Bottrop-Kirchhellen. Schulte-Wieschen, Alte Post, Dickmann-Kessler: Diese Traditionskneipen kennt noch jeder Kirchhellener. Doch viele Kneipen sind fast vergessen.

Mehr als 70 Gastwirtschaften gab es mal in Kirchhellen, das belegen Recherchen im Archiv des Vereins für Orts- und Heimatkunde. Heute gilt das „Klosterstübchen“ als letzte Kneipe im Dorf, zumal das Brauhaus zum Jahreswechsel den Tresen- und Restaurantbetrieb aufgibt und sich auf das Saalgeschäft konzentriert. Deshalb hat der Heimatverein die „Kirchhellener Kneipentour“ ins Leben gerufen, eine Spurensuche nach der historischen Kneipenlandschaft. Viele Namen sind den Kirchhellenern noch bestens im Gedächtnis, andere dagegen fast vergessen. Auch die lohnten eine Kneipentour.

Immer noch eine gute Adresse für die Nahversorgung im Ortskern: Am Standort der früheren „Dorfschänke“ sind heute das Eiscafé Pisa und der Kio zu finden.
Immer noch eine gute Adresse für die Nahversorgung im Ortskern: Am Standort der früheren „Dorfschänke“ sind heute das Eiscafé Pisa und der Kio zu finden. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Auch interessant

Jan Marien vom Heimatverein hat 2018 auf Instagram das Foto-Format „historischeskirchhellen“ gegründet, auf dem er alten Dorfansichten die heutigen Ansichten gegenüberstellt. „Wenn ich 100 Leute finde, die das interessiert, will ich sehr zufrieden sein“, sagte er zum Start des Projekts. Inzwischen verfolgen und diskutieren mehr als 1000 Fans seine wöchentlichen Bilderfunde.

Die „Schenkwirtschaft zur gemütlichen Kämpe“ stand einst an der Ecke Hiesfelder Straße/Auf der Kämpe.
Die „Schenkwirtschaft zur gemütlichen Kämpe“ stand einst an der Ecke Hiesfelder Straße/Auf der Kämpe. © Ansichtskartensammlung Rainer Weiß

2020 hat der Heimatverein die Bilder aus dem Netz geholt und ein Buch daraus gemacht: „Zeitreise durch Kirchhellen“, der Band 51 der Schriftenreihe des Heimatvereins. nimmt das Instagram-Prinzip der Gegenüberstellung von Alt und Neu auf. So zeigt Marien, wie sehr sich vor allem der Dorfkern in den letzten 100 Jahren verändert hat. Das wurde auch Thema einer Ausstellung des Heimatvereins in diesem Frühjahr, bei der Marien ein 3-D-Modell des Ortskerns um 1815 vorstellte.

Das Gebäude gibt es noch, die „gemütliche Kämpe“ längst nicht mehr.
Das Gebäude gibt es noch, die „gemütliche Kämpe“ längst nicht mehr. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Drei Gründe nennt Marien für den Verlust der historischen Bausubstanz, die auch das Ende vieler Gastwirtschaften bedeutete: den Verlust des Dorfmittelpunktes durch den Brand der alten Kirche 1917, die Zerstörung der Häuser um den alten Kirchplatz im Zweiten Weltkrieg und die „Neubauwut“ in den 1960er und 70er Jahren. Einen Grund nennt er nicht: Bergschäden. Ihnen fielen viele Gebäude von Gastwirtschaften zum Opfer, zuletzt 2019 der „Weiße Igel“ an der Utschlagstraße.

In diesem Buch widmete sich Marien auch der vielfältigen Kneipenlandschaft Kirchhellens. 2022 fand erstmals die „Kirchhellener Kneipentour“ statt, die einschlug wie ein Bierstand auf dem Breuker-Platz im Hochsommer und binnen eines Tages ausverkauft war. Sie zog sich nicht wie geplant die Bottroper und Hauptstraße bis zum Ende herunter, sondern stoppte aus gegebenem Anlass am Johann-Breuker-Platz: Da war Feierabendmarkt.

Auch interessant

Für die geplante Neuauflage der Kneipentour hätten wir vier Vorschläge: Kneipen, die heute fast völlig in Vergessenheit geraten sind. Zum Beispiel:

Hilp, Kirchstraße 12. An die alte Schule auf dem alten Markt erinnert eines der neun Erklärschilder des Vereins „Natürlich Kirchhellen“, ebenso übrigens wie an die Gaststätte Allekotte an der Oberhofstraße oder an die Alte Post an der nicht ganz so alten Post an der Bottroper Straße. Neben der Schule stand die Gastwirtschaft mit einer Metzgerei nebenan.

Heisterkamp, Hiesfelder Straße 20. In dem 1833 erbauten Gebäude gab es etwa ab 1895 eine Gastwirtschaft. Bekannt sind die ersten Betreiber Spickenbaum, Heisterkamp, Föllmer sowie der Name, unter dem sie von verschiedenen Pächtern weitergeführt wurde: „Zur gemütlichen Kämpe“. Das Haus gibt es noch, die Gaststätte nicht mehr.

Hier trafen sich Kutscher und Bergleute: Gastwirtschaft Koop in Feldhausen.
Hier trafen sich Kutscher und Bergleute: Gastwirtschaft Koop in Feldhausen. © Archiv Heimatverein

Koop, Lippweg 153. In der Kutschenzeit an der Kreuzung Dorstener Straße/Lippweg in Feldhausen eine beliebte Pausenstation für die Pferdefuhrwerke und die Bergleute, die zu den Zechen Scholven und Zweckel unterwegs waren. Zwischendurch hieß die Gaststätte auch mal „Waldschänke“. Zuletzt war in dem mehrfach umgebauten Gebäude ein griechischer Imbiss. Der ist jetzt auch Geschichte.

An der Kreuzung Dorstener Straße/Lippweg: Hier war früher die „Waldschänke“.
An der Kreuzung Dorstener Straße/Lippweg: Hier war früher die „Waldschänke“. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Schmidt, Hauptstraße 43. Und noch eine Schänke, nämlich die „Dorfschänke“: Sie war untergebracht in einem 1911 errichteten imposanten Gebäude an der Einmündung Garten-/Hauptstraße. Das Haus gibt es nicht mehr, es wurde in den 1970er Jahren abgerissen. Die Einmündung ist auch weg, die Gartenstraße wurde Richtung Hauptstraße dichtgemacht („abgebunden“). Die Adresse ist allerdings bis heute Standort für zentrale Nahversorgung im Dorfkern. Dort sitzen heute das Eiscafé Pisa und der Kio.

Den Band „Zeitreise durch Kirchhellen“ der Schriftenreihe des Heimatvereins gibt es in der Humboldt-Buchhandlung und im Heimathaus am Wellbraucksweg. Die Neuauflage der „Kirchhellener Kneipentour“ soll stattfinden am Freitag, 12. Mai, ab 18 Uhr. Anmeldungen für diese Veranstaltung wird der Heimatverein ab dem 29. April annehmen unter (0178) 6864984.