Bottrop. Zehn Jahre war Heidi Noetzel Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bottrop. Zum Abschied spricht sie über Erreichtes und bleibende Erfordernisse.
Nach 44 Jahren in der Stadtverwaltung und zehn Jahren als städtische Gleichstellungsbeauftragte nimmt Heidi Noetzel Abschied vom Berufsleben. Sie erlebt die Frauen heute als emanzipiert, qualifiziert, motiviert. Dennoch gebe es viele Bereiche, in denen über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen weiter diskutiert werden muss – wie bei der Frage der gleichen Bezahlung oder der Vereinbarkeit von Job und Familie. Ein Gespräch mit Redakteurin Nina Stratmann.
Frau Noetzel, wagen Sie eine Prognose, wann es die erste Oberbürgermeisterin in Bottrop gibt?
Heidi Noetzel: Nein! Das ist ein politisches Thema, das kann ich nicht beeinflussen. Gleichstellung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, ein Verfassungsauftrag. Im Rat hatten wir vor der Kommunalwahl einen Frauenanteil von 37 Prozent, da waren wir auf einem guten Weg. Jetzt sind wir wieder unter 30 Prozent gerutscht. Da ist hauptsächlich Politik gefragt.
Für die Verwaltung gibt es einen Gleichstellungsplan, in dem viele Rahmenbedingungen formuliert sind. Wir achten z.B. auf die Personalauswahlverfahren und sprechen Frauen gezielt in Bezug auf Förderungen an.
Wo steht die Bottroper Verwaltung in Sachen Gleichstellung?
Es gibt sieben Amtsleiterinnen und 21 Amtsleiter. Wir hatten acht Amtsleiterinnen, aber aktuell hat eine den Job gewechselt. Es hat sich also schon recht viel getan, aber der Frauenanteil liegt immer noch im Bereich von 25 Prozent. Wenn man als Ziel 30 Prozent voranstellt, so wie teilweise von der Wirtschaft gefordert, könnten durchaus noch ein bis zwei Frauen in Amtsleiterpositionen kommen.
Was halten Sie von festgesetzten Frauenquoten?
In der Rückschau muss ich sagen: Ohne Druck und Vorgaben passiert wenig. Aber: Die Frauen müssen auch da sein und wollen. Wir beraten in der eigenen Verwaltung viele Frauen. Es gibt etliche, die sich im entscheidenden Moment nicht für eine Führungsposition entschließen können. Da muss man überlegen: Warum ist das so? Ein entscheidendes Thema ist die Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung oder Pflege.
Was sind Ihre Lösungsansätze?
Ich habe in der Verwaltung die Flexibilisierung der Arbeitszeit begleitet. Vor zehn Jahren war es quasi unmöglich, Telearbeit voranzutreiben. Jetzt sehen auch viele Unternehmen Homeoffice und Flexibilisierung als Chance, fehlende Fachkräfte zu gewinnen. Beim Dauerthema Kinderbetreuung ist noch viel Spielraum, was Betriebskitas angeht, auch bei großen Arbeitgebern. Die Gleichstellungsstelle wird sich beim Prozess der Rathauserweiterung einbringen, damit auch hier an das Thema Kinderbetreuung gedacht wird.
Es heißt, die Corona-Krise bedeutet einen Rückschritt in der Gleichstellung, weil Frauen die Hauptlast mittragen.
Gleichstellung ist hierbei gerade nicht das prioritäre Thema. Aber ich halte es jetzt für besonders wichtig. Da sind viele Bereiche betroffen wie die Vereinbarkeit, Frauen in systemrelevanten Berufen, schlechtere Bezahlung. Bekannte Themen, die durch die Krise ein ganz anderes Gewicht bekommen. Wenn alles wieder geregelter läuft, wird das neu zu diskutieren sein.
Im Rückblick: Was war Ihnen besonders wichtig?
Wir haben Publikationen herausgegeben. Am Anfang war mir wichtig, Gleichstellung zeitgemäßer zu kommunizieren und strukturell so aufzubauen, dass ein effektives Infrastrukturnetzwerk mit Frauenverbänden und weiteren Beteiligten entsteht. In der strategischen Planung hat mir sehr geholfen, dass die EU-Charta zur Gleichstellung auf kommunaler Ebene mit Hilfe der Politik auf den Weg gebracht wurde, daran konnte ich anknüpfen. Mein kritischer Ansatz ist: Man hätte etwa von der Landesregierung mehr Ressourcen für die Umsetzung stellen müssen. Es werden viele Planungen gemacht, und dann fehlt es für die Umsetzung an Personal und Geld. Durch vielfache Unterstützung konnten wir dennoch zahlreiche Projekte auf den Weg bringen. Unter anderem zum Thema häusliche Gewalt mit Courage und dem Frauenhaus oder in Bezug auf Förderung der Frauenerwerbstätigkeit mit dem Bildungszentrum Bottrop.
Hausintern hatten wir etwa ein Mentoring-Programm, bei dem wir kommunal übergreifend erfahrene Wirtschaftsfrauen und Verwaltungsführungskräfte zusammengebracht haben als Tandem mit Frauen mit Potenzial.
Zudem war ich viel unterwegs. Ich habe eine meiner Hauptaufgaben darin gesehen, die Erfordernisse so aufzugreifen und zu diskutieren, dass am Ende was geschieht. Das kann man nicht nur lokal machen. Ich war in vielen relevanten Gremien, z.B. im Städtetag NRW.
Und was hätten Sie gerne noch geschafft?
Ich hätte gerne noch daran mitgewirkt, die Schwerpunkte beim Thema Gleichstellung – wie Bildung, häusliche Gewalt, verwaltungsinterne Gleichstellung, Gesellschaft – in allen Kommunen auf einen optimaleren Nenner zu bringen. Es gibt in dem Bereich ein immens großes Themenfeld. Das müsste mehr konzentriert werden, so dass auch schneller Erfolge erzielt werden können.
Der berufliche Werdegang von Heidi Noetzel
Die Bottroperin war im Schul- und im Personalamt tätig. In der Wirtschaftsförderung übernahm sie zum ersten Mal Führungsaufgaben als Abteilungsleiterin.
Zeitgleich mit dem Antritt als Gleichstellungsbeauftragte war Noetzel Geschäftsstellenleiterin für die Europäische Charta zur Gleichstellung von Frauen und Männern von 2011 bis 2017 und Mitglied in dem mit Politik, Verwaltung und Institutionen besetzten Lenkungskreis. Hieraus resultierte der erste Bottroper Gleichstellungsaktionsplan mit vielen Projekten.
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