Bottrop. 1020 Bottroper Sechstklässler erhalten die Chance, als Nachwuchsartisten positive Erlebnisse zu sammeln. „Aufholen nach Corona“ macht’s möglich.
Es ist ein vertrautes Bild auf dem Donnerberg: Das blau-gelbe Ferienzirkus-Zelt der Familie Casselly thront auf dem Festplatz. Aber halt – die Ferien sind ja vorbei! Dass hier dennoch bis Mitte September Nachwuchsartisten, Jongleure, Clowns und Feuerspucker ausgebildet werden, ist einer Ausnahmesituation geschuldet. Denn durch das neue Zirkus-Projekt, organisiert von Schulressort und Bildungsbüro, sollen alle Bottroper Sechstklässler das nachholen können, was ihnen an gemeinsamen positiven Erlebnissen und Team-Erfahrungen durch die Corona-Pandemie entgangen ist. Dafür fließen aus dem Fördertopf „Aufholen nach Corona“ des Schulministeriums rund 80.000 Euro.
Josefine Grywna (12) aus der 6F der Willy-Brandt-Gesamtschule gehört zu den ersten Schülerinnen und Schülern, die von der erfahrenen Zirkusfamilie Casselly im zweitägigen Schnelldurchgang fit für die Manege gemacht werden. Anderthalb Tage Training für jeweils drei Klassen gleichzeitig, dann die Gala-Vorstellung vor Eltern und Freunden – das ist eine Herausforderung. Die die Sechstklässler, motiviert von den Cassellys, aber gerne annehmen. Josefine zum Beispiel erweist sich am Ende als mutige Akrobatin am Tuch.
Zirkus-Projekt in Bottrop: Am Ende ist ein Team zusammengewachsen
„Wir haben nach eineinhalb, zwei Tagen so viel gelernt, das hätte ich nie gedacht“, resümiert Josefine, die auch am Tag nach der Gala-Vorstellung noch Glitter im hochgesteckten Haar trägt. Sie erzählt, dass es durchaus Diskussionen in ihrer Workshop-Gruppe gab und mancher Ängste überwinden musste. Aber am Ende hat es vor allem gemeinsam Spaß gemacht – und dem Selbstbewusstsein einen Kick gegeben.
Birgit Daitschmann, Klassenlehrerin der 6F, konnte bei der Gala-Vorstellung ihrer Zöglinge nur staunen: „Ich war fassungslos, wie sie nach eineinhalb Tagen zu Feuerspuckern und Trapezkünstlern wurden.“ Innerhalb der Workshop-Gruppen würden sich die Klassen auch mischen, freut sich die Pädagogin. Ähnliches beobachtet Nicole Gottemeier vom koordinierenden regionalen Bildungsbüro: „Mich fasziniert das Team, das am Ende zusammengewachsen ist.“
Insgesamt profitieren rund 1020 Schülerinnen und Schüler aus neun weiterführenden Schulen von dem Angebot. „Es ist gelungen, einige Kinder von der Förderschule am Tetraeder einzubinden“, sagt Fachbereichsleiterin Nadine Granow-Keysers. Kinder mit Beeinträchtigungen aus Inklusionsklassen sind ja sowieso dabei. Zum Beispiel auch in der Tuch-Gruppe von Josefine. Sich zu trauen, bei der Nummer mitzumachen, „war ein Riesenschritt für ihn“, hat Nicole Gottemeier beobachtet.
Sozialdezernentin befürwortet solche Projekte im Sinne der Inklusion
Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert sieht darin eine Bestätigung, dass solche Projekte auch im Sinne der Inklusion wichtig sind und die Kinder davon profitieren. Sie zeigte sich beim Besuch auf dem Donnerberg beeindruckt, dankte den Organisatoren und Organisatorinnen und bemerkte: „Schön, dass wir die Mittel dafür haben.“
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Dass die sechsten Klassen fürs Mitmachen ausgewählt wurden, kommt nicht von ungefähr. Das ist ein Jahrgang, der während Corona von der vierten in die fünfte Klasse gewechselt ist. Doch: „Klassenfahrten sind ausgefallen“, so Granow-Keysers. Dazu kam der Anfang in einer neuen Schule ohne die Möglichkeit, sich in außerschulischen Veranstaltungen besser kennenzulernen.
„Corona-gebeutelt“ nennt auch Lehrerin Birgit Daitschmann diesen Jahrgang. Zudem hatte sie im Vorfeld festgestellt: „Einige Kinder hatten noch nie einen Zirkus besucht.“
Insgesamt läuft das Zirkus-Projekt über fünf Wochen. Beim Aufbau des Zeltes haben auch Helfer der Freiwilligen Feuerwehr, vom THW und aus dem Rathaus mit angepackt.
Lernrückstände aufholen
Das Zirkusprojekt ist nur ein Baustein unter der Überschrift „Aufholen nach Corona“. So gibt es weitere Förderungen, Projekte und extra Personal an den Bottroper Schulen zum klassischen Aufholen von Lernrückständen.
Unter anderem wurden auch hunderte Bildungsgutscheine an Schülerinnen und Schüler vergeben, mit denen sie Nachhilfe bei außerschulischen Bildungsanbietern buchen können.