Bottrop. . Jugendliche werden in der neuen Inobhutnahme- und Clearingstelle „Flow“ betreut. Sie leben mit deutschen Teenagern zusammen.

  • Minderjährige flohen ohne Eltern oder Sorgeberechtigte aus ihrer Heimat
  • Sie leben mit deutschen Jugendlichen zusammen
  • In Wohnungen können sie das selbständige Leben trainieren

Nuri hat keine Ruhe für ein längeres Interview. Der 17-Jährige möchte sich lieber um die Speisen kümmern, die er für das Fest an diesem Freitagnachmittag mit zubereitet. Er möchte so seinen Beitrag zum Gelingen des Tages leisten. Schließlich hat er in dem Haus, das jetzt hier Am Limberg mit Bewohnern und Gästen eröffnet wird, eine sichere Zuflucht gefunden.

Nuri gehört zu den insgesamt zwölf unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus Afghanistan, Iran und Irak, die derzeit von der neuen Inobhutnahme- und Clearingstelle Flow auf dem Eigen betreut werden.

Die Kinder- und Jugendhilfe (KJH) Flow hieß früher Flex, musste sich jüngst aufgrund eines Patentverfahrens umbenennen. Bereits zu Jahresbeginn hatte der freie Träger das leer stehende Mehrfamilienhaus im Norden der Stadt angemietet und eine Wohngruppe eingerichtet – als Reaktion auf den zu diesem Zeitpunkt großen Bedarf, junge Flüchtlinge unterzubringen, die ohne Eltern oder Sorgeberechtigte unterwegs waren und den Kommunen zugewiesen wurden. Auch die Caritas und die Diakonie hatten auf diesen Bedarf reagiert.

„In der ersten Phase ging es um die Vermeidung von Obdachlosigkeit“, sagt Hermann Muss, Geschäftsführer der KJH Flow gGmbh. Seit zwei Monaten nun seien keine neuen minderjährigen Flüchtlinge mehr gekommen. Und in der Zwischenzeit hat sich das Projekt weiterentwickelt. Neben den Flüchtlingen, meist jungen Männern, und zwei jungen Familien mit Migrationshintergrund werden auch einige heimische Jugendliche hier von dem pädagogischen Team betreut, die nicht mehr in ihren Familien leben können oder wollen. Ein integratives Modell. Aufgenommen werden Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren.

Und neben der Aufnahmegruppe, in der zunächst einmal in Ruhe abgeklärt wird, wie es mit den Jugendlichen weitergeht, stehen Am Limberg auch Wohnungen zur Verfügung, in denen die jungen Leute „flügge“ werden sollen. „Verselbstständigung“ nennt Hermann Muss das. Regionalleiterin Katharina Siewert führt aus: „Sie üben das Einkaufen, Kochen, Putzen, die Mülltrennung.“ Der Träger hat dazu ein zweites Mehrfamilienhaus an der Straße angemietet, das ab August in Betrieb genommen werden soll, sowie weitere fünf Wohnungen in verschiedenen Häusern. „Im August werden wir weit über zehn Mitarbeiter sein“, kündigt Muss an.

Nachbarn einbinden

Das alles bringt neue Bewegung in die Straße auf dem Eigen. Mit dem Eröffnungsfest sollen deshalb auch die Nachbarn eingebunden werden, denn Muss weiß: „Wir bekommen nicht nur Zustimmung, es gibt auch Menschen, die der Einrichtung skeptisch gegenüber stehen.“ So habe es am Anfang Beschwerden gegeben, aber inzwischen sei Ruhe eingekehrt, ergänzt Katharina Siewert.

Bei der Vorbereitung des Festes haben die Jugendlichen geholfen, wie zum Beispiel Nuri. Mit seinem Cousin Mustafa (17), mit dem er sich auf die Flucht gemacht hatte und schließlich in Bottrop ankam, freut er sich schon darauf, im August aus der Wohngruppe schräg gegenüber in eine Wohnung ziehen zu können. Die beiden, die hier zur Schule gehen und schon ganz gut Deutsch sprechen, vermissen ihre Familien und haben gleichzeitig Sorge, nicht dauerhaft in Deutschland bleiben zur dürfen. „Ich möchte zur Feuerwehr“, sagt Nuri, nach seinem Berufswunsch gefragt.

Ab August startet der Träger Flow in vier Städten – inklusive Bottrop – ein Projekt mit der Fachhochschule Dortmund. „Es geht darum zu schauen: Was sind günstige Bedingungen, dass die jungen Leute sich integrieren können“, erklärt Muss.