Bottrop. Bottrop hatte eine der besten Impfquoten in NRW. Doch die Impfbereitschaft lässt deutlich nach. Impfstoffe drohen weggeschmissen zu werden.
12.046 – so viele Menschen wurden in Bottroper Arztpraxen und im Impfzentrum in der Woche vor den Sommerferien geimpft. In den vergangenen sieben Tagen waren es nur 2784, davon gerade einmal 815 Erstimpfungen. Die Bereitschaft, sich mit dem Vakzin gegen das Coronavirus zu schützen, sinkt stark. Das Impfzentrum ist nicht ansatzweise ausgelastet. „Von der Herdenimmunität müssen wir uns verabschieden“, sagt Impfzentrumsleiter Michael Althammer.
Corona-Herdenimmunität erst bei über 85 Prozent Geimpften
Zu Beginn der Pandemie ging man von einer Herdenimmunität ab einer Impfquote von etwa 70 Prozent aus. Die deutlich ansteckendere Virus-Mutation Delta ließ das Robert-Koch-Institut diesen Wert nach oben korrigieren: Mittlerweile, so das RKI, müssten mehr als 85 Prozent geimpft sein, um einen Herdenschutz zu erreichen.
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Gerechnet wird dieser Prozentsatz immer auf die Gesamtbevölkerung – inklusive Kindern. „Das werden wir nie erreichen, so lange es keinen Impfstoff für unter Zwölfjährige gibt“, sagt Althammer.
In Bottrop haben gut 83.000 Menschen die Erstimpfung erhalten, davon rund 75.000 Bottroper. Die Quote ist mit 73 Prozent die drittbeste in NRW, auch bei den Zweitimpfungen liegt Bottrop mit mehr als 58 Prozent auf dem dritten Platz im Land. Und trotzdem gibt es immer noch zahlreiche Ungeimpfte, manche von ihnen unentschlossen, die die Stadt mit mobilen Aktionen versucht zu erreichen.
Unbeliebtes Astrazeneca: Impfdosen könnten im Müll landen
„Wir haben ohnehin eine gute Impfquote“, sagt Dr. Gerald Schmitt, Orthopäde und Vorsitzender des Bottroper Ärztevereins, und sieht darin einen Grund für die schwindende Impfbereitschaft. Während vor einigen Wochen der Impfstoff immer noch knapp war, drohten jetzt Dosen weggeschmissen zu werden, vor allem solche des unbeliebten Vektorimpfstoffes Astrazeneca.
Weil zahlreiche Vials, die Fläschchen, in denen der Impfstoff geliefert wird, im August ablaufen, wollten Ärzte aus Oberhausen Astrazenca-Impfdosen nach Tansania spenden, einem Land, in dem die Impfkampagne bislang kaum angelaufen ist.
Impfstoff aus Oberhausen darf nicht nach Tansania gespendet werden
Dr. Stephan Becker, Hausarzt in Bottrop und Oberhausen und Mitglied des Oberhausener Krisenstabs, unterstützte die Initiative, die jedoch wegen „rechtlicher Hindernisse“ vom Bundesgesundheitsministerium untersagt wurde. Der Impfstoff gehört der Bundesregierung. „Das ist demotivierend. Hier werden Impfstoffe vernichtet, die anderswo dringend gebraucht werden“, ärgert sich Becker.
In Bottrop sei man noch nicht in der Bredouille, Impfstoff wegwerfen zu müssen, sagt Michael Althammer. Astrazeneca-Dosen lagere man nur noch vereinzelt, die Kühlschränke seien voll mit dem Vakzin von Biontech, das noch länger haltbar ist. Doch wenn die Impfbereitschaft weiter sinke, könne es durchaus passieren, dass aus den Vials nicht mehr die möglichen sechs bis sieben Impfdosen gezogen werden – sondern die letzten im Müll landen.