Bottrop. Astrid Möller hat mit 51 Jahren ihren Traumberuf begonnen: Mit Top-Noten hat die Bottroperin die Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen.

Auf einen Einser-Abschluss kann jeder stolz sein. Für Astrid Möller ist er aber so etwas wie der hart erkämpfte erste Platz nach einem langen Rennen: Mit 51 Jahren hat die Bottroperin endlich die Pflegeausbildung abschließen können, die sie gerne schon als Teenagerin gemacht hätte. Sie brennt für ihren Beruf als Altenpflegerin, sagt sie. Und möchte sich gleichzeitig für verbesserte Arbeitsbedingungen einsetzen. Mitstreiter und Mitstreiterinnen sind ihr dafür sehr willkommen.

Bottroper kann vieles aufzählen, was sie an der Pflege toll findet

Wer Astrid Möller gegenüber sitzt, spürt ihre positive Energie. Es liegt ihr fern, zu jammern oder sich zu beschweren. Sie kann so vieles aufzählen, was sie an der Pflege toll findet: „Das Gefühl, Menschen etwas geben zu können. Ihnen Mut zu machen. In strahlende Augen zu sehen.“ Auch medizinische Erfolge zu erleben. Das Gefühl, dass man etwas Wertvolles getan habe, wenn man nach der Schicht auseinandergeht, gibt ihr viel. „Das macht glücklich.“

Die frisch examinierte Altenpflegerin Astrid Möller im Gespräch mir dem stellvertretenden Schulleiter der Alfa Pflegeschule Daniel Tilden. Hier hat sie ihre Ausbildung gemacht, die sie mit dreimal Sehr gut abschloss.
Die frisch examinierte Altenpflegerin Astrid Möller im Gespräch mir dem stellvertretenden Schulleiter der Alfa Pflegeschule Daniel Tilden. Hier hat sie ihre Ausbildung gemacht, die sie mit dreimal Sehr gut abschloss. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Sie ahnte dies ja schon als Jugendliche, hätte auch mit einem unbezahlten Praktikum angefangen – doch auf Drängen der Eltern landete sie zunächst in einer Bäckerei. Nach dem Tod ihre Vaters, Anfang 20 war sie da, bewarb sie sich einfach als ungelernte Kraft bei einem ambulanten Pflegedienst. „Damals ging das noch“, erzählt Astrid Möller, jedenfalls für alles, was mit der Grundpflege zu tun hatte.

Bottroperin: Leicht war die Pflege-Ausbildung nicht

Dort habe sie keine Ausbildung begonnen, weil sie dann schwanger wurde. Später entschloss sie sich zu einer nur halbjährigen Ausbildung zur Betreuungsfachkraft in einem neu eröffneten Seniorenheim. Doch am Ende reichte ihr dies nicht, „es war der Schritt in die richtige Richtung. Aber mir fehlte der medizinische Aspekt.“ Als sich ihr dann letztlich die Chance bot, nun durchs Arbeitsamt gefördert die Altenpflegerinnen-Ausbildung zu machen, griff sie zu.

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Leicht war es nicht, da ist Astrid Möller ehrlich. Zum Beispiel in den Praxisphasen: „Zwölf Tage Dienst, zwei Tage frei, dann wieder zwölf Tage Dienst.“ Plus Vorbereitung auf den nächsten Theorie-Block in der Pflegeschule. „Zwischendurch denkt man, man schafft es nicht.“ Zumal sie als pflegende Angehörige auch daheim gefordert ist. Halt habe ihr in schwierigen Situationen immer das Team ihrer Pflegeschule Alfa in Gladbeck gegeben.

Frisch examinierte Pflegekraft: „Ich möchte etwas bewegen“

Auch körperlich ist der Pflegealltag eine Herausforderung, musste die 51-Jährige spüren. Sie strebt nun einen Job in einer Tagespflege an. Und will sich gleichzeitig politisch engagieren, zum Beispiel über die neu gewählte Pflegekammer. „Ich möchte gerne etwas bewegen.“

Aus ihrer – alles in allem langjährigen – Erfahrung im Pflegebereich bringt sie einige Ideen mit. So wüsste sie, eine der letzten ausgebildeten Altenpflegerinnen vor der Reform der Pflegeausbildung (siehe Infobox), die neuen Ausbildungsinhalte gerne noch einmal überarbeitet. Sie fürchtet, dass Inhalte aus der vorherigen Altenpflegeausbildung zu kurz kommen könnten. „Altenpflege bedeutet auch viel Sozialwissenschaft, sie brauchen das Zwischenmenschliche. Wir sind ein Stück Familie für die Menschen.“ Bei aller professionellen Distanz.

Die Bottroperin Astrid Möller mit ihrem sehr guten Zeugnis. „Ich bin stolz darauf.“
Die Bottroperin Astrid Möller mit ihrem sehr guten Zeugnis. „Ich bin stolz darauf.“ © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Grundsätzlich hätte Astrid Möller es zudem gerne, „dass auf Pflegekräfte besser geachtet wird“. Sprich: Zwölf Tage am Stück arbeiten zu müssen, das sei definitiv zu viel. „Die Pflegekräfte brauchen mehr Freizeit, um gute qualitative Arbeit leisten zu können.“ Sie beobachte Burnouts in der Branche, Frühverrentung, Selbstausbeutung aus Kollegialität. Wenn die Zeit fehle, sich für die Versorgung eines Patienten ein Hilfsmittel wie einen Lifter zu holen, gehe das am Ende auf die Knochen, nennt Möller ein Beispiel. „Die Pflegekräfte brennen aus – und haben keine Chance, den Tank wieder zu füllen.“

Bottroper Pflegekraft hat Agnes Karll als Vorbild

Der Personalmangel in der Pflege ist ein großes Thema. Für Astrid Möller aber auch der flexiblere Einsatz der Kräfte. Sie hat die Idee, dass „belastete Kolleginnen“ zum Beispiel im ambulanten Dienst eher die Pflegeplanung und das Medikamente stellen übernehmen könnten, „um die Kräfte, die rausgehen, zu entlasten“. Dass man in der ambulanten Pflege geradezu mit der Stoppuhr arbeiten müsse, weil es für jede Pflegehandlung eine genaue Zeitvorgabe gebe, empfindet die 51-Jährige als „gegen jede Menschenwürde“. Sie sei gerade dabei, all ihre Verbesserungsvorschläge zu verschriftlichen.

Dabei nimmt sie sich Agnes Karll (1868-1927) zum Vorbild, Reformerin und Gründerin des Pflege-Berufsverbandes. Diese setzte sich dafür ein, dass sich aus der kirchlichen Tätigkeit des Pflegens ein unabhängiger Beruf entwickelte. Und holte dazu Mitstreiterinnen mit ins Boot.

Das würde Astrid Möller heute, mehr als 100 Jahre später, auch gerne tun: Menschen aus der Pflege zusammenholen, die sich gemeinsam für Verbesserungen einsetzen. „Wir bündeln unser Wissen“, so die Vorstellung der Bottroperin. Mit geballten Vorschlägen soll es dann Richtung Politik gehen. Wer sie kontaktieren möchte, kann das per E-Mail tun: astridmoeller71@web.de

Generalistische Ausbildung seit 2020

Seit Januar 2020 werden in der Ausbildung zum Pflegefachmann/ zur Pflegefachfrau die Berufe der Altenpflege, der Kranken- und der Kinderkrankenpflege zusammengeführt. Das soll auch dazu beitragen, die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern.

Diese generalistische Ausbildung dauert drei Jahre. Es gibt Pflichteinsätze im Krankenhaus, im Pflegezentrum, beim ambulanten Pflegedienst, in der pädiatrischen sowie in der psychiatrischen Versorgung.

Im dritten Jahr kann die Ausbildung generalistisch fortgeführt werden hin zum EU-weit anerkannten Berufsabschluss Pflegefachfrau/Pflegefachmann. Oder man wählt einen Schwerpunkt und schließt mit Altenpfleger/Altenpflegerin bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in ab.

Info: www.pflegeausbildung.net