Bottrop. Angelika Schilling erhält den Kulturpreis. Nach Anfängen in der VHS schafften ihre Fotografien es bis Venedig oder in Düsseldorfs Kunstpalast.
Am Anfang waren Blumenbilder, Yachten oder das blaue Mittelmeer auf den Fotos von Angelika Schilling zu sehen. Gut 20 Jahre und zahllose Ausstellungen später will die neue Kulturpreisträgerin der Stadt diese, bereits handwerklich gut gemachten, Anfänge nicht vergessen. Aber lange schon hat sie ihrer Arbeit das hinzugefügt, was man Tiefenschärfe nennen möchte. Oder einen weniger unbefangnen, dafür aber kritischen Blick auf Welt und Mensch.
Wer ihre Fotografien der Eisberge in der Arktis („Arctic Art“) oder von versandeten Waschbecken oder Brunnen in Namibia („African Art“) betrachtet, stellt fest: Angelika Schilling setzt sich schon lange - bevor es „Fridays for Future“ überhaupt gab - mit Klimawandel und dessen Folgen auseinander. „Zum ersten Mal habe ich in Grönland einen Schrecken bekommen, als ich merkte, dass ich am nächsten Morgen bereits nicht mehr die gleiche Ansicht auf den Eisberg hatte, den ich tags zuvor noch fotografiert hatte. Da war einfach schon wieder etwas abgeschmolzen“, erinnert sich Angelika Schilling. Auch ihre Bilder aus Namibia haben allesamt einen Subtext, der die schillernde Oberfläche Lügen straft.
Die Wüstengebiete und deren Einwohner sind herrlich fotogen, betrachtet man die Farbversion der eindrucksvollen Aufnahmen. „Ich bevorzuge aber die schwarz-weiß Fassung, denn die bunte Fotowelt vermittelt einen falschen Eindruck.“ Denn wer die namibische Frau auf ihrem hier fast schon berühmten Porträt genau betrachtet, entdeckt Spuren von Unsicherheit und Angst in dem ruhigen Gesichtsausdruck. „Die Frau hatte blanke Not, Hunger“, sagt Angelika Schilling.
Porträt-Fotografie ist die Königsdisziplin
Porträts: Für die Wahl-Bottroperin, die 1981 von einem kleinen Ort in Ostwestfalen und nach dem Kunststudium in Bielefeld in den Schuldienst nach Bottrop versetzt wurde, so etwas wie die Königsdisziplin der Fotografie. Viele Bottroper werden sich an ihre Serie rothaariger Menschen erinnern, die im Kulturzentrum zu sehen war. Aber auch die Porträts von Obdachlosen, denen sie „ein Gesicht geben wollte“ wurden mehrfach an verschiedenen Orten gezeigt. Ihre Serie mit Gesichtern alter Menschen in Griechenland zählt sicher zu den bekanntesten. „Die wurde sicherlich zehn Mal ausgestellt, auch in Griechenland selbst, als die Bürgermeisterin einer Stadt auf dem Peloponnes ihre Mutter in einem Fotokatalog erkannte.“
Es ist sicher die Unmittelbarkeit, oder um doch den oft strapazierten Begriff ,Wahrhaftigkeit’ zu bemühen, die in den Bildern von Angelika Schilling beeindruckt. Nichts ist arrangiert, zurechtgerückt. „Ich fotografiere alles, so wie ich es sehe“, sagt die Kulturpreisträgerin, die ihre erste Ausstellung vor knapp 20 Jahren in der Bottroper Volkshochschule hatte. Ihr Mann, damals dort Dozent, habe gesagt: Mach das mal, das kannst du auch!“ Das ist lange her. Inzwischen hat sie sich sogar mit der Digitalkamera angefreundet, obwohl sie bereits als Jugendliche das analoge Handwerk in der Dunkelkammer lernte. Fotografie hat die allermeiste Zeit in ihrem Leben eine Rolle gespielt. Auch wenn sie seither ihre Zunft auf der „Grossen“ im Düsseldorfer Kunstpalast oder auf der „Arte Laguna“ in Venedig vertreten hat: Die erste Ausstellung in Bottrops VHS, die ihrer professionellen Entwicklung sicherlich einen entscheidenden Schub gegeben hat, wird sie nicht vergessen. Auch deshalb ist der Kulturpreis, den ihr die Stadt nun verleiht, nicht nur Ehre. Sie nimmt ihn mit Dankbarkeit entgegen.
Vor 30 Jahren wurde der Kulturpreis der Stadt Bottrop das erste Mal verliehen
Die Fotografin Angelika Schilling, die seit 1981 in Bottrop lebt, ist die 15. Preisträgerin. Die Verleihung findet am 22. November im Kammerkonzertsaal statt.