Bottrop. Der Bottroper Warteraum für Jugendliche in schwierigen Verhältnissen hat geschlossen. In einem anderen Flow-Wohnprojekt beruhigt sich die Lage.
Die negativen Schlagzeilen hatten sich gehäuft: Die Anwohner des Wohnprojektes „Warteraum“ an der Blankenstraße hatten sich über Lärmbelästigung, Sachbeschädigung und Bedrohung beschwert. Nun ist das Wohnprojekt der Kinder- und Jugendhilfe Flow eingestellt worden. „Das Klima war nicht mehr zumutbar“, sagt Flow-Geschäftsführer Hermann Muß. Auch an einer anderen Flow-Einrichtung auf dem Eigen hatten sich Beschwerden gehäuft, nun aber habe sich die Lage beruhigt, was auch an der Umorientierung der Zielgruppe liege.
Bereits seit einigen Wochen hat Flow den Warteraum geräumt und den Mietvertrag mit der Stadt vorzeitig gekündigt – auch wenn sich das Bottroper Jugendamt gewünscht hätte, dass der Standort bleibt. Weil aber die Atmosphäre mit dem Umfeld nicht mehr tragbar war, habe man sich nun für eine Schließung entschieden, erklärt Hermann Muß. Dass die Immobilie dazu für ein solches Projekt nicht wirklich geeignet war, zumal seit die direkt benachbarte Schule wieder ihrem ursprünglichen Zweck dient und der zu nutzende Bereich für die Flow-Jugendlichen sehr klein geworden war, haben auch direkte Nachbarn geäußert.
Bottroper Warteraum geschlossen: Kein solches Angebot mehr für Jugendliche
Der Warteraum war ein niedrigschwelliges Angebot für Jugendliche, die auf der Straße leben, die nirgendwo anders hinkönnen. So schwierig ihre Lebensgeschichten sind, so problematisch war aber teilweise auch ihr Sozialverhalten. Mit dem Aus des Warteraums gibt es allerdings kein Schlafangebot mehr für sie.
Zuletzt waren auch am Limberg Beschwerden über die dortige Flow-Einrichtung wieder laut geworden. Anwohner beklagten Müll in Gärten und Vorgärten, zum Teil unflätige Pöbeleien und Beschimpfungen und Lärm. Allerdings, so stellen es Hermann Muß und Petra Neumeier, pädagogische Geschäftsleiterin, klar, sie die Klientel am Limberg nicht vergleichbar mit der des ehemaligen Warteraums.
Afghanische Jugendliche zogen am Limberg ein
Um zu verstehen, wo der Ursprung des Konfliktes zwischen der Flow-Einrichtung und den Anwohnern kommt, muss man einige Jahre zurückgehen. Als 2015 hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland strömten, waren darunter auch viele unbegleitete Minderjährige. 14 afghanische Jugendliche fanden ihren Weg nach Bottrop – und zogen in die Flow-Einrichtung am Limberg ein.
Damals haben die Berührungsängste mit den Nachbarn begonnen, das Befremden der unbekannten Kultur auf der einen Seite und die traumatischen Erlebnisse der jungen Männer auf der anderen Seite sorgten für Konflikte.
Als dann zu den afghanischen Jungen auch noch „heimische“ Jugendliche aus Inobhutnahmen kamen, verschärfte sich die Situation. Denn diese jungen Menschen stammten aus den prekärsten Verhältnissen, dauerhafte pädagogische Arbeit war in diesem Kontext nicht möglich, Aufnahmen passierten oft mitten in der Nacht, die Fluktuation war hoch.
Gruppe von Geschwisterkindern bis 14 Jahren
Doch mittlerweile hat sich die Klientel verändert. In einem der beiden Häuser am Limberg lebt eine Gruppe von Geschwisterkindern zwischen sechs und 14 Jahren. In dem anderen sollen Jugendliche ab 16 Jahren in einem Wohnverbund „Kompetenzen für ein eigenständiges Leben“ erlernen, wie Petra Neumeier erklärt. „Die haben schon eine Jugendhilfegeschichte, wenn sie zu uns kommen.“
Die wird auf dem Eigen fortgesetzt, sie bleiben teils zwei, drei Jahre, bis sie gelernt haben, „in einem normalen Wohnraum so zu leben, dass die Nachbarn mit ihnen klar kommen“.
Polizei rückt bei jedem Vermisstenfall zu Flow aus
Dass es trotzdem regelmäßig zu Polizeieinsätzen am Limberg kommt, liege nicht daran, dass es ständig ernsthafte Zwischenfälle gibt. „Wir müssen jeden Vermisstenfall an die Polizei melden“, sagt Hermann Muß. Und als vermisst gilt ein Minderjähriger schon, wenn er die Uhrzeit, zu der er zurück sein muss, nicht einhält – selbst wenn er das vorher angekündigt hat. Ist der Vermisste wieder zurück in der Wohngruppe, kommt die Polizei, um die Personalien zu kontrollieren.
Viele Polizeibesuche am Limberg sind also Standard, gehen nicht auf eine kritische Situation zurück, so wie 2019, als ein Jugendlicher Garagen in Flammen gesetzt hat. Natürlich gebe es immer Jugendliche in der Gruppe, „die nicht nachbarschaftskompartibel“ seien, sagt Petra Neumeyer. Doch das öffentliche Bild sei auch geprägt von Ereignissen der Vergangenheit. „Wenn einmal was ist, liegt der Fokus darauf.“