Bottrop. Beim Social Day haben Auszubildende aus fünf Bottroper Betrieben am Borsigweg angepackt. Was sie geschafft haben und was hinter dem Einsatz steht.

Ungewohnte Arbeit für Jan Hendrik Wickers und Christopher Lewandowski. Sie stehen in dem kleinen Raum eines Appartements am Borsigweg und streichen die Wände neu. Zum Alltag der beiden Auszubildenden der Kokerei Bottrop gehört das eigentlich nicht. Doch heute steht für die angehenden Chemikanten der soziale Einsatz auf dem Plan. Gemeinsam packen rund 40 Auszubildende aus fünf großen Bottroper IHK-Betrieben an, um rund um den Borsigweg etwas zu bewegen.

Neben Arcelor Mittal (Kokerei) Beteiligen sich die MC Bauchemie, die RRK Wellpappenfabrik und der Pumpenhersteller Seepex sowie der Hersteller von Formen für Schokolade, Agathon, an dem Projekt. Der Social Day – frei übersetzt „Sozialer Tag“ – wurde in der Initiative Industrie ins Leben gerufen und gemeinsam mit der IHK Nord Westfalen organisiert. Diesmal also der Einsatz am Borsigweg.

Wohnungen in so einem Zustand kennen die Azubis sonst nur aus dem TV

Für die beiden Kokerei-Azubis ging es dabei nicht nur ums Anstreichen. Zuvor musste die Wohnung auch entrümpelt werden. Und das hatte es wohl in sich. Oder wie es Jan Hendrik ausdrückt: „So etwas hatte ich bisher nur im Fernsehen gesehen.“ Es sei schon „krass“, so etwas mal in der Realität zu erleben und zu merken, dass die TV-Bilder da nicht übertreiben. Doch gemeinsam haben sie es geschafft, haben den Unrat entfernt, grob gereinigt und sorgen jetzt für frische helle Farbe an der Wand.

Die Kokerei-Azubis Christopher Lewandowski und Jan-Hendrik Wickers streichen eine Wohnung am Borsigweg.
Die Kokerei-Azubis Christopher Lewandowski und Jan-Hendrik Wickers streichen eine Wohnung am Borsigweg. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Was sagen sie zu dem Einsatz, der ja so ganz anders ist als der normale Arbeitsalltag? Es sei auf jeden Fall etwas anderes und es tue gut, so etwas zu machen. „Man hilft hier Menschen, die wirklich Hilfe brauchen“, sagt Jan Hendrik. Es sei gut, auch so etwas einmal wahrzunehmen, ergänzt Christopher.

Blick über den Tellerrand ist für die Azubis wichtig

Mit dem Borsigweg haben die wenigsten Azubis bisher zu tun gehabt. Im Gegenteil, als es hieß, dass die Aktion am Borsigweg stattfindet, seien sie sogar gewarnt worden, erinnert sich Aleya Yigit. Die 20-Jährige macht bei der RRK-Wellpappe eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Mit dem Bürojob hat der Einsatz am Borsigweg nichts zu tun. Tatsächlich gehe es auch darum, an so einem Tag mal über den Tellerrand hinauszuschauen, sagt Carsten Bähner, Ausbilder bei der Wellpappenfabrik. Schon vor Corona habe man sich regelmäßig am Social Day beteiligt, daher sei man nun wieder dabei, zumal es für die Azubis ein Gewinn sei, solche sozialen Projekte kennenzulernen.

Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen bringt Aleya den Spielplatz auf Vordermann. Der Sand wird ausgetauscht, dazu werden neue Spielgeräte aufgebaut, Kollege Ünsal Oruc steuert den Minibagger. Fällt die ungewohnte Arbeit schwer? Gar nicht, sagt die angehende Bürokauffrau und verweist auf die gute Anleitung. Denn auch der Fachbereich Umwelt und Grün engagiert sich an dem Tag mit viel Personal und technischer Unterstützung.

Junge Bewohner der Bottroper Siedlung freuen sich über erneuerten Spielplatz

Jan Spiller absolviert dort normalerweise seine Ausbildung. Doch diesmal ist sein Fachwissen gefragt, das er weitergibt. Dass er es diesmal ist, der den anderen etwas beibringen kann, freut ihn sehr. Zusätzlich ist ihm der Einsatz am Borsigweg ein besonderes Anliegen. Denn: „Freunde von mir haben hier früher gewohnt. Mich freut es, hier was Neues reinzubringen, gerade die Spielgeräte für die Kleinen.“ Und in der Gruppe von zwölf Leuten bekomme man auch richtig was geschafft. „Optisch sieht es hier schon ganz anders aus als noch vor vier Wochen.“

Und die jungen Bewohner der Siedlung können es auch kaum erwarten, den neuen Sand und die neuen Geräte endlich auszuprobieren. Kaum ziehen sich die Azubis zurück, erobern die Kinder ihren neu gestalteten Bereich zurück.

Für die Stadt Bottrop bringt der Azubi-Einsatz einen enormen Zeitgewinn

Als die Anfrage der IHK Nord Westfalen kam, den Social Day in Bottrop auszurichten, sei man schnell darauf gekommen, die Helfer am Borsigweg einzusetzen, sagt Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert. Sie verweist auf die Machbarkeitsstudie zum Borsigweg, Und der Social Day biete nun die Chance, viele Dinge, die dort aufgeführt sind, mit den verschiedenen Akteuren vor Ort anzustoßen. „Für uns ist das ein enormer Zeitgewinn“, freut sich die Dezernentin. Andernfalls hätten diese Arbeiten alle Schritt für Schritt nacheinander durchgeführt werden müssen.

Einzelne Arbeitsteams kümmern sich um die Grünflächen, Spielplätze und die Infrastruktur am Borsigweg Eine Gruppe bearbeitet das Gelände des Bolzplatzes.
Einzelne Arbeitsteams kümmern sich um die Grünflächen, Spielplätze und die Infrastruktur am Borsigweg Eine Gruppe bearbeitet das Gelände des Bolzplatzes. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

So aber wurden an einem Tag Wohnungen entrümpelt, Spielplätze aufgemöbelt, die Grünflächen auf Vordermann gebracht, Bänke und Hinweisschilder aufgestellt und erneuert worden – um nur einige der Maßnahmen zu nennen.

Verantwortung der Industrie endet nicht am Werkstor

„Außerdem ist das die Gelegenheit, dass Menschen, die den Borsigweg sonst wahrscheinlich nicht kennengelernt hätten, sich selbst ein Bild zu machen. So kann man vielleicht erkennen, dass es ein Areal ist mit Menschen, die Probleme haben aber Menschen hier eben auch zu Hause sind. Und dass die Gegend den Ruf, der ihr in Teilen noch anhaftet, nicht verdient hat“, sagt Karen Alexius-Eifert. Das glaubt übrigens auch Aleya, die die anfängliche Warnung im Nachhinein als etwas übertrieben empfindet.

Auch für die IHK Nord Westfalen und die Initiative Industrie ist der Tag ein Erfolg. Gehe es doch darum zu zeigen, was Industrie alles leisten könne, so Melanie Baum, Vorsitzende der Initiative Industrie Nord Westfalen. „Und weil es schwierig ist, unsere Produktion auf die Straße zu verlegen, gehen wir mit unseren Azubis, quasi der Zukunft hinaus.“ Es gehe darum, ein realistisches Bild der Industrie zu vermitteln, das sei vielfach nämlich noch falsch in den Köpfen der Menschen verankert, sagt Melanie Baum. Die Verantwortung ende eben nicht am Werkstor und das zeigten die Azubis hier eindrucksvoll. Zusätzlich sei so ein Social Day auch Werbung für die Duale Ausbildung in den Betrieben.