Bottrop. Nach der Corona-Zwangspause ist die 46. Jahresausstellung Bottroper Künstler ab morgen geöffnet. Zu sehen sind 72 Arbeiten aus 34 Ateliers.

Nach der Corona-Zwangspause im vergangenen Jahr zeigt die Moderne Galerie im Museum Quadrat ab Sonntag wieder eine Jahresausstellung Bottroper Künstler. Und wieder ist die mittlerweile 46. Ausgabe dieses Formates eine Leistungsschau quer durch die unterschiedlichen Ansätze und Positionen von in der Stadt geborenen, hier lebenenden oder arbeitenden Kunstschaffenden. Eine echte Premiere (und sicher auch ein Kraftakt) war die Auswahl aus insgesamt 260 Werken von 76 Künstlerinnen und Künstlern durch die beinahe komplett neue Jury.

Neue Jury hatte nun erstmals die Qual der Wahl bei 260 eingereichten Arbeiten

Dort hatten sich nun die Kulturausschussvorsitzende Andrea Swoboda, deren Stellvertreter Harald Sieger und Kämmerer und Kulturdezernent Jochen Brunnhofer intensiv mit den eingereichten Arbeiten auseinandergesetzt. Von der künstlerischen Seite kam Evelina Velkaite dazu. Die in Bottrop lebende gebürtige Litauerin wurde bereits im vergangenen Jahr für die Einzelausstellung im Kabinett ausgewählt. So kannte einzig Ulrike Growe als stellvertretende Museumsleiterin das Prozedere und freute sich über neue Sichtweisen im Gutachterzirkel.

Für den Bereich Fotografie steht auch die Arbeit „Gifts“, eine Ansicht aus Rotterdam, von Christina Kleinheins. Neben der Übermacht der eingereichten Malerei gelang es der neuen Jury, die Bottroper Fotografie dennoch gut zu positionieren.
Für den Bereich Fotografie steht auch die Arbeit „Gifts“, eine Ansicht aus Rotterdam, von Christina Kleinheins. Neben der Übermacht der eingereichten Malerei gelang es der neuen Jury, die Bottroper Fotografie dennoch gut zu positionieren. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Aus der fast erdrückenden Übermacht seitens der eingereichten Malerei hat sich die Jury nun zu einem Extrakt entschieden und so auch im Bereich Fotografie starke Akzente setzen können. Neben den auch über Bottrop hinaus bekannten Lokalmatadoren wie Wolfgang Fröhling (hier: drei Beispiele aus der Welheimer Mark aus seiner großen Serie „Doppelhaushälften“), Angelika Schilling oder Petra Lamers, sind zwei eindrucksvolle Arbeiten von Roland Göhre (entstanden an der Küste Nordfrankreichs) zu sehen.

Helga Brunes vierteilige Serie mit Blicken aus Fenstern der Düsseldorfer Kunstakademie oder Christina Kleinheins’ ungewöhnliche Ansichten aus Rotterdam („Hotel“; „Gifts“) zeigen ebenso wie zwei Arbeiten von Hans Dau („Gräserwiese am Freitagshof“; „Tulpen“) einen sicheren Blick für Ausschnitt, Dichte, Atmosphäre.

Unübersehbar, so wie Ulrike Int-Veens abstrakt-luftig daherkommende großformatige Malerei, sind auch Birgit Feikes Knüpfarbeiten aus rot-weißem Flatterband, die wie fragile Skulpturen von der Decke herabzuschweben scheinen. Sie gehören zu ihrer Serie „Grenzflächen“, mit der sie schon im Sommer in der Fußgängerzone Gedanken- oder Grenzräume markierte.

In Bottrops Moderner Galerie trifft der Dandy auf Covid-19

Oft war es nur eine Arbeit von mehreren, die die Jury letztlich überzeugte. Zum Beispiel das Aquarell „Klimafolgen – verbrannte Erde“, das am Treppenabgang zum Gartenparterre der Galerie ins Auge fällt. „Mein Lieblingsbild und sehr gut gearbeitet“, sagt Evelina Velkaite über das kleine Format, das so gar nichts Idyllisches hat, das der Gattung gerne anhaftet.

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Unter den nun 76 Arbeiten von 34 Kunstschaffenden fallen der große „Dandy“ von Jaroslaw Raczynski ebenso ins Auge, wie zwei markante Industrielandschaften von Reinhard Wieczorek. In deren Nachbarschaft behaupten sich sowohl Agnes Fockenbergs Mixed-Media-Arbeiten „Covid-19“ und „Aus Grau mach Grün“ aber auch Barbara Schmuchals kleinteilige Insekten-Collage „Schützenswert“.

Als einziger Beitrag aus diesem Bereich markiert Gereon Krebbers gar nicht so große, dennoch raumgreifende Skulptur Löplas, eine mehrteilige Arbeit aus verformtem Kunststoff, Stahl oder Pflastersteinen schon den Übergang vom Gartenparterre des Museums in den nahen Skulpturenpark.

>>> Indische Reise – eine Bottroperin in Varanasi

Figuren wimmeln in ihren Bildern. Vor allem die Großformate zeigen pralles Leben – in der den Hindus heiligen Stadt Varanesi an Indiens gleichfalls heiligem Fluss, dem Ganges. Dorthin hatte es die gebürtige Litauerin Evelina Velkaite (geb. 1982), die schon lange in Bottrop lebt, für einige Zeit gezogen. Dort beobachtete sie das Leben, vor allem auch den Umgang mit dem Tod, die Feuerbestattung, das Einstreuen der Asche in den Ganges.

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In starker Farbigkeit, fast mystischem Licht, lässt sie die Betrachter teilhaben an diesen Zeremonien, die sie mit ihrem Vorder- und Hintergrund fast wie in einem Bühnenbild darstellt. Fast unwirkliche Blau- und Violetttöne, starke Licht- und Schatteneffekte prägen die Szenerie der Bilder, die von ferne an die Klassische Moderne zu erinnern scheinen, aber durch und durch eigenständig daherkommen.

Neben den prallen Szenerien zeigt Velkaite einige Hochformate mit stark konturierten Figuren, die wie aus den Großformaten herangezoomt wirken – aber völlig ruhig, fast gelassen erscheinen. Daneben stellt sie abstrakte, farbgesättigte Arbeiten, in denen, ähnlich wie bei den Flussszenen, eine Homogenität der Farbgebung vorherrscht. Bei näherem Hinsehen sind Details wie Übermalungen und eine subtile Mehrschichtigkeit zu entdecken, die auch denen gegenstandslosen Arbeiten innere Lebendigkeit und Dynamik verleihen. Im nächsten Jahr ist die Einzelausstellung der Fotografin Petra Lamers gewidmet.

Zu sehen ist die Jahresausstellung in der Modernen Galerie im Museum Quadrat vom 28. November bis 9. Januar. Anni-Albers-Platz 1, 46236 Bottrop. Eintritt frei. Info: quadrat.bottrop.de.