Bottrop-Kirchhellen. In seiner Sandgrube will das Kirchhellener Unternehmen tiefer graben als bisher erlaubt. Dagegen hat der Naturschutzbeirat sein Veto eingelegt.

2:9. Wäre das ein Fußballergebnis, würden die Sportreporter von einer Klatsche sprechen. Es war ein Abstimmungsergebnis im Naturschutzbeirat, das sich für den Antragsteller Stremmer Sand und Kies aber angefühlt hat wie eine Klatsche. Gegen die Empfehlung der Stadt hat der Beirat dem Unternehmen die Genehmigung verweigert, in der Sandgrube am Weseler Weg unterhalb der Grundwassergrenze Sand und Kies abzubauen.

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Damit hat die Politik dem Kirchhellener Unternehmen zum zweiten Mal einen Strich durch die Planung gemacht. 2016 hatten erst der Vorgänger des heutigen Beirats und danach Bezirksvertretung und Umweltausschuss die Zustimmung verweigert für die damals neue Sandgrube am Kletterpoth. Erst ein Jahr und mehrere Gutachten später bekam Stremmer grünes Licht für die Auskiesung. Damals war es allerdings die Umweltverwaltung, die „erhebliche Bedenken“ gegen den neuen Tagebau geltend gemacht hatte. Diesmal hatte Stremmer die Untere Naturschutzbehörde auf seiner Seite. Half aber wenig.

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Hat Bedenken gegen den Tagebau unter dem Grundwasserspiegel: SPD-Ratsherr Markus Kaufmann.
Hat Bedenken gegen den Tagebau unter dem Grundwasserspiegel: SPD-Ratsherr Markus Kaufmann. © FUNKE Foto Services | rank Oppitz

Darum geht’s im Kern: Um die neue Sandgrube am Weseler Weg vollständig abbauen zu können, will Stremmer das Grundwasser aus der Grube in den nahe gelegenen Zierothsee pumpen, wo das Wasser versickern und verdunsten kann. Dafür braucht das Unternehmen einen wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid mit einem sehr sperrigen Namen. Eben diese „Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans Bottrop“ hat der Beirat dem Unternehmen verweigert. Dabei brachte SPD-Ratsherr Markus Kaufmann neben Kritik an einzelnen Maßnahmen auch eine grundsätzliche Dimension ins Spiel: „Ich habe moralische Bedenken, so mit Wasser umzugehen.“ ÖDP-Bezirksvertreterin Elly Vaupel argumentierte ähnlich: „Ich mache mir Sorgen um den Bodenschatz Grundwasser in Kirchhellen.“

„Das Risiko von Eingriffen ist hier zu groß“

Schon im Vorfeld hat Kaufmann gegenüber der WAZ gegen den weiteren Abbau argumentiert. Ihn stört vor allem, dass im Umfeld des Tagebaus Anwohner ihr Trinkwasser aus Grundwasserbrunnen schöpfen. Ihm ist das Risiko von Eingriffen hier zu groß. Außerdem habe Stremmer aus Kaufmanns Sicht schon jetzt gegen Auflagen verstoßen. Das Unternehmen habe schon jetzt in zu großer Tiefe abgebaut und sei ans Grundwasser gelangt.

Zudem schade der Abbau angrenzenden Bäumen. Kaufmann verweist auf eine ganze Reihe alter Eichen Auf dem Espel. Tatsächlich gibt es in den Kronen viel Totholz, einige Äste sind auch schon rausgebrochen. Für Kaufmann, studierter Landschaftsarchitekt und auch Baumgutachter, ist die Ursache klar. Er verweist auf das aufgeschüttete Erdreich am Rande der Grube. Das drücke auf die Wurzeln, die könnten nicht mehr atmen, die Folge davon sei dort nun zu sehen.

„Eine negative Veränderung ist bisher nicht erkannt worden“

Stremmer-Geschäftsführer Lars Fiele widerspricht dem. Er verweist auf die ökologische Betriebsbegleitung (ÖBB) durch ein Ingenieurbüro. Das habe vor dem Abbaubeginn eine Bestandsaufnahme gemacht. „Eine negative Veränderung zum Ausgangszustand ist nach unserer Information durch die ÖBB bisher nicht erkannt worden.“

Auch die Bezirksregierung widerspricht der Vermutung, der Abbau habe bereits den Grundwasserspiegel erreicht. Die Wasserlachen, die Naturschützer im Juli bei Begehungen entdeckt hätten, stammten nicht aus dem Grundwasser, sondern seien Regenreste.

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Schonender Umgang mit Grundwasser ist seit Jahren ein wichtiges Thema für Rudolf Askemper, Vertreter des Landwirtschaftsverbandes WLV: „Ich sage schon seit vielen Jahren: Wir müssen Wasser in der Fläche halten. Aber gerade das ist doch hier beispielhaft gelöst: Das abgepumpte Wasser versickert doch gleich nebenan im Zierothsee wieder. Außerdem haben wir auch wegen des Tagebaus heute viel mehr Bäume in der Kirchheller Heide als vor 50 Jahren.“ Doch weder die Fürsprache aus Münster noch die aus Kirchhellen konnten die Bedenken einer Mehrheit der Beiratsmitglieder ausräumen.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Und jetzt? Ina Olejniczak vom Fachbereich Umwelt und Grün beschreibt das weitere Vorgehen. Sechs Wochen hat der Naturschutzbeirat Zeit, seine Bedenken zu formulieren. Dann werden sie gemeinsam mit dem Antrag dem Planungs- und Umweltausschuss vorgelegt, der in der Sache das letzte Wort hat. Der könnte sich dann allerdings erst am 11. November mit dem Thema befassen. Viel zu spät für Stremmer-Geschäftsführer Lars Fiele. Er hatte in der Sitzung gesagt, sein Unternehmen müsse eigentlich schon in den nächsten Tagen tiefer graben als bisher. „Wir brauchen jetzt eine schnellstmögliche Entscheidung der Politik.“