Bottrop. Tageseltern fragen sich, wie sie explodierende Energiekosten bezahlen sollen. An Wärme kann bei der Kleinkinder-Betreuung nicht gespart werden.

Vor gut zehn Jahren hat Sarah Plagens ihren Traumberuf gefunden: Tagesmutter. Ohnehin in der Regel kein Job, um Reichtümer anzuhäufen. Angesichts der Inflation und der explodierenden Energiepreise kreisen nun die Gedanken: Wie hoch werden die Rechnungen am Ende sein? Werden die Rücklagen reichen? Dabei, sagt die Bottroperin, sei es schwierig, überhaupt etwas zurückzulegen, „weil am Ende des Monats nicht unbedingt etwas übrig bleibt“.

Die 31-Jährige hat selbst zwei Kinder, acht und zwölf Jahre alt. Momentan betreut die Alleinverdienerin in ihrer eigenen Wohnung zwei Kleinkinder im Vormittagsbereich, „sie sind beide ein Jahr alt“. Nachmittags hat sie außerdem regelmäßig zwei Geschwister da, vier und zwölf Jahre alt. „Sie sind schon von klein auf bei mir, sie gehören fast zur Familie“, erzählt Sarah Plagens. Für die U3-Kinder „bekomme ich 5,50 pro Stunde“, berichtet die erfahrene Tagesmutter. Abzüglich Steuern – Tageseltern sind Freiberufler.

Bottroper Tagesmutter: Kaum Einsparpotenziale beim Energieverbrauch

Frisch zu kochen, das gehört für die Tagesmutter einfach dazu. Der Einkauf wird spürbar teurer, aber noch hat Sarah Plagens die Verpflegungspauschale, die Eltern an sie zahlen, nicht erhöht. „Ich nehme 2,50 Euro pro Tag.“

Die Heizung einfach ordentlich runterdrehen? Funktioniert nicht bei der Betreuung kleiner Kinder.
Die Heizung einfach ordentlich runterdrehen? Funktioniert nicht bei der Betreuung kleiner Kinder. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Größer sind ihre Sorgen sowieso beim Thema Energie – und (fehlenden) Einsparpotenzialen in diesem Bereich. „Viele Leute sagen jetzt: Wir heizen die Wohnung nicht, wir wärmen uns mit einer Wolldecke. Aber ich bin gezwungen zu heizen – hier laufen kleine Kinder rum“, sagt sie mit einer Geste, die ihr mit viel Spielzeug und einem Reisebettchen ausgestattete Wohnzimmer umfasst. „Klar kann ich ihnen auch ein Strickjäckchen und dicke Socken anziehen. Aber ich will nicht, dass sie eine kalte Nase oder kalte Finger bekommen“, betont Sarah Plagens, die per Fernwärme heizt.

Zumal: Die Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen e.V., die übrigens schnellstmöglich eine finanzielle Entlastung für die Tagespflegestellen fordert, weist darauf hin, dass die Raumtemperatur laut Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung für Kleinkinder 21 bis 22 Grad betragen soll.

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Dazu kommt der Strom, der für so vieles benötigt wird: vom Kochen übers Aufladen von Spielgeräten bis hin zur Beleuchtung. „Ich merke es jetzt morgens schon. Ich fange um acht Uhr mit der Betreuung an und muss bereits alle Lichter einschalten. Und andere Tagesmütter betreuen Kinder schon ab 6 Uhr morgens!“ Müssen die Kinder gewaschen werden, „dann brause ich die Kinder ja nicht kalt ab“. Um die Nachmittags-Kinder am Kindergarten bzw. an der Schule abzuholen, nutze sie zudem ein E-Auto. So kommt eins zum anderen.

Entlastungsmaßnahmen sind bei der Tagesmutter noch nicht angekommen

Was auch immer an Entlastung von Gaspreis- über Strompreisbremse angekündigt sein mag – die Unsicherheit in der aktuellen Situation über drohende Nachzahlungen oder erhöhte Abschläge bleibt. Zumal sie von der Energiepreispauschale auch (noch) nicht profitiert habe, sagt Sarah Plagens. „Ich habe meinen Steuerberater dazu befragt.“ Demnach würden die 300 Euro über die Steuererklärung 2022 ausgezahlt werden. „Bis das Geld dann da ist, kann es dauern. Aber die Kosten fallen doch jetzt an.“

Zusätzliche finanzielle Hilfe vonseiten der Stadt Bottrop können Sarah Plagens und ihre Berufskolleginnen und -kollegen jedenfalls zunächst nicht erwarten. Laut Ursula Sommer, Abteilungsleiterin im Rathaus für den Bereich der Kindertagesbetreuung, ist es derzeit nicht vorgesehen, Sonderzahlungen an Tagespflegepersonen zu leisten.

Den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), der die Kindertagespflege in Bottrop organisiert, erreichen ob der aktuellen Situation durchaus besorgte Nachfragen von Tageseltern. Eine Art Aufschrei oder gar die Organisation einer Demo wie in Herne registriert SkF-Geschäftsführerin Uta Oppermann in Bottrop aber (noch) nicht.

An die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses erging indes eine anonyme E-Mail, in der sich „einige selbstständige Kindertagespflegepersonen“ in Bottrop „besorgt über unsere finanzielle und existenzielle Zukunft“ zeigen. Welche – oder auch wie viele – Personen dahinter stecken, ist unklar. Der Ausschuss wird sich aber in der nächsten Sitzung am 3. November damit befassen.

Zahlen und Fakten

Bei einer vollen Betreuungszeit von 45 Wochenstunden erhält eine Tagespflegeperson in Bottrop aktuell pro U-3-Kind 1090 Euro. „In der Regel betreuen Tagesmütter bis zu fünf Kinder“, sagt SkF-Geschäftsführerin Uta Oppermann. Zusätzlich zahle die Stadt 50 Prozent der Sozialversicherungskosten. Die Betriebskosten, zum Beispiel für angemietete, Räumlichkeiten tragen die Kindertagespflegepersonen selbst.

Laut SkF sind in Bottrop insgesamt 82 Kindertagespflegepersonen tätig, darunter 29 unter dem Dach der evangelischen Kirche und fünf Kinderfrauen. Letztere betreuen den Nachwuchs direkt in den Haushalten der Familien.

Die evangelische Kirche betreibt elf Großtagespflegestelle, dazu kommen fünf freie Großtagespflegestellen und zwei Einzelpersonen, die extra Räume angemietet haben. Oftmals werden die Kinder aber in den eigenen Räumen der Tageseltern betreut.