Berlin. Bund und Länder haben den Lockdown verlängert, aber auch Öffnungsschritte vereinbart. Hier lesen Sie alle Beschlüsse vom Corona-Gipfel.
- Bund und Länder haben am Mittwoch Öffnungen beschlossen
- Allerdings soll auch der Lockdown erneut verlängert werden
- Lesen Sie hier, was beschlossen wurde und welche Regeln ab nächster Woche gelten
Die Beratungen beim Corona-Gipfel haben sich dieses Mal noch länger hingezogen als sonst: Bis in die späten Abendstunden diskutierten Regierungsvertreter von Bund und Ländern in einer Videoschalte über die künftige Corona-Strategie für Deutschland. Der Erwartungsdruck war hoch, die Zustimmung zu den bisherigen Maßnahmen sinkt laut Umfragen in der Bevölkerung.
Das, was Bund und Länder nun vereinbart haben, kommt dieser Stimmung entgegen. Kurz vor Mitternacht, nach mehr als neun Stunden, trat Angela Merkel schließlich vor die Kameras und sprach von einem „Übergang in eine neue Phase“, der jetzt erreicht sei. Der Lockdown wird grundsätzlich noch einmal bis zum 28. März verlängert – doch wenn die Zahl der Neuinfektionen stabil unter der 100er-Marke liegt, sind ab sofort regionale Öffnungsschritte möglich.
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Es ist ein Strategiewechsel: Die Zielmarke von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern ist nicht mehr zwingende Voraussetzung für weitere Lockerungen. Bereits ab einer 100er-Inzidenz sollen neue Öffnungen möglich sein, unter der 50er-Marke sind sogar deutliche Lockerungen drin.
Dazu muss man wissen: Am Donnerstag lagen nur Schleswig-Holstein (48) und Rheinland-Pfalz (49) im Landesdurchschnitt unter dem 50er-Inzidenzwert. Fast alle anderen Bundesländer liegen im Korridor zwischen 50 und 100. Eine Ausnahme ist Thüringen mit einer Inzidenz von 128 Fällen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Da es den Ländern freigestellt ist, ob sie die neuen Regeln landesweit anwenden oder Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen machen, kann es dazu kommen, dass es unterschiedliche Maßnahmen zwischen benachbarten Städten oder Landkreisen gibt.
Lesen Sie dazu den Kommentar: Corona-Gipfel: Ergebnis ist ein Kompromiss ohne Perspektive
Mit der Einigung auf die 100er-Inzidenz als Startpunkt für weitere Öffnungen haben sich die Länder gegenüber Merkel durchgesetzt, die angesichts der Ausbreitung der britischen Mutation gern weiterhin am Erreichen der 35er-Marke als Bedingung für weitere Öffnungsschritte festgehalten hätte. Das Kanzleramt wiederum hat dafür gesorgt, dass als Ausgleich eine „Notbremse“ in die Pläne eingebaut ist.
Alle Beschlüsse vom Corona-Gipfel am 3. März finden Sie in diesem Überblick:
Corona-Gipfel: Das ist die neue Teststrategie
Eine der wichtigsten Neuerungen in der Corona-Politik ist der schrittweise Ausbau der nationalen Teststrategie bis Anfang April. Dem Beschluss von Bund und Ländern nach soll künftig jeder Bürger sehr viel häufiger einen unkomplizierten Nasenabstrich machen können. Bereits ab kommendem Montag (8. März) übernimmt der Bund die Kosten für wöchentliche Gratis-Tests bei symptomfreien Bürgern, für die Organisation der Tests etwa in Arztpraxen oder Testzentren sind die Länder und Kommunen zuständig. Da die Frist sehr kurzfristig ist, kann es jedoch noch eine Zeitlang dauern, bis Logistik und Verfahren vor Ort bereit sind. Mehr Tests sind jetzt in diesen Bereichen geplant:
- In Schulen und Kitas soll jeder pro Präsenzwoche mindestens einen kostenlosen Schnelltests machen können. Auch die Unternehmen sollen ihren Mitarbeitern, sofern sie denn nicht im Homeoffice arbeiten, einmal in der Woche einen Schnelltest anbieten. Lesen Sie dazu: Corona-Schnelltests für Laien - Das muss man wissen
- Bürgerinnen und Bürgern sollen pro Woche einen Schnelltest machen können. Die Kosten übernimmt der Bund. Mehr zum Thema: Kostenlose Schnelltests - Das wurde beim Gipfel beschlossen
Doch gibt es überhaupt genug Tests? Fakt ist: Niemand kann im Moment exakt sagen, wie groß die Nachfrage sein wird. Klar sei jedenfalls, sagte Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) am Donnerstag, so viele Tests, dass sich jeder an jedem Tag quasi freitesten könne, gebe es definitiv nicht. „Dafür reicht es nicht.“
Im Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde heißt es daher auch auffallend vage: „Schnelltests sind in großer Zahl verfügbar.“ Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dem die Länder übelnehmen, dass er immer wieder Versprechen macht, die dann vor Ort ausgebadet werden müssen, lägen aktuell 150 Millionen Schnelltests laut Herstellerangaben auf Halde und könnten direkt geliefert werden.
Manche Länder haben millionenfach Tests bestellt - in anderen läuft die Logistik gerade erst an
Die Länder und Kommunen müssten sie nur abrufen – und machten das bereits heute schon, etwa für Pflegeheime. Der Bund habe sich zudem mindestens 800 Millionen Schnelltests über bilaterale Absichtserklärungen und europäische Rahmenverträge für dieses Jahr gesichert. Darüber hinaus habe man sich über 200 Millionen der neu zugelassenen Selbsttests gesichert. Einige Länder, wie Bayern oder Thüringen, haben tatsächlich bereits millionenfach Tests bestellt, in anderen läuft die Logistik gerade erst an.
Ohne genügend Tests lassen sich Öffnungen bei hohen Inzidenzen kaum absichern. Wieder mal, so hieß es seitens einiger Länder, habe Spahn zu hohe Erwartungen geweckt. Wie soll das Land aus dem Lockdown kommen, wenn weder das Impfen noch das Testen reibungslos läuft? Eine eilig eingesetzte Bund-Länder-Taskforce soll sich jetzt die Logistik kümmern. Für FDP-Chef Christian Lindner ist es ein klarer „Beleg für ein Managementversagen innerhalb der Bundesregierung“ und ein Misstrauensvotum gegenüber Spahn, der erst bei den Masken und später bei den Impfdosen nicht entschlossen genug gehandelt habe.
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Lockdown wird bis zum 28. März verlängert – bis auf einige Lockerungen
Private Zusammenkünfte werden ab dem 8. März in größerem Kreis möglich sein. Bisher sind diese auf einen Haushalt plus eine weitere Person beschränkt. Ab dem 8. März sollen sich wieder zwei Haushalte mit maximal fünf Personen treffen können. Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt.
Mehr Freiheit soll es bei besseren Zahlen geben: In Regionen mit einer Inzidenz von unter 35 Neuinfektionen pro Woche können sich künftig wieder der eigener mit zwei weiteren Haushalten treffen – mit zusammen maximal zehn Personen. Kinder werden auch hier nicht miteinberechnet.
Für die einzelnen Öffnungsschritte gilt nun ein Fünf-Stufen-Plan. Der erste Schritt ist bereits gemacht – mit der beginnenden Rückkehr der Kinder in Kitas und Schulen und der Wiedereröffnung der Friseurläden. In einem zweiten Öffnungsschritt wird es in wenigen Tagen auch weitere Lockerungen im öffentlichen Leben geben.
- Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte werden künftig einheitlich in allen Bundesländern dem Einzelhandel des täglichen Bedarfs zugerechnet werden. Sie können mit entsprechenden Hygienekonzepten wieder öffnen. Lesen Sie dazu: Trotz Corona: Baumärkte öffnen wieder – teilweise und Corona-Lockdown: Was sich wo für den Einzelhandel ändert
- Auch Fahr- und Flugschulen sowie bisher noch geschlossene körpernahe Dienstleistungsbetriebe sollen wieder öffnen dürfen. Für Letztere gibt es allerdings Testvoraussetzungen sowohl für das Personal als auch für die Kundschaft. Mehr dazu: Kosmetiker und Fußpfleger: Die Studios dürfen wieder öffnen
- Allerdings wird die Homeoffice-Pflicht per Verordnung verlängert: Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen den Beschäftigten das Arbeiten zu Hause ermöglichen, sofern die Tätigkeiten es zulassen.
Einen dritten Öffnungsschritt soll es dort geben, wo die Infektionslage stabil ist und die Inzidenz unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner sinkt.
- Dann können in Bundesländern oder gar Regionen der gesamte Einzelhandel, Museen, Galerien, Zoos und Gärten sowie Gedenkstätten öffnen.
- Die Öffnung des Einzelhandels wird aber begrenzt: Nur eine Kundin oder ein Kunde pro 10 Quadratmeter für die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche und ein weiterer für jede weiteren 20 Quadratmeter – so viele Menschen dürfen eingelassen werden.
- Außerdem soll dann auch „kontaktfreier Sport in kleinen Gruppen“ (maximal zehn Personen) im Außenbereich möglich sein.
- Gibt es regional mehr als 50, aber weniger als 100 Neuinfektionen, können dem Beschluss von Bund und Ländern nach trotzdem „Click and Meet“-Angebote im Einzelhandel und bei Kultureinrichtungen zugelassen werden: Dabei kann ein Kunde oder Besucher eingelassen werden, wenn er oder sie sich vorher online angemeldet hat.
- In diesem Fall soll Individualsport mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten und Sport in Gruppen von bis zu zwanzig Kindern bis 14 Jahren im Außenbereich auch auf Außensportanlagen noch erlaubt sein.
Allerdings beinhaltet der Beschluss vom Corona-Gipfel eine Art „Notbremse“: Lockerungen sollen wieder zurückgenommen werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz wieder gefährlich hoch ist. Steigt die Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen auf über 100, treten die harten Lockdown-Maßnahmen von vor dem 8. März wieder in Kraft. Dieser Mechanismus bezieht sich auch auf die Öffnung von Geschäften und anderen Einrichtungen. Lockerungen sollen zudem stets mit benachbarten Gebieten mit höherer Inzidenz abgesprochen werden, damit es keinen Öffnungstourismus gibt.
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Corona-Gipfel: Weitere Öffnungen bei dauerhaft niedriger Sieben-Tage-Inzidenz
Bleibt die Pandemie-Lage in einer Region 14 Tage lang stabil (frühestens ab 22. März), sollen weitere Lockerungen regional möglich sein. In einem vierten Öffnungsschritt sollen dann Außengastronomie, Theater, Konzerthäuser und Kinos wieder öffnen sowie „kontaktfreier“ Sport auch im Innenbereich wieder möglich sein. Liegt die Inzidenz stabil unter 100, greifen folgende Regeln:
- Die Öffnung der Außengastronomie für Besucher wird mit vorheriger Terminbuchung mit Dokumentation für die Kontaktnachverfolgung erlaubt, zudem ist ein tagesaktueller COVID-19-Schnell- oder Selbsttest erforderlich, wenn Personen aus mehreren Hausständen an einem Tisch sitzen. Liegt die Inzidenz sogar stabil unter 50, dürfen Biergärten und Straßencafes ohne diese Einschränkungen öffnen.
- Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos können Besucherinnen und Besucher mit einem tagesaktuellen Schnell- oder Selbsttest einlassen. Liegt die Inzidenz stabil unter 50, sind keine Tests nötig.
- Kontaktfreier Sport im Innenbereich sowie Kontaktsport im Außenbereich ist möglich. Bei Inzidenzen zwischen 50 und 100 aber nur unter der Voraussetzung, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über einen tagesaktuellen COVID-19 Schnell- oder Selbsttest verfügen.
Der Beschluss von Bund und Ländern sieht auch einen fünften Öffnungsschritt vor – wenn sich die Inzidenz nach Einführung der Lockerungen des vierten Öffnungsschritts 14 Tage lang nicht verschlechtert hat (frühestens ab 5. April). Der Einzelhandel könnte nun schon bei stabilen Werten unter der 100er-Marke mit Hygienekonzepten öffnen. Bei einer stabilen Inzidenz unter 50 können Freizeitveranstaltungen mit bis zu 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Außenbereich wieder möglich sein. Auch Kontaktsport darf in Innenräumen wieder betrieben werden.
Anders als ursprünglich diskutiert, gibt es vorerst noch keine Regeln für das Osterfest. Verwandtenbesuche mit mehr als zwei Haushalten können noch nicht geplant werden. Auch zum Thema Schulen und Kitas finden sich keine weiteren Vorschläge in dem Papier. Entscheidungen hierzu treffen die Länder in Eigenregie. Viele Landesregierungen kündigten bereits an, in den kommenden Wochen wieder mehr Präsenzunterricht zu erlauben und weitere Jahrgänge zurück in die Schulen zu holen. Mehr dazu: Corona-Gipfel: Die Beschlüsse zu Schulen und Kitas
Ein Termin für das nächste Treffen der Regierungschefinnen und -chefs steht schon fest. Bund und Länder sollen sich bereits am 22. März wieder zur Beratung treffen – zunächst war der 24. vorgeschlagen worden.
Impfstrategie: Bekommen Astrazeneca jetzt alle?
Ein großes Thema bei den Beratungen am Mittwoch war auch die Impfstrategie. Da der aus wissenschaftlicher Sicht hochwirksame Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca nach Berichten über Nebenwirkungen massenhaft in Kühlschränken liegenbleibt, weil Bürger vereinbarte Impftermine ausfallen lassen, setzten sich mehrere Ministerpräsidenten dafür ein, die festgelegte Impfreihenfolge aufzubrechen. Lesen Sie hier: Drosten - Deutscher Perfektionismus verlangsamt das Impftempo
Schneller, effektiver, unbürokratischer soll das Impfen jetzt werden. Dazu sollen flächendeckende Impfungen in Arztpraxen nun bereits Ende März, spätestens aber nach Ostern beginnen. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) liegen aktuell vier Millionen Impfdosen in den Ländern „auf Halde“. Die Länder sollen deswegen nun auch die Impfreihenfolge flexibler handhaben und mehr Erstimpfungen möglich machen, indem die Zweitimpfungen so spät wie möglich durchgeführt werden. Am Donnerstag gab die Ständige Impfkommission (Stiko) zudem grünes Licht für die Ausweitung der Impfempfehlung beim Vakzin von Astrazeneca: Weil nun ausreichend Studiendaten vorliegen, empfiehlt die Kommission den Impfstoff nun auch für Menschen über 65 Jahre.
Mehrere Bundesländer könnten von den Beschlüssen abweichen
Mehrere Bundesländer behalten sich vor, in einzelnen Punkten von den Gipfelbeschlüssen abzuweichen oder üben Kritik daran. So erklärte Sachsen in einer Protokollnotiz: „Der Freistaat Sachsen hält die hier beschlossenen unkonditionierten Öffnungen angesichts der aktuellen und absehbaren Infektionslage sowie Impfquote für nicht vertretbar; er ist der Ansicht, dass Öffnungen mit einem verpflichtenden und funktionierenden Testregime gekoppelt sein müssen.“
Auch Niedersachsen und Sachsen-Anhalt betonten, dass sie die Beschlüsse zu den Öffnungsschritten lediglich „als Orientierungsrahmen“ ansehen. Sie könnten also früher vorpreschen - unter Beachtung von geeigneten Schnelltests und jüngster Gerichtsurteile. So hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg vor zwei Wochen Bedenken angemeldet, dass die Anknüpfung von Öffnungsschritten an bestimmte Inzidenzstufen angreifbar sein könnte.
An diesem Punkt knüpft auch die Kritik von Thüringen an. Der Freistaat gab ebenfalls zu Protokoll, dass zunehmende Impfungen und Schnelltestungen „zwangsläufig Veränderungen im Hinblick auf diejenigen Indikatoren“ hätten, die für die Entscheidungen über Lockerungen des Lockdowns maßgeblich seien. „Die alleinige Ausrichtung auf den Inzidenzwert muss aus Thüringer Sicht durch die Einbeziehung weiterer Indikatoren, darunter beispielsweise die Impfquote bei vulnerablen Gruppen und die Auslastung intensivmedizinischer Kapazitäten ergänzt werden.“
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(fmg/mit dpa)