Bottrop. Bei seinen Stadtgängen nimmt der Bottroper Verein viele Facetten der Stadt unter Lupe. Jetzt ging es um die NS-Zeit aber auch Kultur und Sport.
Die Dieter-Renz-Halle kennt jeder in Bottrop, aber wer weiß, dass der ehemalige Boxer 1943 auf der Prosperstraße 86 geboren wurde. Zwar ist das Haus längst einem Neubau gewichen, dennoch weist Dagmar Kaplan darauf hin. Die in der Schulsozialarbeit beschäftigte Bottroperin führt am Gedenktag an die Reichspogromnacht von 1938 zwei Stunden eine zehnköpfige Gruppe beim „Stadtgang gegen das Vergessen“ durch und um die Innenstadt. Gewidmet haben die Naturfreunde Bottrop, deren Mitglied auch Dieter Renz war, diesen stadtgeschichtlichen Spaziergang allen Opfern des Nationalsozialismus, wobei der Fokus auf dem jüdischen Leben während der NS-Zeit in Bottrop liegt.
Auch interessant
Geschichte und Geschichten finden sich in Bottrop an vielen Stellen. „Egal, wo wir hier stehen, haben Menschen schon etwas ganz anderes erlebt“, sagt die besondere Stadtführerin, die auch in der Flüchtlingshilfe engagiert ist. Der Rundgang beginnt am Pferdemarkt bei den ersten Stolpersteinen, ins Pflaster eingelassene Messingplatten, die alle mit „Hier wohnte....“ beginnen. Neben den Erinnerungen an die Familie Reder vor der heutigen Bankfiliale finden sich weitere Stolpersteine der jüdischen Kaufmannsfamilie Krauthammer auf der Prosper- und Essener Straße. Im Bereich der Hochstraße gehörten viele Geschäfte jüdischen Händlern. Manche seien deshalb besonders beliebt gewesen, weil sie Ratenzahlungen zugelassen haben, weiß Dagmar Kaplan.
Sie erinnert auch an die Zeit, als dort noch Straßenbahnen verkehrten. Einige Fassaden der Häuser aus dem frühen letzten Jahrhundert sind teilweise erhalten. Die Fassade über dem „Asia Haus“ zeigt einen Baustil, der vor rund 100 Jahren auf der Hochstraße häufig vorkam. Vor dem C&A-Gebäude werden Erinnerungen an die „Schauburg“, das einstige große Kino und Theater wach. „Es war ein Abenteuer“, sagt eine Spaziergängerin. Auch das legendäre „Brauereiwagenrennen“ der Bottroper Brauerei wird in Gedanken zum Leben erweckt, denn: Die Fässer, die in der Kurve runter fielen, waren schließlich Freibier.
Bottrops Naturfreunde wollen die etwas anderen Stadtgänge fortsetzen
Hinter dem früheren „Haus der Jugend“ an der Prosperstraße befand sich die ehemalige Kaserne, in der während der Nazi-Zeit Polizisten ausgebildet wurden, insbesondere das sogenannte „Grausamkeitsbataillon 316“, das später durch Massenmorde eine traurige Berühmtheit erlangte. Der dahinter liegende Sportplatz wurde für die Aufmarschübungen benutzt. Weiter geht es zur Turnhalle der Gustav-Heinemann-Realschule. Die wurde im Krieg ebenso zweckentfremdet. Dort wurden unter unerträglichen Bedingungen Zwangsarbeiter untergebracht.
Auch interessant
Eine etwas andere Sicht auf die Geschichte vom „Dorfe Bottrop“ bietet die Plakatwand an der Fensterfront des Katholischen Stadthauses. Der Weg führt weiter zum Rathaus mit der Gedenktafel für die die Opfer des Faschismus und zur Tourneaustraße mit der Gedenkstele für das alte jüdische Bethaus. Die jüdischen Einwohner hatten in Bottrop nie eine eigene Synagoge und mieteten oft Säle in Gaststätten für religiöse Feierlichkeiten. Der mehr als zweistündige Spaziergang durch die Innenstadt erinnert an Bottroper Persönlichkeiten, zeigt geschichtliche Orte und Gedenkstätten der Verfolgung. ein Fazit: Es gibt Dinge, die man vergessen kann, manche sollte man auch besser vergessen, aber es gibt Vieles, dass nicht in Vergessenheit geraten darf.
+++ Für weitere Neuigkeiten aus Bottrop können Sie sich hier kostenlos für den Newsletter anmelden +++
Die Naturfreunde wollen die „Spaziergänge gegen das Vergessen“ in Zukunft regelmäßig durchführen, sagt der stellvertretende Vorsitzende Wilhelm Schluckebier. Die dazu erstellte Broschüre „Bottroper Stadtgang“ wurde in diesem Jahr überarbeitet.
Kontakt: NaturFreunde Bottrop, Auf der Koppe 16. E-Mail: info@naturfreunde.bottrop.de.