Bottrop. Auf einem ehemaligen Luftschutzbunker steht in Bottrop ein einzigartiges Wohnhaus. Zwei Bewohner haben uns exklusiv herumgeführt – die Einblicke.
Irgendwie ungewöhnlich sieht das Gebäude an der Hans-Sachs-Straße mit den Hausnummern 39 und 41 aus. Der Bau ist einzigartig in Bottrop. Denn das dreistöckige Wohnhaus ist vor 50 Jahren auf einem früheren Luftschutzbunker des Zweiten Weltkriegs erbaut worden. Überreste des Bunkers sind im Gebäude auch nach vielen Jahren noch sichtbar.
Der Rundgang mit Sabine Wißmann und Franz Convent startet auf dem Dach. Sie wohnt seit 2004, er seit 1995 im Haus. Treppe oder Aufzug? Die Wahl fällt auf die Treppe. Mehrere Dutzend Stufen führen hinauf. Zur Orientierung: Die Treppenhäuser mit Aufzug sind die beiden rechteckigen, vorangestellten Gebäude.
Wohnen auf dem Bunker: 24 Wohnungen zwischen 70 und 150 Quadratmetern
Das Dach bietet neben einer riesigen Fläche (900 Quadratmeter) einen herrlichen Ausblick. Aber Vorsicht, es gibt keine Geländer. Im Haus sind 24 Eigentumswohnungen. Sie reichen von schätzungsweise 70 bis 150 Quadratmeter. Wißmann und Convent machen keinen Hehl daraus, dass sie sich eine Photovoltaik-Anlage vorstellen können. Überlegungen und Planungen hat es schon gegeben. Es gibt aber eine schwierige Aufgabe, denn die anderen Eigentümer müssen von der Idee ebenfalls überzeugt werden.
Wenn man auf der Rückseite des Hauses an der Dachkante steht und schwindelfrei ist, kann man in die Tiefe blicken und den terrassenförmigen Bau erahnen. Je höher das Stockwerk, desto kleiner die Terrasse. Auf der anderen Dachseite ist das Hauptgebäude des Berufskollegs zu sehen, davor der Hans-Sachs-Platz.
Bottroper Haus auf dem Bunker hat bis zu vier Meter hohe Decken
Von oben geht’s anschließend nach unten. Wieder über die Treppe. Unten angekommen, wartet der Keller als nächster Punkt der Tour. Wenn man es genau nehmen will, ist das Erdgeschoss der Keller. Hinter einer dicken Tür zeigen sich dann die Spuren und Ausmaße des einstigen Bunkers. Bis zu vier Meter hohe Decken, dicke Kalksandsteine und tonnenweise verbauter Stahlbeton. An einigen Stellen bröckelt der Putz, verrosteter Bewehrungsstahl hängt von der mächtigen Decke.
Bottroper wohnen auf einem Luftschutzbunker
Die Hausgemeinschaft hat sich zum 50. Jubiläum schlau gemacht. „Der Bunker wurde nie offiziell als Kriegsbunker eingesetzt“, sagt Sabine Wißmann. Bis zum Umbau in ein Wohnhaus war er ein Schandfleck am Rande der Innenstadt. „Terrassenhaus ein Bottroper Novum“, titelte am 20. Oktober 1972 die WAZ. Der Bottroper Architekt Hans-Jürgen Kwasigroch entwarf das drei Millionen teuere Projekt. Träger war die Gemeinnützige Baugesellschaft Bottrop GmbH.
Nur ein Teil des Bunkers wird von der Hausgemeinschaft überhaupt genutzt und ist ausgebaut. „Wir haben reichlich Platz“, meint Franz Convent und geht voraus. Ein langer Flur verbindet die beiden Häuser miteinander. Entlang des Flurs befinden sich hinter den Türen die Abstellräume der Eigentümer. Auch hier dominieren Höhe und Größe. Wenn jemand von einem Dachboden spricht, weiß jeder sofort, was gemeint ist. Wenn Sabine Wißmann von Dachboden spricht, meint sie etwas anderes. Ihr Keller ist so hoch, dass dort noch eine zusätzliche Decke eingezogen wurde, den Raum darüber erreicht sie nur über eine Holztreppe.
Alter Bottroper Bunker: „Hier kann man schon mal verloren gehen“
Beim Rundgang zu Fuß kommen einige Meter zusammen. Sabine Wißmann scherzt: „Hier kann man schon mal verloren gehen.“ Über teils verwinkelte Wege steht man plötzlich in einem großen Raum, ausgestattet mit Kühlschrank, Tischen und Stühlen. An den Wänden hängen bunte Partygirlanden. Damit nicht genug. Von da aus führt ein Weg in einen weiteren Raum: in die Bunkerbar. Die Wände sind mit Holz verkleidet, der Boden ist gefliest. An alles ist gedacht. Theke, Hocker, Lampen, alkoholische Getränke, Musikanlage und unzählige Trinkgläser.
Doch damit immer noch nicht genug. Nebenan ist der nächste Raum. Wer sich zur Musik bewegen will, fühlt sich hier Zuhause. Willkommen im hauseigenen Tanzraum, inklusive Nebelmaschine und Spiegel. „Feten mit 40, 50 Personen sind kein Problem“, sagt Franz Convent. In diesen Räumen feiert die Hausgemeinschaft zu Weihnachten traditionell ein Fest. Ansonsten finden dort private Feiern der jeweiligen Eigentümer statt.
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Der Haupteingang zur Kellerbar ist eigentlich an einer anderen Stelle im Gebäude. Das Erste, was auffällt, über der Tür hängt eine ausrangierte „Ritter Pils“-Reklame, daneben eine „Stern-Pils“-Leuchte. Jeder weiß sofort, was hinter der Tür auf ihn wartet. Um die räumliche Dimension des Bunkers zu verstehen, reicht ein Blick auf die gegenüberliegende Wand. Auf einem Schild steht: „Zum WC. Immer gerade aus ca. 20 Meter.“
Bei der Besichtigung in Wohnungen auf dem Bunker verliebt
Wißmann und Convent haben sich einst bei der Besichtigung ins Gebäude und in ihre Wohnungen verliebt. „Es ist alles fußläufig erreichbar“, sagt sie. Dazu kommt eine Bushaltestelle direkt vor der Haustür an der Hans-Sachs-Straße. Er meint: „Die Lage hat mich überzeugt. Ich bin schnell zu Fuß im Stadtgarten oder in der Innenstadt.“ Denn die Einfahrt zur hauseigenen Tiefgarage befindet sich auf der Gerichtsstraße. Weitere Vorteile? Convent: „Fahrstuhl, großer Keller, riesige Terrasse und Bunkerbar.“
Zum Gebäudekomplex gehören noch ein Garten sowie ein kleiner Spielplatz mit Turngeräten. Im Sommer wurde das 50. Jubiläum groß gefeiert. Die Hausgemeinschaft ist eine Mischung aus jung und alt. Man versteht sich gut und hilft sich gegenseitig, wie Wißmann und Convent betonen – zum Beispiel in Pandemie-Zeiten. Corona-Infizierte in Quarantäne wurden unterstützt von den anderen Eigentümern mit Getränken, Lesestoff und Lebensmitteln.