Bottrop. Anja Spirres ist die einzige Frau in der Geschäftsleiterin der MC-Bauchemie Deutschland. Ein Gespräch über Frauentag, Frauenquote und Vertrauen.

Vor ein paar Jahren, erzählt Anja Spirres, habe ein Kunde ihr mal zum Weltfrauentag gratuliert. „Ich war baff“, sagt die Juristin und einzige Frau in der Geschäftsleitung von MC-Bauchemie Deutschland. Um nicht zu sagen irritiert: Frauentage oder Frauenquoten sind ihr Thema nicht. Als weibliche Führungskraft in einer Männerbranche setzt die 54-Jährige allein auf Qualifikation und Engagement. „Man muss für den Job brennen – dann ist es egal, ob man Mann oder Frau ist“.

Wichtig, das zeigt ihr Beispiel, ist allerdings auch eine passende Unternehmenskultur. Die hat Anja Spirres bei dem Bauchemie-Unternehmen gefunden.

1989 startet die Bottroperin ihre Ausbildung bei MC-Bauchemie

Nach ihrem Abschluss am Heinrich-Heine-Gymnasium beginnt die Bottroperin 1989 ihre Ausbildung zur Industriekauffrau bei MC. Eine Schulkollegin hatte sie auf die Idee gebracht, sich dort zu bewerben. Nach der Ausbildung soll sie eigentlich die Abteilung Einkauf bei der KST Kunststoff-Technik, einer Schwestergesellschaft der MC-Bauchemie, aufbauen. Doch Anja Spirres entscheidet sich fürs Jura-Studium an der Ruhr-Uni-Bochum. Ihrem Ausbildungsunternehmen bleibt sie dennoch treu: „Während der ersten Jahre des Studiums habe ich nebenbei hier gearbeitet.“

Blick aus der Luft auf das Gewerbegebiet Kruppwald mit dem Gelände der MC-Bauchemie.
Blick aus der Luft auf das Gewerbegebiet Kruppwald mit dem Gelände der MC-Bauchemie. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Das Examen schafft sie in der kürzesten Zeit, die überhaupt möglich ist. Den Wiedereinstieg in ihren Ausbildungsbetrieb überlegt sie sich sehr gut. „Wenn man als ehemalige Auszubildende in eine Führungsposition geht, ist das nicht so einfach.“ Aber Anja Spirres ist nicht der Typ, der es sich einfach macht.

Am 1. Dezember 1999 kehrt sie also zurück zur MC, übernimmt zunächst die kaufmännische Leitung des Innendienstes im Bereich Infrastructure & Industry – „damals hieß der Fachbereich Oberflächenschutz“ – sowie die Geschäftsführung der KST Kunststoff-Technik GmbH & CO. KG. Sechs Jahre später erhält sie die alleinige Leitung des Bereiches Infrastructure & Industry. Für diesen Bereich ist sie in der neuen Geschäftsleitung der MC-Bauchemie Deutschland, zu der neben ihr vier Männer gehören, weiter verantwortlich. Zudem trägt sie bereits seit 2016 als Regional Managerin die kaufmännische Verantwortung für die Region Deutschland-Österreich-Schweiz.

In großen Runden ist Anja Spirres meistens die einzige Frau

Und ja: Sie arbeitet in einer Männerdomäne, bis heute ist es so: „Wenn ich bei Reklamationsbaustellen bin, in großen Runden, dann bin ich meistens die einzige Frau.“

Frauen würden in der Branche zwar durchaus zahlreicher, „es gibt mehr Ingenieurinnen, mehr Planerinnen“, beobachtet Anja Spirres. Aber gerade in der Führungsebene bleibe es (noch) eine Männerbranche. Wie geht sie damit um? „Für mich ist das noch nie eine Frage gewesen“, sagt die Juristin schlicht.

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Als Grund dafür nennt sie in allererster Linie den Rückhalt und das Vertrauen, die sie in dem Bottroper Familienunternehmen erfährt. „Vom ersten Arbeitstag an haben Dr. Claus Müller und der leider viel zu früh verstorbene Dr. Bertram Müller mich immer wie eine von allen behandelt, mit den gleichen Rechten und Pflichten. Bei uns gibt es nicht viele Unterschiede, weil man eine Frau ist.“

Klar müsse man sich auch durchbeißen. Dabei schadet es natürlich nicht, wie Anja Spirres vom Naturell her ein selbstbewusster Mensch zu sein. „Wenn man mit Kunden in ein Reklamationsgespräch geht, muss man sofort klar machen: Man hat was zu sagen, man hat die Entscheidungsgewalt.“ Selbst bei einem Streitwert im siebenstelligen Bereich haben die Chefs sie stets machen lassen. Deren Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ihre Person spiele die wichtigste Rolle – und sei ganz unabhängig vom Geschlecht.

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„Das ist ein Grundprinzip der MC: Sie können hier unheimlich viel machen, wenn sie Engagement zeigen und dafür einstehen. Dann hat man hier viele Freiräume.“ Das ist ihre Einschätzung nach auch der Grund, warum so viele Mitarbeitende dem Betrieb lange die Treue halten – sie selbst ja schon seit über 30 Jahren.

Dennoch ist Anja Spirres die einzige Frau in der Geschäftsleitungsebene, auch wenn es „ein bis zwei Etagen darunter“ mehr weibliche Führungskräfte gebe. „Mein Job ist kein 38- oder 40-Stunden-Job. Da gibt es Wochenenden, da gibt es viele Abende, viele Flugreisen. Das muss man ja auch wollen.“ In einer Führungsposition wie der ihrigen sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ohne Frage ein Problem – es sei denn, der Mann übernehme den Schwerpunkt der Familienarbeit.

Bessere Kinderbetreuung als Schlüssel für Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Wie könnte man das Dilemma lösen? Für eine bessere Kinderbetreuung sorgen, meint Anja Spirres, da sei in Deutschland bislang einiges versäumt worden. Dazu zählen aus ihrer Sicht auch Betriebskitas in Unternehmen mit entsprechendem Bedarf in der Belegschaft. „Was wir bei der MC-Bauchemie anbieten, sind Betreuungsfreizeiten für Kinder in den Sommerferien. Auch wir versuchen, in diese Richtung zu gehen. Aber es muss machbar sein“, findet Anja Spirres, die selbst keine Kinder hat.

Alle Maßnahmen, die im Unternehmen überlegt werden, seien Verbesserungsmaßnahmen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar gleichermaßen. Benefits von Fitness-Angeboten bis hin zur Betriebsrente sollen für alle nützlich sein, geschlechterunabhängig. „Wir machen da gar nicht so einen großen Unterschied.“ Was im Übrigen auch für die Bezahlung gelte. Die ist bei gleicher Position und gleicher Qualifikation auch entsprechend gleich bei der MC, sagt Anja Spirres.

Man ahnt es schon: Ein Fan von Frauenquoten ist die Bottroperin nicht. „Ich möchte nicht nur deshalb einen guten Posten haben, weil ich eine Frau bin“, betont die Geschäftsleiterin. Willkommen sei bei der MC jeder und jede, der und die etwas kann, sich engagiert und „die MC-DNA entwickelt“. Als Führungskraft, ob Frau oder Mann, müsse man konsequent sein. „Man muss auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Das muss man aushalten können.“

Anja Spirres ist seit ihrer Ausbildung einen spannenden Weg gegangen. Und sie möchte nicht nur, aber gerade auch junge Frauen ermutigen, sich das ebenfalls zuzutrauen: „Ich kann nur den Aufruf starten, die Leute sollen sich aufmachen, bei der MC-Bauchemie bewerben und so einen Weg gehen.“

Nachwuchs gesucht

Im Bereich Infrastructure & Industry, den Anja Spirres verantwortet, geht es um die Produkte unter anderem für die Instandsetzung von Betonbauwerken und den vorbeugenden Betonschutz.

Ein technisches Interesse ist für eine Karriere bei der MC-Bauchemie von Vorteil. Dennoch muss nicht jeder Bewerber, nicht jede Bewerberin ein Chemie-Ass sein. Im Unternehmen wird etwa auch Nachwuchs für Verwaltungstätigkeiten gebraucht – von der Buchhaltung über die Logistik bis zum Marketing.

Mit Blick auf weibliche Bewerberinnen würde Anja Spirres sich darüber freuen, wenn sich mehr junge Frauen eine Karriere bei der international agierenden MC-Bauchemie zutrauen würden.

Info: mc-bauchemie.de