Bottrop-Kirchhellen. Wo es jahrelang nur Stippvisiten gab, hat sich jetzt wohl der Weißstorch angesiedelt. Die Nisthilfen in Bottrop-Grafenwald standen lange leer.
„Da brat mir einer einen Storch“ – dieser Ausruf der Verwunderung hat dieser Tage in Grafenwald durchaus seine Berechtigung. Denn das bereits vor längerer Zeit errichtete und seither leerstehende Storchenplateau im Bereich Heimersfeld und Schäferweg ist inzwischen bewohnt – und zwar genau mit der Spezies, für die es einst errichtet worden ist. Der Storch ist zurück in Grafenwald, in Kirchhellen. Wo er zuletzt immer nur Stippvisiten absolviert, hat sich Adebar offensichtlich nun häuslich niedergelassen.
Auch interessant
Anwohner und ornithologisch Interessierte machten bereits Beweisfotos. Wenn es wirklich ein nistendes Storchenpaar wäre, käme das nämlich einer Premiere gleich. „Ich bin 2004 in dieses Revier gekommen“, sagt Markus Herber. Aber seither habe es keine brütenden Störche gegeben und auch vor seiner Zeit hätte sich der Weißstorch, um den es hier gehe, lange nicht niedergelassen, so der Förster von Wald & Holz NRW. Er ist für die Kirchhellener und Bottroper Gebiete zuständig, die nicht von seinem Kollegen Werner Meemken vom Regionalverband Ruhr betreut werden.
Kirchhellen bietet wohl ein ausreichendes Nahrungsangebot für die Vögel
Von dem anscheinend bewohnten Nest hört Markus Herber jetzt auch zum ersten Mal. Aber: „Vor ein paar Tagen habe ich Störche in Kirchhellen gesehen und die flogen auch übers Feld in Richtung Grafenwald, also: Unmöglich ist nichts und wenn es ein Nest mit Gelege oder vielleicht sogar schon Nachwuchs gäbe, dann wäre es natürlich wunderbar.“
Die Zeit spricht auf jeden Fall dafür. Mitte Ende Mai sei das Bebrüten schon fortgeschritten, die ersten Storchenpaare könnten sogar durchaus schon Nachwuchs haben, der gefüttert werden müsse. Und das sei in Kirchhellen kein Problem. Feuchte Wiesen, Tümpel und Seen seien einfach ideal Futterplätze für den Weißstorch, ist Herber sich sicher.
Auch Rolf Fricke vom Nabu gibt sich zuversichtlich, was das Nahrungsangebot für Störche im Kirchhellener Bereich angeht. „Vor allem die nördliche Region und Richtung Flugplatz ist Storchenland.“ Klar: Grafenwald gehöre dann dazu, ebenso wie das feuchte Gebiet an der Dringenburg oder die renaturierten Gebiete rund um die Boye. „Was viele nicht wissen: Störche können unheimlich gut riechen, die riechen förmlich, wenn zum Beispiel ein Acker bearbeitet wird und wissen: Dann kommt was Gutes zum Fressen zum Vorschein.“ Denn es ist nicht nur der allseits bekannte Frosch, auch Würmer und anderes Getier landet auf Adebars Speisekarte.
Und Geduld und Ausdauer zahlen sich aus. Das sagt auch der WAZ-Fotograf, als sich nach längerer Wartezeit der Storch – wahrscheinlicher sogar eine Störchin – nicht nur lässig über den Nestrand beugt, sondern sich in ganzer Pracht aufrichtet und zum Abflug bereitmacht. Ein herrlicher Anblick. Zum Glück ist das Teleobjektiv gleich griffbereit, denn gerade ist auch der zweite Storch im Anflug. „Wachablösung durch den Ehemann“, vermutet unser geduldiger Fotograf.
Spaziergänger und Hundehalter sollten dem Nistplatz nicht zu nahe kommen
Womit wir allerdings gleich beim Tierschutz wären. Besorgte Anwohner und vor allem auch Rolf Fricke und Markus Herber wäre es lieber, wenn die Nachricht von der Rückkehr des Storchs gar nicht „an die große Glocke“ gehängt würde. Storchentourismus und vor allem Spaziergänger mit Hunden wären in dieser Situation eher kontraproduktiv, sagt der Förster. Das sei beim Storch nicht anders als bei allen Wildtieren zu dieser Jahreszeit, die sich um ihren Nachwuchs kümmern. Das wäre dann ungefähr so, als würde sich nicht nur die ganze Verwandtschaft, sondern auch noch die halbe Nachbarschaft und wer sonst noch alles durch den Kreißsaal schieben. Dringende Bitte der Fachleute: Bitte Ruhe und Abstand halten.
Auch interessant
Warum Grafenwald auf einmal wieder Nistgebiet geworden ist, kann auch etwas mit ganz natürlicher Zunahme der Storchenpopulation zu tun haben. So vermutete Tobias Rautenberg vor einiger Zeit: „Wenn es am Niederrhein oder in den angrenzenden Gebieten von Hervest oder Schermbeck zu voll wird, könnten die Weißstörche sich auch in Kirchhellen ansiedeln und vor allem dort nisten“, so der Diplom-Biogeograf, der sich bei der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet (BSWR) vor allem auch der Bestandsaufnahme von Vögeln widmet. Immerhin zeigt die aktuelle Situation, dass der Weißstorch inzwischen auch siedlungstechnisch keinen Bogen mehr um Kirchhellen macht – und nicht nur Stippvisiten gibt.
Förster und Nabu: Tiere bitte nicht stören
Der Nabu, aber auch Förster Markus Herber bitten Spaziergänger und Neugierige, die Störche möglichst nicht zu stören.
Dazu gehört, einen guten Abstand zum Nistplatz zu halten und vor allem auf Lärm zu verzichten. Klappern sollten in diesen Wochen dort höchstens die Störche.