Bottrop. Endlich wieder ein Rosenmontagszug: 40.000 Närrinnen und Narren haben Bottrops Straßen gesäumt. Dabei ging es bunt und friedlich zu.
Et hätt noch immer jot jejange – so sagen sie am Rhein. Hier heißt’s: Schwein gehabt. Trocken, aber kalt und der Rosenmontagszug rollt – oder läuft, denn die Fußtruppen, wie das Fuhlenbrocker Männerballett „Bewegte Bäuche“ (so richtig dick sind sie aber gar nicht) sind eindeutig in der Überzahl.
Essener Straße, Peterstraße, Hans-Böckler-Straße: Die Menschen stehen in Fünfer-, Sechserreihen. Am Ende zählt die Polizei gut 40.000 Jecken entlang der Route. Und neben den großen Wagen der Prinzenpaare und Vereine sorgen die Fußgruppen für Kommentare am Rand.
Da marschiert der „Fliesenschaden“ mit, der der Schwimmvereinigung 1924 schon länger zusetzt. Sie wird am Ende auch zum Sieger gekürt beim Wettbewerb um die beste Fußgruppe im Rosenmontagszug. Über den Gummiplanschbecken, die die Mitglieder um die Hüften tragen, prangt der Spruch: „Ich kann Bäder schließen“. „Stimmt“, tönt’s aus einem kleinen gelb-schwarzen Bienenschwarm, der sich warm schunkelt und vor allem „MM“ zuspricht (die Sektmarke hat man länger nicht mehr gesehen), statt an umstehenden Blüten nach Nektar zu suchen.
Bottrops OB begibt sich als „Bernd der Baumeister“ freiwillig aufs glatte Polit-Pflaster
Da kommt „Bernd der Baumeister“ gerade recht. Mitten unters Narrenvolk hat sich Bernd Tischler gemischt. Die Bauarbeiterweste ist nicht sofort zu erkennen. Dafür muss der Oberbürgermeister sich erstmal etwas freimachen. Dann liest man aber auch „Hansa Center und Karstadt? Yo, wir schaffen das!“ Der Mann traut sich was – dabei ist der Schlüssel zum Rathaus noch gar nicht übergeben. Aber Karneval scheint ja vieles möglich.
So richtig politisch wird der Zug aber nicht. Es ist der Gute-Laune-Zug, an dem nicht nur die großen Karnevalsgesellschaften wie KKG, Boy, Grün-Weiß, die Plattdütschen und die KG 13 mit dem Stadtprinzenpaar, das auch auf dem Wagen wie schon die gesamte Session über bella Figura macht, sondern auch viele Gruppen oder Vereine aus dem Stadtleben und Sport teilnehmen.
Das ist der Musical-Verein „Die Zweitbesetzung“ oder der „Wunschzauberer“ mit knatterndem historischen Dreirad-Mobil. Und wie so oft kommt das Beste zum Schluss: Das sagt jedenfalls die älteste Bottroper Karnevalsgesellschaft von sich, die KG Stellkeswägg von 1881. Nicht ganz: Denn hinter Stellkeswägg als 33. Zugnummer rollten schon die Entsorgungsbetriebe mit karnevalsverdächtiger Farbe – einem kräftigen Orange. Während das Rathaus fällt und trotzdem feiert, ist die Zugroute schon fast wieder sauber und der Verkehr rollt.
Kulturelle Aneignung? Ein paar Indianer unter dem Bottroper Narrenvolk
Mindestens die Hälfte der Menschenmenge entlang der Route feiert kostümiert. Doch, vereinzelt gibt es sie, die Indianer, die neuerdings geächtet sind wegen „kultureller Aneignung“. Eine Teilnehmerin im Tigerkostüm hat schon mal vorsorglich reagiert. „Eigentlich wollte ich als Squaw gehen, jetzt habe ich doch auf Tigerin umgesattelt, man weiß ja nie. Vielleicht werden Tiere nächstes Jahr auch geächtet.“ Sie nimmt’s schunkelnd-humorvoll, ebenso wie den Schluck aus der Pulle.
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Aber neben den Indianern gibt es auch Mönche in braunen Kutten oder auch die Schottenröcke, die bleiche Männerbeine schwungvoll umspielen. Ein bisschen Army, Weltall oder Captain America darf es dann schon sein. Aber gefühlt behalten auf diesem Zug Tiere, vor allem die Insekten jeglicher Couleur, und Fantasy-Outfits zahlenmäßig die Oberhand. Allerdings: Es gibt ein paar Könige mehr. Ob das nun an Charles III. liegt, der bald jenseits des Ärmelkanals das Zepter schwingt, lässt sich im Trubel nicht eruieren.
Schlüsselübergabe im Rathaus: Bottroper OB chancenlos
Hier schwingen jedenfalls Christina II. und Dirk IV. nicht nur Zepter, sondern vor allem auch den Schlüssel zum Rathaus. Den haben sie vor dem Rathaus fast pünktlich um 13.11 Uhr dem Oberbürgermeister entrissen. Wohl selten ging die Übergabe unter Klängen des Duos Bege und moderiert von Frank Feser vom Festkomitee mit so wenig Kampfgetümmel vonstatten. Aber Bernd Tischler war angesichts des plattdütschen Prinzenpaares Bernhard VIII. und Lydia I. und des Kinderprinzenpaares Simon I. und Mila II. von vorneherein chancenlos.
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Da hatten auch die übrigen Rathausjecken wie Bürgermeisterin Monika Budke (schick in rot mit schwarzem Dreispitz), ihr Kollege Klaus Strehl, Bottrops Parlamentarier Michael Gerdes und Thomas Göddertz oder Klaus Müller als Technischer Beigeordneter nichts gegenzuhalten, auch wenn sie mit dem OB vorher noch kraftvoll in vorderster Reihe schunkelten. Das Rathaus fällt – unter donnerndem Bottrop Helau! So wollen es die Jecken – und stürmen Kirmes und Kneipen.