiter aber gibt das Video frei. Er schreibt: „Ich finde es mega Hammer geil“ – garniert mit drei Herzchen-Emojis.
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Vodafone verspricht „kundenindividuelle Lösung im Sinne des Kunden“
Von einer solchen Bewertung der Handyboxx-Angebote ist die 23-Jährige, die immer noch auf ihr Endgerät wartet, weit entfernt. Seit der Schließung des Geschäfts versucht sie über die Vodafone-Hotline mit jemandem über eine Lösung zu sprechen. Schließlich zahlt sie weiter monatlich 64,99 Euro. Bei Vodafone werde sie immer wieder weitergeleitet, mit Rückrufversprechen vertröstet.
Andere Kunden sind da schon weiter, ihre Verträge wurden storniert. „Aus Kulanz“, wie Vodafone-Sprecher Petendorf betont. Er verspricht: „Für jeden Kunden, der sich bei Vodafone meldet, wird eine kundenindividuelle Lösung im Sinne des Kunden gefunden.“