Bottrop. Hilde Kubek hat Feiertagsdienst auf der Intensivstation im Knappschaftskrankenhaus Bottrop. Von Pflichten, Emotionen, Covid-19 und der Impffrage.

Weihnachten verbringt Hilde Kubek (60) mit der Familie. An Heiligabend mit Verwandten im kleinen Kreis. Und am zweiten Feiertag im Spätdienst mit Kollegen, die wie eine Ersatz-Familie sind. „Wir haben in der Kanzel dekoriert und bringen Leckereien mit“, erzählt die Bottroperin. „Wenn wir Glück haben, kommen wir auch dazu, die zu essen. . .“ Ihr Arbeitsplatz ist die Intensivstation des Knappschaftskrankenhauses. (ITS) Und dort geht es an Weihnachten wie an jedem anderen Tag um die fordernde Pflege und Versorgung der schwerst kranken Patienten. Um Leben und Tod.

Weihnachten auf der ITS: Personal arbeitet in ganz normaler Besetzung

„Die Feiertage und Weihnachtsdienste sind eigentlich identisch mit jedem anderen Tag“, sagt die stellvertretende Leiterin der ITS. Mit der Ausnahme vielleicht, dass das OP-Programm dann runtergefahren sei und nur Notfälle operiert und versorgt würden. „Aber wir haben an diesen Tagen eine ganz normale Besetzung.“ Oft geht die Tür auf und der Notarzt kommt mit einem Patienten, denn „Notfälle kennen keine Feiertage“. Jede Pflegefachkraft versorge zwei bis drei Patienten; die Schicht ist in der Regel eng getaktet.

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Von der Grundpflege, der Verabreichung von Medikamenten, dem Monitoring über die Mobilisation selbst beatmeter Patienten per Lift bis hin zur Überwachung und Bedienung der Geräte, von denen die Kranken abhängig sind, reichen die Aufgaben. „Manchmal ist eine Eins-zu-Eins-Betreuung nötig, wenn ein Patient zum Beispiel eine Lungenersatztherapie erhält“, sagt die erfahrene Pflegerin.

Die Anzahl der Patienten auf der Intensivstation kann sich minütlich ändern

Auch die Versorgung der teils beatmeten und sedierten Corona-Patienten im isolierten Bereich ist extremst aufwändig. „Die Pflegekräfte kommen manchmal drei Stunden lang nicht aus dem Zimmer heraus.“ Das ist zum einen anstrengend für die Pflegekraft selbst - und bindet zum anderen viel Personal auf der ITS.

Hilde Kubek begleitet zudem die rund einstündige Visite, bei der auch entschieden wird, wie viele Patienten insgesamt auf der Intensivstation zu behandeln sind. Das kann sich minütlich ändern; immer muss mit Notfällen gerechnet werden, die zu den Patienten hinzu kommen, die nach einer schweren OP auf der ITS liegen. Kurz vor Weihnachten zum Beispiel war es sehr voll auf der Intensivstation mit ihren insgesamt 22 Betten plus einem Notfallbett. „Im Covid-Bereich sind noch Betten frei, ansonsten ist die Station voll“, sagte Hilde Kubek zu Beginn der Weihnachtswoche. Allein an jenem Morgen waren drei Notfälle reingekommen, ungeplant.

Gleichzeitig wurden drei Covid-19-Patienten behandelt und zwei von ihnen invasiv beatmet, inklusive aufwändig zu handhabender Bauchlage. „Bis vor kurzem hatten wir noch einen Patienten an der Ecmo“, das heißt, bei ihm war das extrakorporale Lungenersatzverfahren zum Einsatz gekommen. Dabei wird das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versorgt und Kohlendioxid herausgefiltert. „Dieser Patient ist aber leider verstorben.“

Im Einsatz auf der ITS des Knappschaftskrankenhauses Bottrop (v. li.): Chefarzt Dr. Guido Trenn, Stephan Morrosch, Dr. Johannes Ammon und Pflegerin Silke Nawrocki.
Im Einsatz auf der ITS des Knappschaftskrankenhauses Bottrop (v. li.): Chefarzt Dr. Guido Trenn, Stephan Morrosch, Dr. Johannes Ammon und Pflegerin Silke Nawrocki. © KKH

Viele der Corona-Schwerkranken sind ungeimpft oder haben Vorerkrankungen

Bis vor wenigen Wochen, erzählt Hilde Kubek, waren viele der Corona-Schwerkranken ungeimpft. „Jetzt sehen wir auch welche, die schon geimpft sind, aber dann haben sie Vorerkrankungen.“ Sie hat schon erlebt, dass Angehörige ein ungeimpftes Familienmitglied an Covid-19 verloren haben – und sich selbst dennoch nicht immunisieren lassen wollen. „Das ist für mich absolut unverständlich.“

Am Anfang habe sie noch versucht zu erfragen, welche Gründe und Ängste hinter der Ablehnung einer Impfung stecken und versucht aufzuklären. Mittlerweile glaubt sie: „Wer das bis jetzt nicht verstanden hat, mit dem brauche ich auch nicht zu diskutieren. Das tut mir nur weh und ich rege mich nur auf. Dann ist das eben so.“

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Der Umgang mit Angehörigen und die Zuwendung zum Patienten, der oft Ängste aussteht, hilflos ist, gehören für Hilde Kubek und ihre Kollegen zentral mit zum Job. „Manchmal hat man zu wenig Zeit, um den Patienten Aufmerksamkeit zu schenken“, bedauert Hilde Kubek.

Hygieneregeln lassen tröstende Gesten auf der Intensivstation nicht zu

Vor allem aber fehlt durch die Corona-Pandemie samt notwendiger Hygienebestimmungen der körperliche Kontakt. Die Distanz und dass sie auch die Angehörigen nicht mit einer Berührung trösten können, macht Hilde Kubek und ihren Kollegen zu schaffen. Immerhin: Derzeit sind Besuche auf der Station möglich, unter Vorlage eines Testes sowie unter Aufsicht in kleinem Rahmen.

Corona hat Spuren hinterlassen

Auf der Intensivstation des Knappschaftskrankenhauses Bottrop arbeiten 59 Pflegekräfte in drei Schichten. Die meisten haben eine Fachweiterbildung für den Intensivbereich. Das ITS-Team ist zudem zuständig für das Notfallmanagement im Haus.

Fast alle seien schon mit einer Corona-Auffrischungsimpfung versorgt, erzählt Hilde Kubek als stellvertretende Stationsleiterin. Zweimal in der Woche macht das ITS-Personal zudem einen PCR-Test.

Das Pflegepersonal trägt zudem stets FFP2-Masken und im Covid-Bereich volle Schutzausrüstung. Die vergangenen Pandemie-Monate haben bei allen ihre Spuren hinterlassen, berichtet auch Christa Hermes, Pflegedirektorin am KKH. „Corona bringt alle an ihre Grenzen.“

Sind Angehörige und Patienten denn rund um Weihnachten besonders emotional? „Wenn die Patienten schon länger hier liegen, ist das für viele nicht so schlimm.“ Klar, wenn Patienten sprechen können, würden sie schonmal davon erzählen, wo sie Weihnachten eigentlich verbringen würden. „Seit Corona sind aber alle dankbar, dass Angehörige zu Besuch reinkommen dürfen.“

Was aber ganz schlimm sei für die Familien: Wenn ein Angehöriger zu Weihnachten verstirbt. „Das ist eben doch eine besondere Zeit.“

Wenn ein Patient verstirbt, geht es trotz langer Berufserfahrung nahe

Auch ihr selbst, obgleich 42 Jahre im Job und davon 39 Jahre auf der ITS, geht der Tod von Patienten oft noch nah. „Wenn hier die Tür zugeht, habe ich oft damit noch nicht abgeschlossen. Manche nehme ich mit nach Hause.“ Gerade, wenn es noch jüngere Patienten waren.

Aber es gibt eben so viele dieser Erlebnisse, hoffentlich auch gerade zu den Feiertagen: „Ein Patient hat mich heute gefragt: Wissen Sie, warum die Ärzte mich morgens immer anlächeln? Weil ich es geschafft habe!“ Und bei dem Gedanken an diese nach vielen Komplikationen kaum noch erwartete Genesung lächelt auch Hilde Kubek.