Bottrop. Ist die Pandemie vorbei? Ein Blick auf die Bottroper Entwicklung der Corona-Zahlen. Und warum Allgemeinmediziner weiter zur Vorsicht raten.

Die Pandemie sei vorbei, die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2 im Anmarsch, sagte Virologe und Regierungsberater Christian Drosten vor wenigen Tagen. Ein Blick auf die Zahlen in Nordrhein-Westfalen und auch in Bottrop gibt ihm recht.

Die Inzidenz, immer noch fast täglich erfasst vom Robert-Koch-Institut und dem Landeszentrum Gesundheit, ist mit 234,4 (Stand 31. Dezember) verhältnismäßig niedrig, sank Anfang Dezember in Bottrop sogar unter die 100er-Marke. Doch die Zahlen sind immer noch höher als in den vergangenen Wintern und die Dunkelziffer dürfte noch größer sein.

2022 stiegen die Corona-Zahlen ab Ende Januar massiv an

Weiterhin laufen nur PCR-Test-Ergebnisse in die Statistiken ein. Laut aktueller Coronaschutzverordnung des Landes ist man nach einem positiven Selbsttest allerdings nicht verpflichtet, einen solchen PCR-Test zu machen – ein offizieller Schnelltest reicht. Und ohnehin überprüft niemand diese Pflicht. Es gibt wohl also manche, die sich den Gang zum Testzentrum sparen und sich selbstständig isolieren. Daher glaubt auch der Bottroper Hausarzt Jens Stadtmann: „Die offiziellen Zahlen stimmen gar nicht mehr.“

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Anfang Januar 2022 bewegte sich die Bottroper Inzidenz zwischen 200 und 300 – über die Feiertage entstanden wie auch in den beiden Vorjahren Meldungslücken, weil Ärzte und Ämter nicht komplett besetzt sind. Dann aber ging es rapide bergauf: Am 21. Januar überschritt die Sieben-Tage-Inzidenz in Bottrop erstmals die 1000er-Grenze, am 2. Februar, also nur zwölf Tage später, die 2000er-Grenze. Die höchste je registrierte Inzidenz in Bottrop lag bei 2114,0, in NRW bei 1774,4.

Omikron-Welle beim Jahreswechsel 2021/22

Beginnt dieser Anstieg jetzt wieder? Nach Christian Drostens Einschätzung nicht. Die Immunität gegen Sars-CoV-2 werde nach dem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, blickt er auf die nächsten Monate in einem Gespräch mit der Tagesschau. Und er rechnet auch nicht mit weiteren Schüben durch Mutationen.

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2021 rollte mit der Weihnachtszeit die Omikron-Welle los und sorgte für einen massiven Anstieg der Infektionen, weil die Mutation deutlich ansteckender war als die vorherigen Virusvarianten. Nach einer Welle im Frühjahr stiegen die Zahlen im Sommer wieder in Richtung der 1000er-Marke – ganz anders als in den beiden Vorjahren, in denen der Sieben-Tage-Wert fast auf null sank.

Grippe-Fälle in Bottrop sind stark gestiegen

Corona hatte dabei die klassische Grippe, den Influenza-Virus, fast vollständig verdrängt. Auch sie ist meldepflichtig, in der Saison 2020/21 gab es allerdings keinen einzigen registrierten Grippe-Fall in Bottrop, in der Saison 2021/22 waren es zwei. Diesen Winter allerdings sind bereits 152 Grippe-Fälle gemeldet worden, davon 148 der Influenza A, einer der Influenza B und drei nicht identifizierbare.

Seit Wochen schon kämpfen Mediziner im ganzen Land mit einer Flut von Patienten mit Erkältungs-, Corona- oder Grippesymptomen, Kinder leiden zudem häufig unter dem RS-Virus. Alle diese Erkrankungen sind im Praxisalltag „in deutlich signifikanter Höhe vorhanden“, berichtet Allgemeinmediziner Jens Stadtmann. Er beobachtet aktuell einen sehr hohen Krankenstand. Extrem sei es in der Woche vor Weihnachten gewesen, da kam der Bottroper Mediziner an einem Montag auf fast 50 Krankschreibungen.

Internist Dr. Gregor Postberg wiederum hat in seiner Praxis in den letzten Wochen „deutlich mehr Fälle akuter Atemwegserkrankungen gesehen, die nicht Corona waren“. Mitte Dezember schon habe er eine Grippewelle registriert. Die Influenza, bestätigt Jens Stadtmann, komme jetzt deutlich häufiger vor als in den Jahren davor.

Bottroper Mediziner plädieren weiter für Impfungen gegen Corona

„Meiner Einschätzung nach ist die Influenza genauso gefährlich wie eine Corona-Infektion“, betont Jens Stadtmann. Corona sei nach wie vor ein Thema. Doch die Welle habe sich stabilisiert, in der Regel verlaufe eine Infektion ohne schwere Krankheitsverläufe. „Erfreulicherweise hatte ich im vergangenen Jahr keinen Verstorbenen und seit Monaten niemanden mit Corona im Krankenhaus“, sagt Jens Stadtmann und führt das auf gute Impfquoten zurück. Dennoch: „Unvorsichtig wäre ich nicht“, warnt der Fortbildungsbeauftragte des Bottroper Ärztevereins auch mit Blick auf die aktuelle rasante Ausbreitung des Virus in China und mögliche Mutationen.

Dr. Gregor Postberg, Facharzt für Innere Medizin in Bottrop.
Dr. Gregor Postberg, Facharzt für Innere Medizin in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Und ist die Pandemie auch seiner Einschätzung nach vorbei? Letztlich sei das ja nur ein Wort, meint Jens Stadtmann, der das Corona-Virus nicht verharmlost wissen will. „Ich würde jedem, der vielleicht bislang nur zweimal geimpft ist, empfehlen, sich ein drittes Mal oder nach einem halben Jahr auch ein viertes Mal impfen zu lassen.“

Die Impfberatung – übrigens quasi nebenbei auch in Sachen allgemeiner Impflücken – ist ebenso für Dr. Gregor Postberg aktuell ein wichtiges Thema: „Unser Ziel ist es, möglichst viele Leute weiter zu impfen.“ Zum vierten, teils zum fünften Mal und abhängig von möglicherweise durchgestandenen Covid-Infektionen. „Corona ist nicht weg. Jede Impfung zählt.“ Und die Erfahrung habe grundsätzlich gezeigt: „Je häufiger jemand geimpft ist, desto milder ist der Krankheitsverlauf.“ Inzwischen gebe es ja auch Medikamente zur Behandlung einer Covid-Erkrankung, doch „der Super-Run auf eine Corona-Therapie hat in meiner Praxis nicht stattgefunden“.