Bottrop. Von Bottrops alten Spielzeugläden, einschließlich der große Abteilung bei Karstadt, hat nur Timpe überlebt. Ein Blick zurück – mit Fotostrecke.
Wer erinnert sich nicht an die Weihnachtswunder-Schaufenster von einst? Prall gefüllt mit Stofftieren, Puppen – manchmal in kompletten Häusern nebst Einrichtung – Modelleisenbahnen, die durch eine Winterlandschaft kurvten, die Carrera-Bahn, eingerahmt von Tannbäumen unter denen zahllose bunte Päckchen lagen. Schaufenster, die wie Magneten wirkten, vor allem, wenn es wie beim untergegangenen Althoff-Karstadt noch üppige Märchenszenen zu bestaunen gab. Diese Geschäfte oder Fachabteilungen sind ebenso passé, wie das Heer der Fachverkäuferinnen von einst.
Bottroperinnen und Bottroper erinnern sich: Timpe, Kisters, Brinkmann oder – wenn auch nur kurz, dafür aber riesig – Richter im damals neuen Hansa-Center. Und auch Borgmann am Altmarkt hatte einst einen Schwerpunkt für den Nachwuchs: Modelleisenbahnen, wie manch älterer Bottroper noch weiß.
Spielwarenhändler Timpe baut Spielwarensortiment aus
Heute ist abgesehen von kleineren Sortimenten in verschiedenen Filialisten nur noch Timpe im klassischen Spielwaren (wieder) aktiv. Im Stammhaus setzt Bernhard Timpe dabei auf bekannte deutsche Marken. Steiff, Spiele von Ravensburger, Holzspielzeug von Brio oder Haba – wer kennt nicht die Bauklötzchen oder die berühmte Kindereisenbahn der Firma, die von sich selbst behauptet „Erfinder für Kinder“ zu sein. Wer noch nicht glauben kann, dass es in Bottrop nach längerer Durststrecke wieder richtiges Qualitätsspielzeug zu kaufen gibt, kann sich davon an der Sterkrader Straße überzeugen.
Timpe möchte das klassische Spielwarensortiment in Bottrop wieder ausbauen
„Den Anfang habe wir bereits in diesem Jahr gemacht“, erzählt Bernhard Timpe und zeigt auf die eine lange Wand mit Puzzles, klassischen Brettspielen, Puppen und einem Miniaturkarussell voller Stofftiere. Dahinter wacht der große Bruder – ein riesiger Steiff-Teddy, selbst der Knopf im Ohr ist fast handtellergroß, na ja, wenigstens kinderhandtellergroß.
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Und in einer Vitrine im Nebenraum legen noch zartweiße Puppenteile. Arme, Köpfe. „Alles sehr zerbrechlich und muss auch noch gebrannt werden, bei 1200 Grad, bevor die Puppe zusammengesetzt und ausstaffiert wird“, sagt Timpe. Bis vor einiger Zeit haben sie diese Prunkstücke selbst hergestellt, mit teilweise handgenähten Kleidern, Echthaarperücken. „Die Glasaugen kommen aus einer Fabrik in Thüringen.“ 60 bis 80 dieser Puppen-Ladys erblickten pro Jahr das Licht in Timpes Welt. „Ein sehr spezieller Markt, den es so fast nicht mehr gibt“, bemerkt der Inhaber.
Der Laden am Rand der Innenstadt ist für heutige Verhältnisse riesig. „Wir waren früher auch Spielwarengroßhändler, haben kleinere Geschäfte beliefert und eigene Ausstellungen für Fachkollegen hier veranstaltet“, sagt Ursula Timpe. Mit 85 Jahren schaut sie immer noch im Laden vorbei. Fotos erinnern an die Zeit, als Timpes hier zum Beispiel das Neueste der Puppenfirma „Schildkröt“ präsentierten oder das, was heute Trendspielzeug heißt. „Manches war auch damals nach einem Jahr wieder out.“
Über das, was „in“ war, informierte sich Ursula Timpe jedes Jahr auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Fotos aus den 50ern und 60ern zeigen sie im schnieken Kostüm vor dem Messebau. Aber auch die zahlreichen Angestellten, die alleine an der Sterkrader Straße den Laden in Schwung hielten. „In den Hochzeiten hatten wir bis zu zehn Filialen überwiegend am Niederrhein für Spiel- und Schreibwaren plus Künstlerbedarf“, sagt Bernhard Timpe. Die letzte Filiale schloss er 2010 in Dinslaken.
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Seither konzentriert er sich auf das Bottroper Stammhaus. „Sicher, die ,Spiel- und Hobby-Ecke’ an der Hochstraße – heute eine Bäckereifiliale – ist Vergangenheit, obwohl unser Sortiment dort heute sicher eine gute Ergänzung wäre“, meint der Geschäftsmann, selbst studierter Wirtschaftsinformatiker. Aber auch an der Sterkrader Straße gibt es noch viele Stammkunden oder solche, die „Timpe“ aus ihrer Jugend kennen und jetzt mit ihren Kindern wiederkommen – für Schulbedarf oder verstärkt auch für Spielzeug.
So begegnen wir Benjamin Eisenberg mit zwei Geschenken unterm Arm. „Zum Beispiel ein klassisches Memory, aber alles verrat’ ich nicht“, lacht Bottrops bekannter Kabarettist. Eine schöne Reminiszenz an Timpe steuert Stadtarchivarin Heike Biskup bei: ein Foto von Weihnachten 1965, Klein-Heike auf Onkels Arm mit einer neuen Puppe im Arm. „Die Ute war garantiert von Timpe.“ Und dort gibt es seit Kurzem sogar wieder richtige Puppenwagen.