Bottrop. Am „Tag der Friedhofskultur“, dem 20. September, geht es nicht um die Bauten oder Gedenkorte. Vielmehr steht die vielfältige Nutzung im Zentrum.
Wenn sich eine Gesellschaft wandelt, ändert sich oft auch die Bestattungskultur. In Deutschland ist das seit vielen Jahren zu beobachten. Auch auf den acht Bottroper Friedhöfen mit ihrer beachtlichen Fläche von immerhin 680.000 Quadratmetern geht heute es anders zu - und sieht zum Teil auch anders aus - als noch vor 50 Jahren. Die penibel bepflanzte Gruft mit repräsentativem Grabstein weicht immer mehr dem Einzel- oder Urnengrab. Andere Bestattungsformen, wie das Wiesengrab, Friedwald- oder Seebestattungen, werden häufiger gewählt. Der klassische Friedhof ist oft nur noch „locker“ belegt, pflegeleichte Gräber nehmen zu.
Vielfältige Nutzung - trotzdem ein Ort der Ruhe
Das heißt aber nicht, dass der Friedhof als Ort der Natur und der Ruhe an Bedeutung verliert. Im Gegenteil: „Als Treffpunkt oder Ort für Sport und Naherholung ist er populärer denn je“, sagt Bürgermeister Klaus Strehl. Diese vielfältige Nutzung sei auch Anlass für das Kuratoriums der deutschen Unesco-Kommission gewesen, die Friedhofskultur der langen Liste des „Immateriellen Kulturerbes“ hinzuzufügen, so Strehl. Mit dem morgigen 20. September als Tag der Friedhofskultur ist auch Bottrop Teil eines Netzwerkes von über 100 deutschen Städten, die diesen Tag begehen.
Durch diese Ernennung sind die acht städtischen Bottroper Friedhöfe - der neunte in Feldhausen ist noch in kirchlicher Hand - nicht Welterbe oder Weltkulturerbe, wie Stehl betont. Es gehe auch nicht um die Bauten, Anlagen oder einzelne historische Grabmale, sondern einfach um die Nutzung dieser Orte durch die Menschen. Das reiche natürlich von der Grundidee als Orte der Trauer und der Rituale, mit denen man von lieben Menschen Abschied nehme, über den Friedhof als sozialen Treffpunkt, als Mahnort für den Frieden, bis hin zum Ort der Biodiversität als Beitrag zum Natur- und Klimaschutz.
Bestattungskultur ändert sich
Ein Aspekt, der immer wichtiger werde, so Heike Lüning. Die Abteilungsleiterin im Fachbereich Umwelt und Grün erinnert an die 50.000 Quadratmeter auf dem Westfriedhof, auf denen heute eine Photovoltaik-Anlage steht, aber auch an die 13.000 Quadratmeter am Rande des Parkfriedhofs, die demnächst zur Streuobstwiese werden. „150 Obstbäume, alles alte Sorten, pflanzen wir dort noch in diesem Herbst und was in Zukunft dort wächst, können die Bottroperinnen und Bottroper ganz legal ernten“, sagt Heike Lüning.
Das Schild, das auf den neuen „immateriellen“ Friedhofsstatus hinweist. steht am Anfang der eindrucksvollen Allee die sich hinter dem Haupteingang an der Hans-Böckler-Straße sanft den Hügel hinaufzieht, an dessen höchstem Punkt ein großes Kreuz steht. Natürlich ist auch die Friedhofskultur hier noch christlich geprägt, die großen und kleinen Kreuze, Statuen oder ewige Lichter auf den Gräbern weisen darauf hin. „Aber der allgemeine Wandel im Bestattungswesen bedeutet auch, dass es für die Städte immer schwieriger wird, diese Orte zu erhalten und vor allem auch zu pflegen“, sagt Helmut Lüchtefeld, bei der Stadt zuständig für die Friedhofsunterhaltung.
Erhalt der Friedhöfe wird schwieriger
Wer beim Bestatter aufbahren lässt und nicht mehr die Anlage um die schöne Trauerhalle oder die Halle selbst nutzt, lässt die Gebühren woanders. Die Stadt halte aber weiter die Einrichtungen vor und vor allem: in Stand, so Lüchtefeld. Bei Friedwald- oder Seebestattungen werden die traditionellen Friedhöfe ohnehin gar nicht in Anspruch genommen. Aber erhalten werden müssen sie, auch wenn es immer weiter zu Verdichtungen kommen werde, also die Flächen für Gräber kleiner würden und die anderweitige Nutzfläche anwachse. Zurzeit liege das Verhältnis noch bei 70 zu 30 Prozent zugunsten der eigentlichen Friedhofsnutzung, sagt Stefan Beckmann, Fachbereichsleiter Umwelt und Grün. Und an diesem Verhältnis wird Bottrop auf jeden Fall in der nächsten Zeit festhalten - ebenso, wie am Angebot unterschiedlicher Bestattungsformen und dem Angebot der angemessenen Nutzung der parkähnlichen Anlagen für alle.
Wegen Corona verschoben
Wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie und des Beginns des so genannten „Lockdowns“ an diesem Tag ist der Erinnerungstag nun in den September verlegt worden.