Bottrop. Die Obermeisterin der Innung Bottrop/Gladbeck beklagt mit Blick gerade auf steigende Energiekosten: „Wir fallen aus allen Fördertöpfen raus.“
Fachkräftemangel schon seit Jahren, die Corona-Krise, explodierende Rohstoffpreise und unabsehbar steigende Energiekosten in Folge des Ukraine-Kriegs: „So viel los war in den Bäckereien schon lange nicht mehr“, sagt Egbert Streich, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, „sie haben Ärger an allen Fronten.“ Was Stefanie Sporkmann, Obermeisterin der Bäcker-Innung Bottrop/Gladbeck, in dieser Situation besonders ärgert: „Wir fallen aus allen Fördertöpfen raus.“
Kritik: Förderung für mittelständische Handwerksbetriebe fehlt
Sie verweist beispielhaft auf das Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP), angesiedelt beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Dieses Förderprogramm ermöglicht auf Antrag „temporäre Zuschüsse zu gestiegenen Erdgas- und Strompreisen in besonders betroffenen Branchen“, so steht es auf der Bafa-Internetseite. Die Liste der „Wirtschaftszweige mit einem erheblichen Risiko“ ist lang, beginnt bei Steinkohlenbergbau und Gewinnung von Erdgas, nennt unter anderem die Herstellung von Tapeten oder Klebstoffen. Frische Backwaren sind nicht dabei, kritisiert die Innungs-Obermeisterin.
Ein Sprecher des Bafa bestätigt das. Die EKPD-Richtlinie verlange die Zugehörigkeit der Unternehmen zu einer Wirtschaftsbranche, die im Rahmen der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen der EU-Kommission definiert sind. „Diese zeichnen sich dadurch aus, dass diese Branchen besonders energieintensiv sind und im internationalen Wettbewerb stehen.“
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Internationaler Wettbewerb, das gilt für örtliche Bäckereien wohl kaum. Aber genau hier sieht Egbert Streich einen Knackpunkt in der Förderungskonzeption: „Es gibt Hilfe für Privathaushalte, die diese auch bitternötig haben – und es gibt Hilfe für große Industriekonzerne. Für kleine mittelständische Handwerks- oder sonstige Unternehmen gibt es nichts.“
Bottroper Innungschefin: „80 Prozent der Bäckerei-Betriebe beheizen ihre Öfen mit Gas“
Dabei, so Innungschefin Stefanie Sporkmann: „80 Prozent der Bäckerei-Betriebe beheizen ihre Öfen mit Gas.“ Im eigenen Betrieb, der größten Bäckerei Bottrops mit Sitz in der Boy und insgesamt 13 Filialen, wurde erst kürzlich auf Gas umgestellt – angetrieben von dem Gedanken an den Klimaschutz und an Energieeffizienz. Jetzt habe man „eine Gaspreiserhöhung um weit über 50 Prozent“, sagt Sporkmann. „Ich kann das natürlich auf die Preise umlegen. Die Frage ist nur: Wann sind die Kunden nicht mehr bereit, das zu zahlen?“
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Egbert Streich bemerkt schon jetzt: „Ich kenne keinen Bäcker, der noch bei einem Brötchenpreis von 30 Cent ist. Der liegt in der Regel zwischen 35 und 38 Cent. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange nach meiner Einschätzung.“
Zumal ja die Rohstoffpreise noch dazu kommen: Der Ei-Preis habe sich fast verdoppelt, „Zucker ist fast nicht mehr bezahlbar und Schokolade ist ein Luxusgut. Da kann man sich fast besser Champagner als Schokolade gönnen“, verdeutlicht Stefanie Sporkmann.
Bäckerei-Betriebe ergreifen Maßnahmen zur Kostendämpfung
In der eigenen Backstube und den Filialen werden Maßnahmen ergriffen, um Kosten zu senken. „Es wird jetzt schon gezielt darauf geachtet, dass Backöfen und Klimaanlagen ausgeschaltet werden, sobald sie nicht gebraucht werden.“ Zudem werde versucht, die Touren der Fahrer von der Backstube zu den Filialen effizienter zu planen. Dazu gibt es Überlegungen, auf in der Herstellung besonders teure Produkte wie die Cremeschnitte ganz zu verzichten oder sie seltener anzubieten.
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An die Arbeitsplätze will man bei Sporkmann möglichst nicht gehen. „Wir haben aktuell rund 130 Leute beschäftigt, der Großteil kommt aus Bottrop.“ Sechs Stellen etwa sind gar aktuell noch offen, so dass bei der Besetzung der Filialen mit dem Personal schon jongliert werden müsse.
Kreishandwerkerschaft: Manche rüsten Öfen wieder auf Öl um
Egbert Streich kennt aus dem Gebiet der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West weitere Maßnahmen zur Betriebssicherung: „Manche rüsten ihre Öfen um, zurück auf Öl. Weil sie auch die Versorgungssicherheit haben wollen.“ Sollte es tatsächlich zu Abschaltungen im Bereich der Gasversorgung in Stadtvierteln kommen, dann sei der Versorger doch gar nicht in der Lage, den Bäcker als einzigen am Netz zu belassen, meint Streich.
Obermeisterin Stefanie Sporkmann zeichnet ein düsteres Bild: „Es wird jetzt schon davon ausgegangen, dass Ende des Jahres einige Bäckereibetriebe schließen müssen.“
Verbände appellieren an Abgeordnete
Vor dem Hintergrund der steigenden Kosten und der Inflation haben sich der Verband des Rheinischen Bäckerhandwerks und der Bäckerinnungs-Verband Westfalen-Lippe am Mittwoch gemeinsam an alle 410 Abgeordneten der demokratischen Parteien aus den Verbandsgebieten im Deutschen Bundestag, den Landtagen von NRW und Rheinland-Pfalz und dem Europäischen Parlament gewandt.
Dazu heißt es: „Wir fordern die Abgeordneten auf, sich für unsere Anliegen einzusetzen und die kritische Situation im Bäckerhandwerk wahrzunehmen und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit zu betrachten, den Kontakt zu den Innungsbäckerinnen und -bäckern vor Ort in ihrem lokalen Wahlkreis zu suchen, um sich ein authentisches Bild zu verschaffen, die gewonnenen Eindrücke in die politischen Prozesse in Berlin, Mainz, Düsseldorf und in Brüssel zu tragen.“