Bottrop. Der Anteil der Jägerinnen steigt stetig. Katrin Kusenberg jagt seit der Jugend, sie erzählt vom Naturerlebnis und dem Bewusstsein für Fleisch.
Als Katrin Kusenberg vor 37 Jahren ihren Jagdschein macht, ist sie die einzige Frau im Kurs. Noch dazu jung, gerade mal 16 Jahre alt, in einer Riege voller Männer. „Das war grauenvoll“, sagt die heute 53-Jährige. Heute hat sich der Trend gewandelt, immer mehr Frauen gehen zur Jagd, innerhalb der Jägerschaft sei das völlig normal geworden. „Das hat sich grundlegend geändert.“
Laut dem deutschen Jagdverband steigt der Anteil der Frauen in den Jagdschulen von 20 auf 28 Prozent, vor zwei Jahren meldete der Verband, dass sieben Prozent aller rund 400.000 Jäger in Deutschland Frauen seien – vor 25 Jahren war es nur jede Hundertste.
Jagd in Bottrop: „Ein Drittel der angehenden Jäger ist weiblich“
Auch in Bottrop ist dieser Trend deutlich zu spüren, wie Bernhard Riesener, Vorsitzender der hiesigen Kreisjägerschaft berichtet. „Bei den angehenden Jägern ist etwa ein Drittel weiblich“, so Riesener. Beim Bestand sei es weniger, denn in der älteren Generation war es noch nicht üblich, als Frau den Jagdschein zu machen.
So wie Katrin Kusenberg in den 80er-Jahren. Ihr Vater war Jäger, nahm sie schon als Kind mit in den Wald. Zum Weihnachten, als sie 15 Jahre alt war, schenkte er ihr den Jagdschein. Als Schülerin sei es ihr leichter gefallen, das straffe Programm zu bewältigen, von Herbst bis Frühjahr Wildtierkunde, Wildkrankheiten, Jagdhunde, Waffenkunde, Land- und Waldbau sowie Schießen zu lernen.
Erst nutzt sie ihren Schein nur selten. „Ich bin gerne rausgegangen, habe aber nicht aktiv gejagt.“ Über ihre Hunde, damals Labradore aus der Arbeitslinie, sei sie wieder zur Jagd gekommen. 2011 findet ihr Mann ein Revier in der Eifel, das sie gemeinsam mit ihm betreut.
Aufgaben der Jäger: Abschusspläne und Haften für Wildschäden
Was vielen nicht bewusst ist: Jägerin zu sein, ein Revier zu haben, bedeutet nicht nur, Tiere zu schießen. Es gilt, das Areal zu pflegen, die Population der Tiere zu beobachten und zu regulieren, den Abschussplan einzuhalten. Und auch für Schäden aufzukommen: Durchwühlt ein Wildschwein beispielsweise Ackerboden des Bauers, ist der Jäger dafür verantwortlich – und muss den Ernteausfall und die Wiederherstellung des Bodens bezahlen.
Alle zwei bis drei Wochen fährt Katrin Kusenberg, die als Grafikerin auf Zeche Zollverein arbeitet, mit ihrem Mann und manchmal auch mit ihrem Sohn Max (18) übers Wochenende ins Revier in die Eifel, eine gemütliche Holzhütte haben sie im Wald, gehen von dort aus auf die Jagd. „Man fühlt sich schnell verbunden mit dem Stück Land“, sagt Katrin Kusenberg.
Auch ihrem Sohn hat sie das Jagen von klein auf nähergebracht. Während andere Kinder kaum wussten, dass das Stück Fleisch auf ihrem Teller von einem Tier abstammt, war es für Max völlig normal, dass ein Tier mit Respekt getötet, ausgenommen, zerlegt und zu Essen verarbeitet wird. „Es ist wichtig zu wissen, dass da ein Lebewesen hintersteckt, das man wertschätzen sollte“, sagt seine Mutter.
Bewusstsein für Lebensmittel bringt viele Frauen zur Jagd
Dieses Bewusstsein für Lebensmittel sieht sie auch als einen der Hauptgründe dafür, dass grundsätzlich die Zahl der Jäger seit Jahren kontinuierlich steigt und dass immer mehr Frauen zu dieser Berufung finden. Das erlebt auch Heike Kettmann, die bei der Bottroper Kreisjägerschaft die Jagdhundeausbildung leitet. „Es gibt viele Frauen, die ein nachhaltiges Lebensmittel haben wollen.“ Acht von zehn ihrer Kursteilnehmer seien weiblich. Und auch Bernhard Riesener sagt: „Gerade bei den Frauen gibt es ein großes Interesse an Bio-Fleisch. Sie wollen das verwerten und auf dem Tisch haben, was sie selbst erlegt haben.“
Katrin Kusenberg und ihr Mann haben das Glück, im Dorf nebenan einen Zerlegebetrieb zu haben, der ihnen das erlegte Tier in verschiedenen Formen unter EU-Richtlinien aufbereitet: Nicht nur Steak und Braten gibt es dann vom Wildschwein, Reh oder Hirsch, sondern auch Würstchen, das Hackfleisch für die Bolognese oder die Patties für den Burger.
Vorbehalte und Anfeindungen gegenüber Jägern
Und die Vorbehalte gegenüber Frauen bei der Jagd, gibt es sie gar nicht mehr? In der Jägerschaft kaum, sagt Katrin Kusenberg, doch „manche Menschen finden es komisch, wenn ich ihnen sage, dass ich jage“. Und da seien auch noch die Jagdgegner, weswegen Katrin Kusenberg froh ist, in der einsamen Eifel und nicht im dicht bevölkerten Ruhrgebiet erkennbar als Jägerin unterwegs zu sein. Hier passiere es häufiger, dass in den Dreck auf der Motorhaube „Mörder“ geschmiert oder ein Hochsitz angesägt wird.
Angst verspüre sie nicht alleine im Wald. „Das ist es gefährlicher, nachts alleine als Frau durch die Stadt zu laufen.“ Lediglich an die Geräusche des nächtlichen Forstes müsse man sich erst einmal gewöhnen. Zum Beispiel an den Dachs, der in der Ranzzeit schreit wie ein kleines Kind. „Wenn man das zum ersten Mal hört, will man die Polizei rufen“, erzählt ihr Mann Sven Kusenberg. Oder das Reh, das schreckend flüchtet, wird schnell auch zum Schreckmoment für den Menschen.
Irgendwann aber fühle man sich damit wohl. „Ich genieße es sehr, in die Natur zu kommen“, sagt die Jägerin. „Anzusitzen und ins Grüne zu schauen: Es gibt keinen schöneren Abend als draußen.“