Bottrop. Am Mittwoch sitzen Kanzlerin und Ministerpräsidenten wieder zusammen. Das erwarten und fordern Bottroper Wirte vor dem Bund-Länder-Gipfel.
„Frühestens im Mai“ – so antwortet Ralf Mader vom Cottage auf die Frage, wann er glaubt, seine Kneipe wieder öffnen zu dürfen. „Wir werden die letzten sein, die wieder aufmachen dürfen“, fürchtet der Wirt im Vorfeld des nächsten Gipfels von Bund und Ländern am Mittwoch. Tatsächlich rechnet im Gespräch mit der Lokalredaktion kein Wirt damit, dass er kurzfristig seinen Job hinterm Tresen wieder aufnehmen darf. Michael Pelikan vom Passmanns geht davon aus, dass es noch bis Ostern dauern wird – und es dann auch nur schrittweise Lockerungen für die Branche geben wird.
Seit dem 2. November – länger als alle anderen Branchen – ist die Gastronomie nun im Lockdown. Wochen und Monate, die Spuren hinterlassen haben – nicht nur finanziell. „Das geht auch an die Psyche, der ganze Alltag, die Routinen, die man seit Jahren lebt, alles ist auf einmal weg“, schildert Irini Hubert, die Wirtin der Domschänke.Zumal die klassische Kneipe, oft ohne Speisenangebot, ja nicht einmal einen Außerhausverkauf anbieten kann.
Ärger über das „orientierungslose Auf-Sicht-Fahren ohne Konzept“
Zumindest das kann Christina Berger in ihrem Café Kram. Seit Mitte Februar bietet sie an zwei Tagen Speisen an, die vorher im Internet bestellt werden können. Doch das sei vielmehr ein Zeichen an die Gäste, dass man noch da sei und auch an die Mitarbeiter. Viel hängen bleibe dabei nicht, sagt sie.
Enttäuschung, Frust, aber auch Wut sind die Folgen bei den Wirten. Michael Pelikan ärgert sich inzwischen wahnsinnig über das „orientierungslose Auf-Sicht-Fahren ohne Konzept“. Zumal es ja Länder gebe, die Erfahrungen im Kampf gegen Pandemien hätten, etwa im asiatischen Raum, doch daran habe man sich überhaupt nicht orientiert, sagt er mit Blick auf Erfolge etwa in Taiwan.
Bottroper Wirte mahnen, dass Einschränkungen maßvoll sein müssten
Diese fehlende Perspektive führe dann dazu, dass auch die Wirte nicht planen könnten, sagt Pelikan. Er geht davon aus, dass Öffnungen nur schrittweise erfolgen werden. Ein erste Schritt könnte die Außengastronomie sein. Nur: „Bei dem Wetter brauchen wir darüber nicht zu reden.“
Auch Ramona Fleer vom Hürter ist sauer und geht davon aus, dass es bei Einschränkungen bleibt, wenn es wieder losgeht. Nur: Die müssten maßvoll sein. Es bleibe sicher dabei, dass man nicht alle Plätze wieder besetzen könnte – Stichwort Mindestabstand.
Bottroper Wirte verweisen auf funktionierende Hygienekonzepte
Gleichzeitig dann aber auch die Öffnungszeiten einzuschränken, sei kontraproduktiv. „Dann lohnt sich der Betrieb nicht.“ Bei Restaurants, die nicht so stark vom Getränkeverkauf leben, sei es möglicherweise noch etwas anders, denn meist schließe die Küche dort ja gegen 23 Uhr.
Über die Idee von Wirtschaftsminister Peter Altmeier, wonach zu Ostern womöglich die Außengastronomie öffnen dürfe, kann Ramona Fleer nur den Kopf schütteln. So groß sei in Bottrop kaum eine Außengastronomie, dass sich das rechne. Sie verweist auf Hygienekonzepte, die funktioniert hätten, zusätzlich hat sie für das Hürter Luftreiniger angeschafft, auch um Gästen Sorgen zu nehmen. Denn bei aller Debatte um mögliche Öffnungen: „Wir müssen den Leuten auch die Angst nehmen, damit sie dann auch tatsächlich wieder kommen.“ Das habe nach dem ersten Lockdown auch gedauert.
Unterschiedliche Erfahrungen mit Überbrückungs- und Staatshilfen
Ralf Mader vermutet, dass es am Mittwoch wenn überhaupt zunächst um den Einzelhandel gehen wird. Und selbst wenn Kneipen wieder öffnen dürfen, bleibt immer noch die Frage nach Veranstaltungen. „Unsere Partys und Geburtstagsfeiern sind ein ganz wichtiges Standbein für uns“, betont der Wirt vom Eigen. Doch wann er seinen Saal wieder vermieten darf, wann wieder Konzerte und Partys möglich sein werden? „Ich rechne nicht vor 2022 damit“, sagt er pessimistisch.
Das sagt der Verband
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in NRW vertritt die Interessen der Gastronomen. Er fordert im Vorfeld des Gipfels „mehr Tempo bei Impfungen, Tests und der digitalen Kontaktnachverfolgung“. Der Verband erwarte eine Öffnungsperspektive unter bundesweit einheitlichen Leitlinien, so die Forderung. Das reine Festhalten an Inzidenzwerten führe nicht weiter. „Andere Punkte wie Impf- und Teststatus und die Belastung der Gesundheitssysteme müssen ebenfalls Berücksichtigung finden bei der Frage, wann und wie geöffnet werden kann“, sagt NRW-Präsident Bernd Niemeier.
Gleichzeitig stellen Verband und Wirte klar, dass es nicht um eine Öffnung um jeden Preis gehe, weil Sicherheit und die Gesundheit von Gästen, Beschäftigten und Unternehmern weiterhin oberste Priorität genießen müssten. Vor dem Hintergrund verweist der Dehoga auf strenge Schutz- und Hygienevorschriften.
Immerhin habe es bei ihm mit den Überbrückungsgeldern und staatlichen Hilfen geklappt. So rund lief es nicht überall. Michael Pelikan wartet immer noch auf Geld, das bisher nicht ausgezahlt worden sei, sagt er.
Appell an Politiker sowie Bundes- und Landesbedienstete
Bereits Anfang Februar wurde auf der Facebook-Seite des Café Florian ein Appell an Politiker sowie Bundes- und Landesbedienstete veröffentlicht. Darin geht es um die zugesagten Hilfen, die nicht ankämen. Unter anderem heißt es da: „Von Euch muss sich keiner vor unsere Mitarbeiter stellen und erklären, dass alles noch ein wenig dauert und sie vielleicht ihre Miete nicht bezahlen können. Von Euch muss keiner den Firmen, die uns stets gut beliefert haben, sagen, dass es noch etwas dauert.“ Dazu folgt der Hinweis auf die in diesem Jahr anstehenden Wahlen.
Pelikan ist immer noch optimistisch und motiviert, wartet darauf, das Passmanns endlich wieder öffnen zu dürfen. Doch mit Blick auf den bevorstehenden Gipfel sagt er inzwischen: „Es hat keinen Sinn sich Hoffnungen zu machen und etwas zu planen.“