Bottrop. In den 50er- und 60er-Jahren leuchtete Bottrop in der Vorweihnachtszeit. Wir haben Erinnerungen und alte Fotos mit Nostalgie-Faktor gesammelt.

Nicht nur die Winter waren früher härter, kälter, schneereicher. Auch Weihnachten und die Wochen davor hatten einen anderen Zauber, waren heimeliger und stärker vom christlichen Brauchtum geprägt. So jedenfalls will es die Erinnerung an die gute alte Zeit und manche unbeschwerte Kindheit. Sicher, laut Statistik waren die Winter wirklich kälter, von Klimawandel keine Spur. Und Kinder konnten tatsächlich selbst in Bereichen der Stadtmitte auf der Straße fast gefahrlos rodeln – denn es gab nur einen Bruchteil der Autos, die heute unterwegs sind.

Der Nikolaus kam noch mit großem Bischofsornat, der Weihnachtsmann hieß auch so und nicht etwa „Santa“ (vom englischen Santa Claus abgeleitet). Und: Nicht die Privathäuser und Vorgärten waren fast überbordend mit Lämpchen und Lichterketten geschmückt, sondern die Geschäfte und vor allem die Einkaufsstraßen in der Innenstadt strahlten im Lichtermeer.

Bottroper Kreuzkamp: Wie ein festliches Tor zur Einkaufszone

Für einige Jahre war selbst der Kreuzkamp wie ein festliches Tor zur Einkaufszone üppig beleuchtet. Die Geschäfte wetteiferten untereinander um die schönste Weihnachtsdekoration. Das zog die Menschen in der dunklen Jahreszeit zu Tausenden in die Innenstadt. Gladbecker- und Horster Straße schmückten grüne Tannengirlanden, Bäumchen und Glocken.

Die markante Ecke von Horster- und Gladbecker Straße beim Anbringen des Weihnachtsschmucks in den 50er-Jahren. Zwischen den Geschäften von Allermann und Rebbelmund ist die alte Redaktion der WAZ zu erkennen.
Die markante Ecke von Horster- und Gladbecker Straße beim Anbringen des Weihnachtsschmucks in den 50er-Jahren. Zwischen den Geschäften von Allermann und Rebbelmund ist die alte Redaktion der WAZ zu erkennen. © E.G. Schweizer

Althoff, später Karstadt, war der Hingucker in Bottrops Innenstadt

Wen man von den Älteren auch fragt: Althoff, seit den frühen 1960er-Jahren Karstadt, war der besondere Hingucker. Die geschwungene Fassade an der Hansastraße strahlte komplett im Schein von Tausenden von Glühbirnen. Die Schaufenster präsentierten liebevoll und detailreich gestaltete Märchen- und Weihnachtsszenen. Auch im Innern war kaum noch ein Durchkommen. Es gab zahlreiche weihnachtlich geschmückte zusätzliche Verkaufsstände, die Regale der damals noch vorhandenen Lebensmittelabteilung bogen sich und die ohnehin üppig gefüllte Spielwarenabteilung mit für heutige Verhältnisse unzähligen Fachverkäuferinnen gehörte für Kinder zu den wichtigen Erlebnisorten der City.

Egal ob Gardinen-, Einrichtungs- oder Modegeschäft: Alle Schaufenster hatten ihre eigenen oft kreativen oder modernen Schaufensterdekorationen. Licht gehörte immer dazu – Energiepreise schienen für die Wochen vor dem Fest keine Rolle zu spielen. Selbst für erwachsene Bottroperinnen und Bottroper, die aus den oft noch spärlich mit Gaslaternen beleuchteten Straßen und Ortsteilen kamen, muss die City fast gestrahlt haben.

Weihnachten- Erinnerung ans Bottrop der 50er- und 60er-Jahre

Weihnachtsbeleuchtung der Hansastraße Anfang der 60er-Jahre. Hingucker war immer wieder das prächtig illuminierte Karstadt-Haus.
Weihnachtsbeleuchtung der Hansastraße Anfang der 60er-Jahre. Hingucker war immer wieder das prächtig illuminierte Karstadt-Haus. © E.G. Schweizer
Die markante Ecke von Horster- und Gladbecker Straße beim Anbringen des Weihnachtsschmucks in den 50er-Jahren. Zwischen den Geschäften von Allermann und Rebbelmund ist die alte Redaktion der WAZ zu erkennen.
Die markante Ecke von Horster- und Gladbecker Straße beim Anbringen des Weihnachtsschmucks in den 50er-Jahren. Zwischen den Geschäften von Allermann und Rebbelmund ist die alte Redaktion der WAZ zu erkennen. © E.G. Schweizer
Weihnachtseinkäufe 1965 auf der Hansastraße. Karstadt und viele andere Geschäfte waren dort ein Magnet für große und kleine Bottroperinnen und Bottroper.
Weihnachtseinkäufe 1965 auf der Hansastraße. Karstadt und viele andere Geschäfte waren dort ein Magnet für große und kleine Bottroperinnen und Bottroper. © E.G. Schweizer
Weihnachtsdeko im Damenmodenschaufenster in der 50er Jahren.
Weihnachtsdeko im Damenmodenschaufenster in der 50er Jahren. © E.G. Schweizer
Die Straße als Spielplatz: Rodeln war in den 50er- und 60er-Jahren – wie hier im Bild – fast noch überall gefahrlos möglich.
Die Straße als Spielplatz: Rodeln war in den 50er- und 60er-Jahren – wie hier im Bild – fast noch überall gefahrlos möglich. © E.G. Schweizer
Die Herz-Jesu-Kirche mit Weihnachtsschmuck in den 50er-Jahren. Die alte Ausmalung ist noch gut zu erkennen. Unter der Decke der großen Kirchenschiffs war der Wortlaut des Vater unser aufgemalt. Im Zuge mehrerer Renovierungen verschwand die frühere Ausmalung.
Die Herz-Jesu-Kirche mit Weihnachtsschmuck in den 50er-Jahren. Die alte Ausmalung ist noch gut zu erkennen. Unter der Decke der großen Kirchenschiffs war der Wortlaut des Vater unser aufgemalt. Im Zuge mehrerer Renovierungen verschwand die frühere Ausmalung. © E.G. Schweizer
Nach der Währungsreform 1948 ging es aufwärts. Fast über Nacht waren viele Waren wieder erhältlich. Das Schaufenster zeigt ein Haushaltswarengeschäft mit Weihnachtsdekoration ein Jahr später 1949 an der Hochstraße.
Nach der Währungsreform 1948 ging es aufwärts. Fast über Nacht waren viele Waren wieder erhältlich. Das Schaufenster zeigt ein Haushaltswarengeschäft mit Weihnachtsdekoration ein Jahr später 1949 an der Hochstraße. © E.G. Schweizer
Die Hansastraße mit Althoff in den 50er-Jahren
Die Hansastraße mit Althoff in den 50er-Jahren © E.G. Schweizer
Die Hochstraße mit der Karstadt-Dependence gegenüber der alten Gaststätte Gambrinus.
Die Hochstraße mit der Karstadt-Dependence gegenüber der alten Gaststätte Gambrinus. © E.G. Schweizer
Weihnachtsshoppen auf der gut belebten Hansastraße.
Weihnachtsshoppen auf der gut belebten Hansastraße. © E.G. Schweizer
Der Berliner Platz 1960. Im Hintergrund liegen die Brauerei Jansen und die Cyriakuskirche.
Der Berliner Platz 1960. Im Hintergrund liegen die Brauerei Jansen und die Cyriakuskirche. © E.G. Schweizer
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Bottrop war über 70 Prozent katholisch

Weihnachtsmärkte spielten noch nicht die große Rolle. Wenn es verführerisch duftete, kam das zumeist aus den Konditoreien oder einzelnen Verkaufsständen. Gebacken wurde meist zu Hause, unzählige Plätzchensorten, der Christstollen, der in Butter und Zucker getränkt, ein paar Wochen vor dem Fest „ziehen“ musste.

Bis auf Nikolaus und die Adventssonntage spielte in den 50er- und 60er-Jahren im damals weit über 70 Prozent katholischen Bottrop die vorweihnachtliche Fastenzeit eine weit größere Rolle als heute. Kein Vergleich zwar mit der „großen“ Fastenzeit vor Ostern – aber dass im Advent, womöglich schon unter dem viel zu früh aufgestellten Christbaum, kiloweise Süßes verputzt wurde, war vor 60, 70 Jahren undenkbar.

Die Straße als Spielplatz: Rodeln war in den 50er- und 60er-Jahren – wie hier im Bild – fast noch überall gefahrlos möglich.
Die Straße als Spielplatz: Rodeln war in den 50er- und 60er-Jahren – wie hier im Bild – fast noch überall gefahrlos möglich. © E.-G. Schweizer

Wer alte Zeitungsbände auf Gottesdienstordnungen durchsieht, entdeckt nicht nur viele Gotteshäuser, die heute geschlossen oder abgerissen sind. Fünf oder sechs Messen plus Andacht an Sonn- und Feiertagen waren keine Seltenheit. Die Christmette („Uchte“) fand meist in aller Herrgottsfrühe statt, spätestens um halb sechs oder sechs am Weihnachtsmorgen, seltener zur Mitternacht. Die sogenannte Christvesper am 24. Dezember war damals den Protestanten vorbehalten. Heiligabend war im Grunde ein Arbeits- und vor allem noch ein Geschäftstag.

Neben der Kirchenmusik in den zahlreichen Gottesdiensten hinterließen vor allem die evangelischen Posaunenchöre an vielen Orten in der Stadt klingende „Visitenkarten“. Und die sogenannten „Müller-Chöre“, Kinder- und Jugendensembles, die 1950 von Herbert Müller gegründet wurden (heute unter dem Dach der Musikschule) waren ebenfalls in der Stadt unterwegs, sangen im Krankenhaus und Seniorenheimen und brachten so an Heiligabend Weihnachtsstimmung in die Stadt.