Bottrop. Wie arbeitet die CDU das Kommunalwahlergebnis auf, welche Lehren zieht sie? Auf die Partei wartet viel Arbeit. Eine Analyse
„Ich hätte erwartet, dass die Kreisvorsitzende die Verantwortung für das Wahlergebnis übernimmt“ – es gibt auch Mitglieder und Verantwortliche in der Bottroper CDU, die sich gewünscht hätten, dass Anette Bunse nach dem schwachen Abschneiden der Union bei der Kommunalwahl zurückgetreten wäre. Dagegen stehen besonnene Stimmen, die davor warnen, dass mit einem Personalwechsel an der Spitze eben nicht alles besser wird. Doch wie geht die CDU mit dem Wahlergebnis um, welche Lehren zieht sie?
Die Bestandsaufnahme: 14 CDU-Vertreter haben es erneut in den Rat geschafft, damit bleibt die Union zweitgrößte Fraktion im Rat, doch die Grünen mit nun acht Ratsleuten haben stark aufgeholt. Bei der Wahl im September hat die Union im Vergleich zur letzten Ratsperiode einen Sitz verloren. Doch sie rutschte von 27,7 Prozent noch einmal ab auf 23,3 Prozent.
Verzicht auf OB-Kandidaten wird intern auch kritisch beurteilt
Dabei gab es im Land Rückenwind. Dass die CDU auch im Ruhrgebiet Wahlen gewinnen kann, zeigten die Parteifreunde in Essen oder Oberhausen. Allerdings wurden die auch von CDU-Oberbürgermeistern getragen. In Bottrop stand nicht einmal ein CDU-Kandidat zur Wahl.
Und mit SPD-Mann Bernd Tischler trat ein beliebter Amtsinhaber an. Als Zugpferd dürfte er auch seiner eigenen Partei genutzt und einen Anteil am SPD-Abschneiden haben . Ja, auch die Sozialdemokraten haben bei der Kommunalwahl deutlich verloren – rund sieben Prozent – doch angesichts des miserablen SPD-Abschneidens in vielen anderen Städten wirkt das Bottroper Ergebnis wie ein Erfolg . Zumal die SPD im Rat bis auf den der Vorsitzenden Sonja Voßbeck alle Sitze in den Wahlbezirken direkt gewonnen wurden. Die CDU schaffte das nicht einmal in allen Wahlbezirken ihrer Hochburg Kirchhellen. Grafenwald ging wieder verloren.
Bottroper CDU will eigene Initiativen künftig stärker herausstellen
Karl Reckmann, Vorsitzender der CDU-Stadtmitte kritisiert die Entscheidung, auf einen OB-Kandidaten zu verzichten: „Ich habe diese Entscheidung mitgetragen, aber im Nachhinein muss man sagen, dass sie falsch war. So etwas darf uns nicht mehr passieren.“ Die CDU hatte ihren Verzicht damit begründet, dass Bernd Tischler einen guten Job mache und man ihn unterstützen wolle. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die CDU hat niemanden gefunden, der gegen Tischler antreten wollte.
Man habe begonnen, sich mit dem Wahlergebnis auseinanderzusetzen, sagt CDU-Vorsitzende Anette Bunse. Einen Rücktritt habe sie aber nie in Erwägung gezogen. „Wir sind dabei, das Ergebnis aufzuarbeiten.“ Angesichts der Einschränkungen durch Corona sei das aber gar nicht so einfach, reale Treffen fallen derzeit flach. Erste Zwischenergebnisse gibt es gleichwohl. Es gibt CDU-Köpfe, die selbstkritisch einräumen, dass nicht klar wird, wofür die CDU steht. Das bedeutet nicht, dass die Partei sich in Total-Opposition zur SPD-Mehrheit im Rat begibt. Das entspricht nicht dem Politikverständnis der Fraktionsspitze um Hermann Hirschfelder und seine Stellvertreter Rainer Hürter und Volker Jungmann, und man kann zumindest fragen ob sich konstruktiv Kommunalpolitik betreiben lässt. Allerdings werde man stärker herausstellen, welche Initiativen die CDU ergreift.
Neue Themen und neue Köpfe aufbauen
Auf jeden Fall wollen Partei und Fraktion ihre Kommunikation verbessern. Das Augenmerk werde stärker auch auf Social-Media liegen, sagen Anette Bunse, Hermann Hirschfelder und Rainer Hürter als Kirchhellener CDU-Vorsitzender. Im Wahlkampf war die Partei – gezwungen durch Corona – verstärkt auf Facebook aktiv. Allerdings gibt es da noch viel Luft nach oben. Der CDU-Facebook-Auftritt gehört zu den schwächeren der Bottroper Parteien, räumen Verantwortliche ein. Möglich, dass sich Partei oder Fraktion da professionelle Verstärkung holen.
Die neue Ratsperiode muss die Partei nutzen, um sich auch personell zu erneuern, um neue Köpfe zu gewinnen und in aussichtsreiche Positionen zu bringen, um in fünf Jahren neu angreifen zu können. Doch die Frage ist, wen kann die CDU da noch bieten. Jahrelang war Bastian Hirschfelder das jüngste Fraktionsmitglied im Rat – mit inzwischen über 40 Jahre alt. Mit dem stellvertretenden Kreisvorsitzenden und ehemaligen JU-Vorsitzenden Dennis Beckers ist jetzt ein jüngeres Mitglied nachgerückt, dazu als Neuling im Rat Susanne Jungmann, lange Zeit Sprecherin der CDU in der Bezirksvertretung Mitte. Doch von der Bottroper Jungen Union – klassischerweise das Nachwuchsbecken der Partei, hört man so gut wie nichts mehr – anders als noch vor einigen Jahren, als sie als mitgliederstärkste politische Jugendorganisation in Bottrop galt.
Im erweiterten Fraktionsvorstand sind nun auch neue und jüngere Mitglieder vertreten
„Wir haben als eine Reaktion unseren Fraktionsvorstand erweitert und jüngere Leute mit in das Gremium aufgenommen“, berichtet Dennis Beckers. Bei einem Verjüngungsprozess erfahren Parteien aber auch Rückschläge: Da liefert die SPD Beispiele, die 2015 mit einigen jungen Kräften angetreten ist. Von denen strichen einige aus beruflichen und familiären Gründen längst wieder die Segel. Wer jüngeren Menschen Verantwortung überträgt, muss eben mit ins Kalkül ziehen, dass sie familiär und beruflich nicht immer so gefestigt sind und sich ihre Prioritäten verschieben.
Doch die CDU will sich unbedingt auch thematisch aufstellen. Dabei habe man als klassisches CDU-Thema selbstverständlich die Wirtschaftsförderung im Blick, heißt es. Doch auch beim Thema Verkehr – der Konflikt zwischen den Wünschen der Radfahrer und denen der Autofahrer – wird sich die Partei positionieren müssen, gleiches gilt für den Klimaschutz vor Ort.
Lokale Themen auf Wahlplakaten
Michael Pricking und Hans-Christian Geise von der CDU Vonderort haben im Mai einen Masterplan Verkehr gefordert . Im November 2019 hatte auch die Kreisvorsitzende ein Nahmobilitätskonzept ins Gespräch gebracht. Das verstärkt den Eindruck: An vielen Stellen gibt es einzelne Initiativen, die aber oft irgendwie im Raum stehen und dann nicht weiter aufgegriffen und mit nötigen Nachdruck verfolgt werden. Selbstverständlich lässt sich das nicht eins zu eins im Rat umsetzen, wenn man nicht die Mehrheit stellt, doch es hilft, das eigene Profil zu schärfen. Ansätze wären bei den Wahlplakaten zu sehen. Hier griff die CDU die lokalen Themen Feuerwache und Entwicklung der Bergbauflächen auf.
Erfreulich aus Sicht der Partei sei allenfalls das Ergebnis in Kirchhellen, sagt Rainer Hürter. Zwar hat die Union in der Bezirksvertretung die absolute Mehrheit verloren, doch der Stimmenanteil rutschte lediglich von 49,9 auf 48,3.