Bottrop. Die zehnte Frechdax-Preisverleihung glänzte in der Kulturkirche Heilig Kreuz mit bösen Pointen. Vieles drehte sich um die Ehe – aus gutem Grund.

Was für eine Nachricht: Mit plus 375 Tagen hat der Bottroper Frechdax einen neuen Höchststand erreicht und liegt jetzt bei 10 Jahren. Gleichzeitig sank gegenüber dem Vorjahr die Zahl der Besucher bei der Preisverleihung in der Kulturkirche Heilig Kreuz inflations-, äh Corona-Angst-bedingt um fast 50 Prozent. Aber wie befand schon der Essener Musik-Kabarettist Timm Beckmann angesichts gähnender Leere allerorten: „Halbvoll ist das neue Ausverkauft!“

Preisträger Rüdiger Höffken
Preisträger Rüdiger Höffken © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Noch so eine gute Nachricht: Der Ober-Frechdax und Gastgeber Benjamin Eisenberg, dessen akademischen Titel wir in Gedenken an den letztes Jahr posthum geehrten Doktor Stratmann mal geflissentlich unterschlagen, heiratet am heutigen Montag. Was sich in der Folge wie ein roter Faden durch den amüsanten Abend zog, in dem reichlich Scherze über den Ehestand für herzhafte Lacher des – sagen wir mal so – augenscheinlich in diesen Dingen erfahrenen Publikums sorgte.

Benjamin Eisenberg als gewohnt spitzzüngiger Gastgeber

Das bekam von dem gewohnt spitzzüngigen Eisenberg zunächst mit den Auswahlkriterien für den Frechdax serviert (mit dem Fazit: „Der Preis ist korrupt, aber transparent“). Und dann einen Schnelldurchgang zur Lage der Nation: „Die Schaufenster sollen dunkeln bleiben. Da machen in Bottrop auch viele mit, etwa das Karstadt-Gebäude.“ Klare Kiste, er spielte für die Galeri(a), belohnt von hämischem Gejohle seiner zumeist einheimischen Fans.

Denen der erste Preisträger, der selbstgenannte KiR (Kabarettist im Ruhestand) Rüdiger Höfken, prompt eine weitere Spitze beigab: „Ein Nachwuchspreis fürs Lebenswerk und dann auch noch in Bottrop …“ Fröhlich mit seinem Alter kokettierend – der Mann ist immerhin schon 57 –, plauderte der Krefelder (Wieder-) Schauspieler etwa über eine etwas verpeilte Autofahrt mit einem Neffen: „Habe ich also den Shell-Atlas rausgeholt. Sagt Felix: Krass, Onkel, Du hast Google Maps ausgedruckt!“ Gefolgt von jeder Menge pointierter Ehe-Dialoge der Art „Sie: Schmeckt’s? – Er: „Suchst Du Streit?“. Kam wohl mehr als einer im Kirchenschiff bekannt vor, wie die brüllenden Reaktionen zeigten. War aber auch wirklich witzig-spritzig.

Feine Selbstironie bei Liza Kos

Den reizvollen Kontrast dazu bot die neue Frechdax-in Liza Kos, die sich leicht unterkühlt in feiner Selbstironie über ihre russische Herkunft lustig machte – samt fettem Akzent: „Ich dachte, sei wichtig, zu intrigieren und können Sprache, und eines Tags ich sprach perfekt Türkisch.“ Eine wohlgesetzte Pointe – es kam aber noch deutlich härter, als sie über den Aachener Karneval plauderte, wo man sich ja verkleiden müsse. „Wollte ich nicht, nur gucken. Habe ich mich also auf russische Art chic gemacht. Sagt mein Freund: Wow, Du gehst als Nutte!“ Da wusste man endgültig, warum Liza Kos ein veritabler Frechdax ist.

Liza Kos bei der Verleihung des Kabarettpreises FrechDax in der Bottroper Kulturkirche.
Liza Kos bei der Verleihung des Kabarettpreises FrechDax in der Bottroper Kulturkirche. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Einige Bottroper Biere später genoss man schließlich den quirligen Wortwitz von Roberto Capitoni, der sprachgewaltig schwäbische Behäbigkeit mit italienischem Überschwang zu amüsanter Grandezza paarte. Da prallten die Klischees nur so aufeinander, nicht nur im Bett, wo feurige Amore mit einem orgiastischen „Soderle“ endete.

Drei würdige neue Preisträger des Bottroper Kabarett-Preises

Lebensweisheiten in Sachen Eheglück, das wir nun Benjamin Eisenberg wünschen, gab’s natürlich auch mit bösem Blick aufs gereifte Publikum: „70 ist das ideale Alter zum Kinderkriegen“, man müsse ja eh jede Nacht ein paarmal raus. Im tosenden Gelächter ging da doch fast Roberto Capitonis Hinweis an die Mütter unter: „Kann allerdings sein, dass man beide wickeln muss.“ Das war nicht frech, das hatte den Ruch von Wahrheit.

Zufriedenes Fazit nach dem ebenso abwechslungsreichen wie unterhaltsamen Frechdax-Jubiläum: drei würdige neue Preisträger und ein, vom mangelnden Publikum abgesehen, voller Erfolg für diese große Kleinkunst-Reihe.