Bottrop. Beim letzten Konzert des Musikvereins unter Friedrich Storfinger erklang auch Mendelssohns 2. Sinfonie „Lobgesang“. Ein prächtiger Schlussakkord.
Mendelssohn pur - das war das Programm des letzten Auftritts des Städtischen Musikvereins unter seinem langjährigen Leiter Friedrich Storfinger. Es war ein Abschiedskonzert, das aber in der Liebfrauenkirche zugleich noch einmal die derzeitige Leistungsfähigkeit des Chores in seinen zahlreichen Facetten unter Beweis stellte.
So beispielsweise in den drei Motetten op. 30, denen sich die Frauenstimmen des Musikvereins differenziert und mit zuweilen beinahe sphärischem Klang näherten. Nur begleitet von Wolfgang Schwering an der historischen Postill-Orgel, einem kleinen, romantisch-weichtönenden Instrument fast aus der Entstehungszeit der Kompositionen, formten die Sängerinnen zarte Tongewebe. Dabei scheinen zuweilen auch Elemente klösterlicher Stundenliturgie auf, schrieb Mendelssohn diese Werke doch für einen römischen Nonnenkonvent. Vor allem das vielleicht anspruchsvollste der drei Stücke, das „Surrexit pastor bonus“, das zwischen alter Kirchenmusiktradition und romantischem Geist der Entstehungszeit schwingt, geriet in seiner Vielgestaltigkeit zum Kabinettstück.
Durch die Nacht zum Licht
Hauptwerk des Abends war jedoch die 2. Sinfonie Mendelssohns mit dem Beinamen „Lobgesang“. Geschrieben 1840 als üppiges Werk angesiedelt zwischen Sinfonie und Kantate für die Leipziger Feiern zum 400. Jahrestag der Erfindung des Buchdrucks zeigt sich neben dem Lob Gottes in dem immer wiederkehrenden Thema „Alles was Odem hat lobe den Herrn“ der Weg durch die Nacht zum Licht, der Finsternis vor der Erfindung des Buchdrucks bis hin zur Erleuchtung durch das (gedruckte) Wort.
Dieses musikalische Frage-und-Anwort-Spiel zwischen Solisten, Chor und vor allem auch dem exzellent disponierten Folkwang Kammerorchester Essen, dem langjährigen Partner des Musikvereins, zeigte Friedrich Storfinger in einer ebenso dramatischen wie in ihren Feinheiten durchhörbaren Interpretation. In der einleitenden dreisätzigen Sinfonia setzte er bereits im einleitenden Maestoso auf zügige Tempi, formte das Allegretto zu einem pastoralen schwingenden Idyll. Das Adagio religioso prägten akzentuierte Bläsereinsätze und innige Streicherlinien. Überhaupt traf das motivierte große Orchester den Mendelssohn-Ton zwischen flirrender Leichtigkeit und vorwagnerischer Dramatik der großen (Bläser-)Geste.
Der Chor fand im Laufe des Abends zu immer größerer Homogenität. Voluminös in den Tutti-Passagen, zart-biegsam im Piano, hat sich der Musikverein noch einmal einer großen Chorprüfung gestellt - und bestanden. Sopranistin Judith Hoff und Esther Borghorst (Mezzo) lieferten sich im Duett „Ich harrete des Herrn“ mit dem Chor einen musikalischen Wettstreit, bei dem sich Stimmfarbe und -charakter ideal ergänzten. Den dramatischsten unter den Solistenparts hat allerdings der Tenor. Jörg Nitschke - der bereits kurz zuvor noch mit dem Gladbecker Propsteichor in Mendelssohns „Elias“ in der Nachbarstadt zu hören war, war von „Doppelbelastung“ nichts anzumerken.
Bereits sein Solo „Er zählet unter Tränen“ war geprägt von guter Textverständlichkeit, einer schlanken Gesangslinie und dabei durchaus einer Prise opernhafter „Italianità“. Mit Verve stürzte er sich in die „Stricke des Todes“ und die dramatische Frage „Hüter, ist die Nacht bald hin?“, deren Antwort „Die Nacht ist vergangen“ der Musikverein kontrastreich wie klangschön herausarbeitete, um gleich darauf wie selig in den a-capella-Choral „Nun danket alle Gott“ überzuleiten. Ein würdiger und musikalisch kraftvoll gestalteter Abschied eines Dirigenten nach drei Jahrzehnten Chorarbeit.