Bottrop. Eine Bottroperin wirft dem Marienhospital „völlige Empathielosigkeit“ vor. Ihre Mutter ist gestorben, sie sei zu spät behandelt worden.

Der Tod ihrer Mutter – genauer die Begleitumstände im Krankenhaus – lassen einer WAZ-Leserin keine Ruhe. Anfang Juni ist die 75-Jährige im Bottroper Marienhospital gestorben. Vor allem der Umgang mit der Patientin, aber auch mit den Angehörigen versetzt sie nach wie vor in Rage.

Ihre Mutter sei Mitte Mai in Begleitung in die Notaufnahme gekommen. Der Grund: extreme Wassereinlagerungen und stark geschwollene Füße. Nachdem der Assistenzarzt sie geröntgt hatte, habe er sie nach Hause geschickt und eine Fußpflege empfohlen. Dabei sei der schlechte Allgemeinzustand der Mutter schon da offensichtlich gewesen. Sie habe unter starker Luftnot gelitten, zudem habe ein vierfacher Lendenwirbelbruch vorgelegen.

Bottroperin ist überzeugt: Krankenhaus hätte früher handeln müssen

All das hätte man im Krankenhaus wissen können, die Befunde hätten vorliegen müssen, schließlich sei ihre Mutter im April bereits dort behandelt worden. Stattdessen also wird sie nach Hause geschickt. Die Folge: Eine Woche später habe sich der Zustand der Mutter drastisch verschlechtert und der Notarzt hat sie ins Krankenhaus eingewiesen. Unter anderem hätten die Schwellungen aufgrund der Wassereinlagerungen stark zugenommen.

Im Marienhospital hätte man viel früher etwas tun müssen, so die Überzeugung der Tochter. So sei eine Woche ins Land gegangen, die vielleicht für die Behandlung wichtig gewesen wäre. Das habe ihr ein Arzt im Nachhinein sogar gesagt, berichtet die Tochter. Sie fühlt sich vom Krankenhaus getäuscht. Man habe die Familie nie über den wahren Gesundheitszustand der Mutter informiert, so der Vorwurf.

Mehrfach habe man versucht, Gespräche mit den Ärzten zu führen, um zu erfahren, wie es um die Mutter steht, wie das weitere Vorgehen aussieht. Doch: „Rückrufe wurden nicht wie abgesprochen getätigt, Ärzte waren patzig und wurden laut“, so schildert sie ihre Erfahrungen. Erst als sich ihr Cousin – der selbst Arzt ist – eingeschaltet habe, sei es etwas besser geworden.

Gegenüber der Familie sei nie von einem kritischen Zustand die Rede gewesen

Aber auch dann habe es immer noch geheißen, dass es der Mutter den Umständen entsprechend gut gehe. „Uns gegenüber wurde der Zustand nie als kritisch beschrieben“, sagt die trauernde Tochter.

Auch mit der Behandlung der 75-Jährigen ist die Tochter nicht einverstanden. An einem Tag sei die Mutter mit ihren Vorerkrankungen nach dem Waschen nackt auf dem Bett sitzengelassen worden – über zweieinhalb Stunden, so der Vorwurf der Tochter. Hinzu komme das Medizinische. Durch die extremen Wassereinlagerungen seien die Füße inzwischen blau gewesen, es hätten sich Wunden entwickelt, die lediglich mit einem Pflaster versehen worden seien. Die Aussage des Krankenhauses sei damals gewesen, dass es wichtiger sei, das Herz zu behandeln. Kurz darauf wurden dann doch Thromben am Knie entdeckt, eine OP wurde angesetzt. Die sei gut verlaufen, so die Mitteilung des Krankenhauses gegenüber der Familie.

Doch zwei Tage später habe sich dann ein Arzt gemeldet, die Mutter habe einen Blutdruckabfall gehabt und ein Nierenversagen und sei auf die Intensivstation verlegt worden. „Auf meine Nachfrage hin hieß es, der Zustand sei schlechter, aber nicht kritisch“, gibt die Bottroperin die Infos des Arztes wieder. Außerdem habe man versprochen, sie anzurufen, falls sich der Zustand verschlechtert. Es habe sich niemand gemeldet, dreimal habe die Familie von sich aus nachgefragt und bekam immer wieder zu hören, dass der Zustand der Mutter stabil sei.

Intubieren oder nicht? Angehörige fühlten sich unter Druck gesetzt

Nur eine halbe Stunde nach einer solchen Auskunft habe sich das Krankenhaus gemeldet und berichtet, dass die Mutter wiederbelebt werden musste. „Wir sollten schnell mit Coronatest kommen, weil sie wohl sterben würde. Und wenn wir noch mal mit dem behandelnden Arzt sprechen wollten, sollten wir uns sehr beeilen, weil dieser in einer halben Stunde Dienstschluss habe“, gibt sie das Gespräch wieder.

Im Krankenhaus hätten sie sich dann von der Mutter verabschiedet, im Anschluss hätten sofort drei Ärzte auf sie eingeredet, wollten wissen, was sie im Falle eines neuerlichen Herzstillstandes tun sollten. Ihnen sei abgeraten worden, die Mutter intubieren zu lassen, das könne sie nicht retten. Also habe man sich dagegen entschieden.

Trotzdem rief kurz darauf einer der Ärzte noch einmal an, berichtete von einem neuerlichen Herzstillstand und fragte erneut, ob man intubieren solle. „Ich sagte ihm, dass wir das doch gerade entschieden haben, aber er sagte nur, dass ich mich jetzt entscheiden müsse, da meine Mutter sonst sterben würde.“ Sie habe sich unter Druck gesetzt gefühlt, sei überfordert gewesen, also habe sie der Behandlung dann doch zugestimmt. Dennoch ist die Mutter gestorben.

Am Ende sei auch noch Schmuck der Verstorbenen verschwunden

Die Familie sei erneut ins Krankenhaus geeilt, war noch einmal bei der toten Mutter. Ein schwerer Gang, ihre Schwester sei zusammengebrochen, musste gestützt werden. In dem Moment habe eine Schwester dann gefragt, was mit dem Gebiss der Mutter geschehen soll. „Eine empathielosere Frage hätte man zu dem Zeitpunkt wohl nicht stellen können.“

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Nach vielen Anfragen sei es schließlich zu einem Gespräch mit dem Chefarzt der Kardiologie gekommen. „Bei dem Gespräch räumte er etliche Fehler in der Kommunikation ein, nannte unseren Fall eine Verkettung von sehr vielen unglücklich gelaufenen Umständen“, berichte die Bottroperin ihre Sicht des Gesprächs. Doch fachlich sei alles richtig gelaufen, so der Standpunkt des Arztes. Warum sich das Krankenhaus dann weigere, die Befunde der Mutter herauszugeben, kann die Familie nicht verstehen. Eigentlich habe man sie einsehen wollen.

Zu allem Überfluss ist auch noch Schmuck der Mutter, darunter der Ehering, im Krankenhaus weggekommen. Zunächst habe es geheißen, man wolle sich kümmern, den Schaden eventuell auch ersetzen. Am Ende wird auch das nichts, Patientenschmuck sei nicht versichert. Nur: „Meine Mutter hatte Wassereinlagerungen, der Körper war angeschwollen, wir konnten die Ringe gar nicht abnehmen.“

Krankenhaus berichtet von dokumentierten Gesprächen mit der Familie

Für die Bottroperin ist das zu viel. Die Familie wirft dem Krankenhaus „völlige Empathielosigkeit“ vor. „Es ist eine Frechheit, wie dort mit Patienten und deren Angehörigen umgegangen wird.“ Corona zum Trotz gehöre zur Pflege der Patienten auch die Kommunikation mit deren Angehörigen. Doch die habe die Familie als „grottig“ empfunden.

Beim Marienhospital hält man sich auf Anfrage der Lokalredaktion sehr zurück, beruft sich auf Datenschutz und Schweigepflicht in medizinischen Fragen. Es seien mehrfach Gespräche mit der Familie und auch der Tochter der Verstorbenen geführt worden. Diese seien auch dokumentiert worden. Unabhängig vom konkreten Fall gelte: „Selbstverständlich möchten wir nicht, dass sich ein Patient oder ein Angehöriger hier im Hause schlecht behandelt fühlt, es ist jedoch oft schwierig, jedem alles recht zu machen.“