Bottrop. Nach langer Coronapause und Dirigentenwechsel trat der Städtische Musikverein in Bottrops Kammerkonzertsaal auf. Programm in kleiner Besetzung.
Erst zaghaft kehren die Bottroper Chöre zurück aufs Podium. Den Städtischen Musikverein hat die Corona-Zwangspause vielleicht noch stärker getroffen, als andere Ensembles in der Stadt. Denn vor über zwei Jahren ging mit einem ebenso prachtvollen wie groß besetzten Mendelssohn-Programm nicht nur die Ära von Friedrich Storfinger als Chorleiter zu Ende. Es folgte auch eine 18 Monate dauernde Dirigenten-Vakanz bis Ludger Köller im vergangenen Sommer sein Amt als sechster Chorleiter des mittlerweile seit 104 Jahren bestehenden städtischen Konzertchores antreten konnte.
Jetzt trat der Musikverein - in Kammerchorbesetzung - erstmals wieder auf. Im Kammerkonzertsaal des Kulturzentrums präsentierte er sich unter Ludger Köller gleichsam mit einem romantischen „best of“ aus dem Volksliederwerk von Mendelssohn, Schumann und Brahms.
Aus dessen Zigeunerliederzyklus op. 103 bildeten fünf der insgesamt elf Lieder zusammen mit Schumanns Zigeunerleben den Kern des Programms. Bei diesen musikalischen Miniaturen für kleine Besetzung mit Klavierbegleitung sind Transparenz und „Durchhörbarkeit“ der Stimmen natürlich ein Muss. Die glasklare, direkte Akustik des Kammerkonzertsaales erfordert dabei zusätzlich hohe Konzentration. Jeder kleine Wackler, jede noch so kleine Intonationstrübung oder rhythmische Ungenauigkeit fördert der Raum zutage. Dieser Saal kennt Gnade des Nachhalls, kein samtiges Weichzeichnen.
Folkwang-Dozent setzt am Flügel virtuose Akzente
Schienen die 24 Sängerinnen und Sänger bei Brahms’ Volksliedern für Vorsänger und Chor noch etwas mit dem Raum zu fremdeln, so verbanden sich spätestens bei Schumanns vielgestaltigem Zigeunerleben zu schöner Gesamtinterpretation von Solo- und Tuttipassagen mit feinen dynamischen Abstufungen, von Thomas Schäfer am hauseigenen Bösendorfer stets souverän wie einfühlsam begleitet. Qualitäten, die den Essener Folkwang-Dozenten auch solistisch adelten, etwa bei drei der Mendelssohn’schen „Lieder ohne Worte“ oder Chopins H-Dur-Nocturne. Einen wahren Klangkosmos vom empfindsamer Sanglichkeit verbunden mit technischer Brillanz entfaltete Schäfer aber bei Chopins bekanntem Fantasie-Impromptu op. 66. Das leitete zugleich ins Repertoire des 20. Jahrhundert hinüber. Zu der kleinen aber anspruchsvollen Komposition „Nightingale“ („Nachtigall“) des 1951 geborenen Amerikaners Jay Althouse mit origineller Klavierbegleitung und „For the Beauty of the Earth“ des englischen Chormusikkomponisten par excellence, John Rutter.
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Zwischen prägnanter Rhythmik und den flächig angelegten Chorpassagen zeigte sich der Musikverein ganz in seinem Element, setzte trotz kleiner Besetzung ganz auf den voluminösen großflächigen Klang und die vielschichtige Harmonik, die für Rutters Chorwerke so charakteristisch sind. Ein schöner Auftakt einer neuen Zeit des Musikvereins. Jetzt darf man gespannt sein auf die nächsten orchesterbegleiteten Chor- und Oratorienwerke, die seit langem zu den Markenzeichen dieses städtischen Bottroper Chores gehörten.
Der Chor - Der Dirigent
Der Städtische Musikverein Bottrop wurde bereits 1918 gegründet. Seither führt er regelmäßig große zumeist orchesterbegleitete Chorwerke aus Klassik, Romantik bis zur Gegenwart auf.Seit Sommer 2021 ist Ludger Köller der sechste Dirigent in der Chorgeschichte. 15 Jahre lang leitete er das Männerquartett 1881, ist musikalischer Leiter der Bottroper Chortage und Chordirektor in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände.Proben des Musikvereins sind freitags von 20 bis 22 Uhr in der Aula der Cyriakusschule an der Böckenhoffstraße. Kontakt: musikverein-bottrop.de.