Bottrop. . Ehemalige Sparkassenfiliale an der Prosperstraße in Batenbrock wird zur neuen Anlaufstelle für junge Menschen auf dem Weg ins Erwachsenenleben.

Er habe ja die „heimliche Hoffnung“ gehabt, den im Keller fest verbauten Tresor der ehemaligen Sparkasse an der Prosperstraße gut gefüllt vorzufinden, brachte Hermann Muss, Geschäftsführer der Kinder- und Jugendhilfe-GmbH Flow, die Gäste zum Schmunzeln. Am Montag wurde das jüngste Flow-Projekt, „Die Brücke“, in eben jener Sparkasse in Batenbrock eröffnet.

Hier ist der Name Programm, denn die neue Einrichtung soll Brücke für jungen Menschen auf dem Weg ins Erwachsenenleben sein. Jugendliche, die in Heimen groß werden, müssen im Schnitt sieben Jahre früher als Jugendliche aus Familien groß werden. Sobald sie volljährig werden, müssen sie das Heim verlassen und auf eigenen Füßen stehen.

Betreuungslücken schließen

Täglich elf Stunden geöffnet

In 21 Kommunen in NRW und einem kleinen Dorf in Sachsen ist Flow mittlerweile vertreten. Es gibt über 500 Mitarbeiter und 360 stationäre Plätze sowie elf Tagesgruppen. Die Zentrale der 1995 gegründeten gemeinnützigen Gesellschaft befindet sich in Bottrop. Geschäftsführer Hermann Muss war einer der Mitgründer.

Die Brücke, Prosperstr. 181, ist von montags bis freitags von 9.30 bis 20.30 Uhr geöffnet.

Oft mit katastrophalen Folgen. Untersuchungen zeigen, dass ehemalige Heimkinder besonders häufig von Armut und Obdachlosigkeit betroffen sind. Alarmierend sind auch neue Schätzungen, denen zufolge in Deutschland rund 37 000 Kinder und Jugendliche auf der Straße leben. Flow stellt für diese Gruppe in Bottrop schon länger sichere Schlafplätze im „Warteraum“ bereit. Bei der Brücke an der Prosperstraße sollen sie künftig auch tagsüber eine Anlaufstelle finden.

Die soll helfen, Abstürze von Jugendlichen zu verhindern, soll Betreuungslücken schließen und Orientierung geben. „Careleaver“ (Care = Obhut, to leave = verlassen), wie die Jugendlichen, die die Heime verlassen, in der Fachsprache heißen, finden hier an sieben Tagen in der Woche von morgens bis abends einen Ansprechpartner.

Die Psychologin Christina Meier leitet die Einrichtung und weiß, dass der Bedarf groß ist. Oft gehe es nur um Alltagsfragen, wie ein schwieriges Schreiben vom Amt zu entschlüsseln oder das eigene Geld richtig einzuteilen. Manchmal werde eine Schulter zum Anlehnen und ein offenes Ohr gebraucht oder eine Ansage, wie es weitergehen kann im Leben. Dinge eben, für die sonst Eltern da sind.

Neue Strategien

Ziel sei es, so Hermann Muss, allen einen möglichst guten Start ins Leben zu geben. Dabei sollen auch niederschwellige Angebote wie Kurse und Projekte verschiedener Träger und Netzwerkpartner helfen. Im Keller der Brücke gibt es eine Holzwerkstatt und Kursräume. Die Angebote stehen im übrigen auch anderen Bewohnern des Stadtteils offen.

Oberbürgermeister Bernd Tischler, der zur Eröffnung der Brücke mit einem Grußwort und einer kleinen „Füllung“ für den Flow-Tresor kam, freute sich, dass gerade an dieser Stelle die Quartiersarbeit weiter gestärkt werde. Denn im Bottroper Süden sind besonders viele Menschen arm dran. Es herrschen Kinderarmut, Arbeitslosigkeit und Bildungsmangel. Gerade hier gebe es einen großen Bedarf an Quartierangeboten, betonte der OB.

Und er brachte gute Nachrichten aus Düsseldorf mit. Denn die Stadt Bottrop hat für dieses Jahr zusätzliche Mittel für weitere Quartiersarbeit in Batenbrock bewilligt bekommen. Auch sie sollen Platz in den Räumen der Brücke Flow an der Prosperstraße finden, die damit zu einer zentralen Anlaufstelle würde.

„Das ist eine vollkommene Abkehr von bisherigen Verwaltungsstrategien“, stellte der OB in Sachen Quartiersarbeit fest, „wenn man jetzt raus geht zu den Menschen vor Ort. Die wissen besser Bescheid.“