Bottrop. Zu viel Bürokratie, anreizlos, von oben herab: Der Bund erschwert laut Innovation City die Klimawende. Wie Bottrop beweist, dass es besser geht.

Nur die in Bottrop praktizierte Energiewende von unten ist nach Ansicht von Innovation-City-Geschäftsführer Burkhard Drescher langfristig ein erfolgversprechender Weg zur Unabhängigkeit bei der Energieversorgung. Steigende Gaspreise und Androhungen von Lieferstopps wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine erschwerten die Energieversorgung massiv. „Um unabhängig von Gaslieferungen aus Russland zu sein, muss der Bund sich energieautark aufstellen. Das funktioniert nicht von oben, sondern nur, wenn man unten ansetzt“, betont Drescher.

Der Klimawandel und die drastisch gestiegenen Energiepreise hätten auch schon vor dem Krieg einen Kurswechsel in der Energiepolitik auslösen müssen, der Bund lege dem aber Steine in den Weg. Es fehlten Anreize für Bürger wie Kommunen, und es mangele an der Kopplung von Energiequellen. Das alles behindere die Energiewende sehr, bedauert Drescher. Dabei hätte das Bottroper Klimaschutzmodellprojekt bewiesen, dass es möglich sei, die Energieversorgung dezentral sicherzustellen. So seien in Bottrop der CO2-Ausstoß in zehn Jahren halbiert und erneuerbare Energien stark ausgebaut worden.

Energieberater helfen Bottropern durch den Bürokratiedschungel

Inzwischen sei die Innovation-City-Management-Gesellschaft nach dem Bottroper Vorbild in über 30 Städten in NRW aktiv. Hauptakteure der Energiewende seien die Bürgerinnen und Bürger. Der Bund müsse sie in die Lage versetzen, erneuerbare Energie selbst zu erzeugen und durch Gebäudemodernisierungen Energie einzusparen. „Leider gibt es einen riesigen Bürokratiedschungel, wenn es um Zuschüsse zur Gebäudesanierung oder den Ausbau erneuerbarer Energien geht“, berichtet der ICM-Chef.

Solarstrom ist nicht nur auf den Dächern zu gewinnen: Am Innovation-City-Zukunftshaus von Vivawest am Ostring versorgt eine Solarwand die Mieterinnen und Mieter mit Strom aus Sonnenkraft.
Solarstrom ist nicht nur auf den Dächern zu gewinnen: Am Innovation-City-Zukunftshaus von Vivawest am Ostring versorgt eine Solarwand die Mieterinnen und Mieter mit Strom aus Sonnenkraft. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

„Welche Anträge muss ich stellen, welche Fördermittel gibt es und welche Lösungen machen für mich Sinn? Diese Fragen beantwortet kein Konzept aus Berlin, sondern Energieberater:innen vor Ort“, sagte Drescher. So konnten die Bürger mit Hilfe der Innovation-City-Berater die größte Photovoltaikdichte pro Kopf im Vergleich zu allen NRW-Großstädten erzielen. Noch immer werde der Ausbau erneuerbarer Energien aber behindert. „Beispielsweise kann Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage aktuell nur eingespeist und nicht an den Nachbarn verkauft werden. Hier besteht Handlungsbedarf“, sagte Drescher.

Stadt Bottrop fördert Solarenergie-Nutzung mit Zuschüssen

Hier gibt es Ratschläge

Die Energieberater der Innovation-City-Managementgesellschaft (ICM) bleiben auch nach dem Ende des Klimaschutzmodellprojektes in Bottrop aktiv. Seit Anfang 2021 haben sich nach Innovation-City-Angaben rund 300 Besitzerinnen und Besitzer dabei beraten lassen, wie sie ihre Häuser und Wohnungen energetisch modernisieren können.

„Interessenten können sich jederzeit telefonisch bei uns melden und einen Termin zur Beratung vereinbaren“, erklärt ICM-Sprecherin Hannah Lenkeit. Kontakt: 02041/723 06 50, Internet: www.icm.de/kontakt, E-Mail:

Mit der Sanierung privater Gebäude lasse sich massiv Energie einsparen. „Wir liegen aber bundesweit nur bei einer energetischen Modernisierungsrate von unter einem Prozent. Hier wird deutlich, dass der zentralistische Denkansatz bei der Energiewende nicht funktioniert“, erklärte Drescher. Denn während die von Wohngebäuden ausgehenden CO2-Emissionen im Bund von 2010 bis 2020 nur um 19 Prozent zurückgingen, waren es in Bottrop 47 Prozent.

Die Innovation-City-Manager arbeiteten eng mit einem Pool von Handwerksbetrieben zusammen. Hier nahm Installateur Dirk Smid eine der ersten stromerzeugenden Heizungen mit Brennstoffzelle in Bottrop in Betrieb.
Die Innovation-City-Manager arbeiteten eng mit einem Pool von Handwerksbetrieben zusammen. Hier nahm Installateur Dirk Smid eine der ersten stromerzeugenden Heizungen mit Brennstoffzelle in Bottrop in Betrieb. © Winfried Labus/WAZ-FotoPool | Winfried Labus

Die Stadt unterstütze die Bürger außerdem jedes Jahr mit neuen Geldern aus einer Solaroffensive. Neben den einzelnen Besitzern von Häusern und Wohnungen beteiligten sich auch Wohnungsunternehmen und die in Bottrop ansässigen Betriebe an der Energiewende. Während der CO2-Ausstoß in der Industrie und Arbeitswelt auf Bundesebene zwischen 2009 und 2020 nur um 5,3 Prozent gesunken sei, waren es in Bottrop gut 56 Prozent.

Solarstrom vom Dach fürs eigene Elektroauto

Der Innovation-City-Geschäftsführer sieht Handlungsbedarf in der Gesetzgebung, um Hindernisse beim Ausbau erneuerbarer Energien zu beseitigen. „Die finanzielle Beteiligung von Kommunen an Wind- und Photovoltaik-Freiflächenanlagen ist nicht verpflichtend“, bedauert der Geschäftsführer. Außerdem müsse die Energieversorgung besser kombiniert werden. Drescher: „Wer das Auto mit Strom vom eigenen Dach tankt, ist unabhängig von steigenden Benzinpreisen und entlastet sein Portemonnaie. Es müssen verschiedene Energiequellen gleichzeitig erschlossen und intelligent vernetzt werden.“