Bottrop. Reparieren statt wegschmeißen – das gilt im Reparaturcafé Eigen. Dort geht’s nach langer Coronapause wieder los und die Helfer haben viel zu tun.
Plötzlich dröhnt Mireille Mathieus Stimme durch den Raum. Weil sie so plötzlich und so laut einsetzt, zucken einige der Menschen hier zusammen. Dabei ist das eigentlich ein gutes Zeichen, bedeutet es doch, dass es Thomas Neumann gelungen ist, das alte Grundig-Tonbandgerät aus den 1960er-Jahren wiederzubeleben. Materialermüdung hat dem Gerät zugesetzt und weil es keine Ersatzteile mehr gibt, muss Thomas Neumann improvisieren – und greift zum Isolierband.
Er isoliert das abgebrochene Teil gut ab, verbindet die Kabel wieder und hofft, dass er genug schützendes Band genutzt hat, damit es im Inneren des alten Schätzchens keinen Kurzschluss gibt. Und Mireille Mathieu gibt ihm das entsprechende Erfolgserlebnis. Dabei ist Thomas Neumann eigentlich gelernter Uhrmacher. Das Schrauben an alter Unterhaltungselektronik hat er sich selbst beigebracht.
Nach langer Coronapause hat das Bottroper Reparaturcafé nun wieder geöffnet
Und damit ist er im Reparaturcafé auf dem Eigen ein gefragter Mann. Denn immer wieder kommen hier Besucher vorbei, haben alte Plattenspieler oder andere Geräte dabei und hoffen, dass sie hier repariert werden können. Nach der langen Coronapause hat das Café in der Awo-Begegnungsstätte an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße jetzt erstmal wieder geöffnet.
Zehn „Reparateure“ – so werden die Helfer hier genannt – sitzen an ihren Tischen. Es ist der Nachhaltigkeitsgedanke, der auch eine Rolle spielt, wenigstens der Versuch, erst zu reparieren, bevor etwas weggeworfen wird.
Im Schnitt werden 25 bis 30 Reparaturen angenommen pro Termin
Auch ich war im Keller, habe einen alten CD-Player herausgeholt. Die Schublade für die silbernen Scheiben schließt nicht mehr richtig. Ich melde mich an, notiere auf einem Zettel, mit was für einem Gerät ich hier bin und welcher Fehler auftritt. Der wird dann an eine Magnetwand gepappt. Ich werde aufgerufen, wenn einer der Reparateure sich meines CD-Spielers annimmt, und habe Glück, zum Auftakt nach der langen Pause seien noch nicht so viele Besucher da, sagt Organisatorin Heike Puchenberg. „Im Schnitt kommen wir sonst auf 25 bis 30 Reparaturen.“ Eine Warnung gibt sie mir außerdem mit auf den Weg: „CD-Player sind bei unseren Reparateuren nicht beliebt.“
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Doch die haben im Moment noch genug zu tun. Vor sich haben sie Bügeleisen, Küchenmaschinen, Akkuschrauber, Kabeltrommeln oder Verstärker, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind kaputt. Klar, eine Garantie, dass die ehrenamtlichen Helfer die Geräte wieder ans Laufen kriegen, gibt es nicht. Aber einen Versuch ist es wert. Margret Meyer hat ihre Dampfbügelstation mitgebracht. Sie macht nicht mehr das, was sie soll, fabriziert keinen Dampf mehr.
Die Dampfbügelstation für 300 Euro wirft man doch nicht so einfach weg
„Das Gerät hat 300 Euro gekostet, das wirft man doch so einfach nicht weg.“ Aber wo man so etwas reparieren lassen könne, das wisse sie inzwischen auch nicht mehr. Und so geht es vielen hier: Sie vermissen entsprechende Angebote für kleine Elektrogeräte, wollen aber nicht alles sofort wegwerfen. Also der Versuch im Reparaturcafé. Wolfgang Böhmer hat auch schon eine These. Seine Vermutung: Leitung verstopft. Sprich, das Wasser kommt aus dem Tank gar nicht erst da an, wo der Dampf erzeugt wird.
Am Tisch daneben kämpft Norbert Konegen mit – oder besser gegen – einen widerspenstigen Staubsauger. Bei dem Vorwerkmodell dreht sich unten in der Düse eine Bürste und reinigt so gründlich Teppiche und Böden – eigentlich. In dem Fall aber tut sich gar nichts, die Bürste steht. Allein das Auseinandernehmen der Düse ist ein Akt. Doch es muss sein. Konegen will wissen, ob hier an dem Motor überhaupt Strom ankommt. Er vermutet eine unterbrochene Stromzufuhr – Kabelbruch.
Bottroper Helfer haben handwerkliches Geschick
Fehlanzeige, die Messung zeigt: Strom fließt. Also schaut sich der gelernte KFZ-Elektromeister den Motor an. Der scheint stärker in Mitleidenschaft gezogen, womöglich gab es einen Kurzschluss. Damit ist dann aber auch hier Schluss. Solche Reparaturen können im Café nicht durchgeführt werden. Der Staubsaugerbesitzer muss sich nun also entscheiden. Investiert er in einen neuen Motor oder hat das Gerät es nun endgültig hinter sich?
So weit ist es am Nebentisch mit der Dampfbügelstation noch nicht. Zwar hat Wolfgang Böhmer hier auch den Reparaturversuch aufgegeben, doch erst einmal nur vorläufig. Er packt das Gerät ein und tüftelt zu Hause weiter. Kurz vor der Pandemie ist er zum Team des Reparaturcafés gestoßen. Mitgebracht hat er handwerkliches Geschick und den Wunsch, der Wegwerfgesellschaft zumindest etwas entgegenzusetzen. Außerdem hat er einen wichtigen Vorteil: „Mein Neffe arbeitet in dem Bereich, der bringt mir immer wieder was bei.“
CD-Player leistet hartnäckigen Widerstand – Reparatur ist gescheitert
Und weil er jetzt frei ist, bekommt er von den Organisatoren meinen CD-Player auf den Tisch gestellt. Er nimmt die Herausforderung an, dreht das Gerät um und schimpft über die „12.000 Schrauben“, die erst einmal gelöst werden müssen, um dann hoffentlich das Unter- vom Oberteil trennen zu können. Gut, streng genommen sind es nur zwölf Schrauben, die Wolfgang Böhmer lösen muss. Doch dann leistet das Gerät Widerstand. Ober- und Unterteil lassen sich partout nicht trennen, zu viel Kraft will der Reparateur auch nicht einsetzen, sonst knackt das Plastik.
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Also schiebt er Schraubenzieher zwischen die beiden Teile, schafft so wenigstens einen Spalt, um hineinzuschauen – und findet auch den Fehler. Die Zahnräder der CD-Schublade sind irgendwie übergesprungen, daher blockiert nun eine Nut das endgültige Zufahren der Schublade. Reparieren kann er es in dem Fall und unter diesen Umständen nicht. Also wandert das gute Stück wieder in meinen Keller, vielleicht versuche ich mich selbst irgendwann mal daran – ich muss ja nicht so rücksichtsvoll vorgehen. Und eins noch: Sollte ich gar erfolgreich sein, wird nicht Mireille Mathieu erklingen.
Freiwillige Helfer sind immer gesucht
Das Reparaturcafé auf dem Eigen gibt es schon seit 2016. Die Helfer dort arbeiten ehrenamtlich, die Reparaturen sind kostenlos. Kleine Spenden, etwa um Material zu beschaffen, werden jedoch gern angenommen. Außerdem werden immer auch Helfer gesucht, sagt Heike Puchenberg. Insgesamt engagieren sich hier rund 25 Helfer in der Küchen-, der Orga-Gruppe und als Reparateure.
Wer mitmachen möchte, der können einfach beim nächsten Termin vorbeikommen, dann werde man den Interessenten alles zeigen. So mache man das schon immer. „Und wenn wir Glück haben, dann bleiben dabei Helfer hängen.“
Das Reparaturcafé findet immer am ersten Freitag des Monats von 17 bis 19 Uhr in der Awo-Begegnungsstätte Eigen, Ernst-Moritz-Arndt-Straße 7-9, statt. Der nächste Termin ist Freitag, 1. Juli.